Wie ein Nutzer ein digitales Produkt wahrnimmt oder darauf reagiert, wenn er mit ihm interagiert, wird für Marken im Zeitalter ständiger digitaler Innovationen immer wichtiger. Denn egal ob etablierte Bank oder aufstrebendes Start-Up – jedes Unternehmen will Nutzer akquirieren und vor allem auch halten, denn die Konkurrenz ist groß.
Doch User an sich binden funktioniert längst nicht mehr allein durch gutes Aussehen. Der erste Eindruck ist zwar nach wie vor entscheidend. Für eine nachhaltige Beziehung zwischen Nutzer und Produkt bedarf es aber der Berücksichtigung weiterer Faktoren, die bei der Gestaltung digitaler Produkte und Services eine gewichtige Rolle spielen.
Wie also können Marken ihre Nutzer in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig ihre Unternehmenspersönlichkeit mit Werten und Kultur möglichst allübergreifend sichtbar machen? Denn genau darum geht es: der User muss die Verbindung zu „seiner“ Marke spüren, während er ein Produkt benutzt. Idealerweise wird eine Dreierbeziehung erzeugt: eine nachhaltige emotionale Beziehung zwischen dem Nutzer, dem digitalen Produkt, welches er nutzt, und der dahinterstehenden Marke.
Gelingt dies, nehmen User das Produkt auch wirklich an und nutzen es häufig und langfristig. Die Erfolgsformel ist, eine Marke in die digitalen Produkte und Services eines Unternehmens „hineinzubacken“. Denn auch wenn der User beispielsweise die App einer Marke zunächst ansprechend findet – wenn diese in ihrem Erlebnis vollkommen von der Positionierung der Marke abweicht, findet keine Identifikation statt. Bei der Gestaltung digitaler Touchpoints gilt es somit, folgende Punkte zu beachten:
1. Erlebnisqualität
Das Nutzererlebnis ist Key. Schon einmal von der hedonischen Qualität gehört? Meistens wird die Qualität eines Produkts allein an dessen Funktionalität und Praktikabilität bemessen – Doch wie fühlt der User sich bei der Nutzung der Anwendung? Hat das Produkt eine „Seele“ und kann auch dadurch begeistern, dass es dem Nutzer ein echtes (Marken-)Erlebnis bietet?
Um besser zu verstehen, wie sich dies für die Verbesserung der User Experience nutzen lässt, muss beachtet werden, dass jedes Produkt kommuniziert. Im Idealfall erzählt es Geschichten und löst beim Nutzer Emotionen aus. Dieses Auslösen von Emotionen sowie das Assoziieren mit bestimmten Gefühlen oder Dingen geschieht beim Nutzer unterbewusst, weshalb Hirnforscher auch von einer „Benutzer-Illusion“ sprechen. Ein Großteil unserer Entscheidungen wird unterbewusst getroffen, dies muss man sich immer wieder vor Augen halten – und letztendlich zunutze machen.
2. Designsprache
Das Interface Design ist wichtiger denn je. Es steht in direkter Verbindung mit der Wahrnehmung der Nutzer und kann demnach beeinflussen, wie eine Anwendung wahrgenommen wird. Durch die Gestaltung können unterschiedliche Markenwerte zum Ausdruck gebracht werden – von Verspieltheit über Dynamik bis hin zu Exklusivität.
Letzteres ist unter anderem für die Marke Apple essentiell und wird zum Beispiel über den großzügigen Einsatz von Weißraum in deren Website „hineingebacken“. Für Unternehmen mit einer Positionierung im Premium-Segment liegt die Herausforderung also mitunter darin, ihre Persönlichkeit mit minimalen Mitteln maximal zum Ausdruck zu bringen.
3. User-Integration
Die Einbeziehung des Users zahlt sich aus. Interface Design bedeutet vor allem auch Design Thinking. Im Zentrum aller Überlegungen steht der Nutzer, die Produktentwicklung ist von Anfang an auf seine Bedürfnisse ausgerichtet. Um herauszufinden, welches das ideale Produkt für den User ist, spielt Prototyping eine wichtige Rolle.
Zuerst einmal geht es dabei um das Einholen von Ideen und Wünschen der Nutzer. Mithilfe des Übersetzens der herausgearbeiteten Nutzerbedürfnisse in Prototypen und der Überprüfung von Annahmen in User Testings lässt sich im Anschluss schnelles und vergleichsweise günstiges Feedback einholen. Denn auch, wenn die Vorab-Interaktion mit Nutzern zunächst scheinbar mehr Ressourcen verbraucht – im Vergleich zu einem späteren Produkt, welches nicht von der Zielgruppe angenommen wird und in der Versenkung verschwindet, spart man gewaltig.
Besonders durch Remote User Testings, die von Nutzern direkt Zuhause durchgeführt werden können, ist es mittlerweile möglich, alle denkbaren Zielgruppen miteinzubeziehen – auch wenn sich diese über die gesamte Welt verteilen oder unterschiedlichen Altersgruppen stammen.
4. Effektive Userführung
Der Zeitfaktor wird hoch gewertet. Dieser rein pragmatische Aspekt treibt eine große Anzahl von Nutzern dazu, eine Anwendung noch vor dem eigentlichen Kennenlernen bereits wieder zu verwerfen. Schnelllebigkeit zieht sich durch die gesamte Gesellschaft – und macht auch vor digitalen Produkten und Services nicht halt.
Wer nicht sofort von sich überzeugen kann, ist raus aus dem Spiel. Eine pragmatische, intuitive Bedienung ist deshalb Grundvoraussetzung. So wirken zum Beispiel zu viele verschachtelte Unterseiten abschreckend, denn niemand hat mehr Lust, sich verwirrt durch ein Labyrinth an Texten zu kämpfen. Keep it short and simple!
Die genannten Aspekte zeigen: Möglichkeiten, die User Experience seiner Nutzer zu verbessern, gibt es viele. Nicht alle sind auf den ersten Blick zu erkennen, setzt man sich jedoch auf allen Ebenen mit der Anwendung auseinander, lassen sich einige versteckte Kniffe entdecken. Wer über alle Touchpoints hinweg einen einheitlichen Markenauftritt gewährleistet und den User darüber hinaus begeistern und für sich einnehmen kann, dem steht einer erfolgreichen Kundenbindung nichts im Weg.
Über den Autor / Über COBE
Felix van de Sand ist Managing Director und Co-Gründer von COBE. Mit der User Experience Identity Methode hat die Digitalagentur einen eigenen Designansatz entwickelt, der aktuell in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt validiert wird. Auf dieser Basis entstanden bereits erfolgreiche digitale Produkte für Vodafone, Wirecard und MunichRe.
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