Type Community – Netzwerken in der Designbranche – Interviews zu ganz konkreten Alltags-Themen von Designer zu Designer, und die Frage wie wir voneinander lernen können.

Mit der Interviewserie „Designer fragt Designer“ möchten wir auf ganz konkrete Fragen zum Alltag von Designern eingehen. Interviews und Erfolgsgeschichten mit Agenturleitern und Design-Koryphäen sind immer sehr schön zu lesen, doch spiegeln sie in der Regel nicht den Alltag der breiten Design-Masse wider. Daher geht unser freier DESIGNBOTE Redakteur Julien Fincker auf ganz normale Designer zu, die täglich die gleichen Erfolge feiern und die gleichen Kämpfe austragen, wie wir alle. Als Gemeinschaft ist es wichtig, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Ganz unter dem Motto „Sharing is caring“ haben wir also Designer zu ganz bestimmten Themen und Situationen befragt und nachgehakt wie sie mit diesen bestimmten Themen und Situationen im Alltag umgehen.

Netzwerken ist in der Designbranche ein wichtiges Thema. Ein gutes Netzwerk kann dabei helfen, neue Jobs zu finden, Kooperationen zu starten, oder weiterhelfen wenn man mal nicht weiterkommt. Genauso bringt man sich auch aktiv ein und vermittelt Jobs oder hilft Kollegen weiter, die gerade an einem komplizierten Projekt hängen bleiben. Man unterstützt sich gegenseitig und gibt einander Rat. Vitória Neves von SevenType ist auf interessanten und ganz eigenen Wegen zur selbstständigen Type Designerin geworden. Auch auf ganz eigenen Wegen hat sie sich mit der Zeit ein großes Netzwerk aufgebaut. Bei ihrer sehr offenen und kommunikativen Persönlichkeit scheint es ihr nicht schwer zu fallen, mit Leuten in Kontakt zu treten. Ich wollte wissen wie das geht, und genau deshalb habe ich ein paar Fragen an sie:

Du bist auf einigen Umwegen zum Type Design gekommen, und hast Dich direkt selbstständig gemacht. Deine erste Veröffentlichung Kamila war auch direkt ein großer Erfolg. Erzähl mal, wie bist Du dazu gekommen?

Mich hat schon seit meiner Kindheit alles, was mit Schreiben einen Zusammenhang hat, begeistert. Sei es Kalligrafie, Schreibmaschinen, Papier oder Stifte. Ich habe das alles immer nur als ein Interesse gesehen und ich wusste damals auch nicht, dass man mit Schrift beruflich etwas machen kann. Nachdem ich Sprachen, Literatur und Pädagogik studiert habe und aus verschiedenen Gründen meinen Lehrerjob aufgegeben habe, kam dieses Interesse wieder. Ich hatte Zeit und habe angefangen Kalligrafie und dann Lettering autodidaktisch zu lernen. Je mehr ich mich mit Schrift beschäftigt habe desto mehr wollte ich wissen. Das hat mich dann auch zu Type Design geführt. Auf einmal wusste ich endlich, womit ich mich beruflich beschäftigen wollte und habe angefangen an Kamila zu arbeiten. Es kann recht schwierig sein sich Type Design selbst beizubringen. Man hat keine Orientierung, man weiß nicht welche Ressourcen gut sind und man hat kein Feedback. Da habe ich einfach angefangen, aus Verzweiflung, Hilfe zu suchen. Zuerst habe ich Laura Worthington per Email geschrieben. Sie war sofort bereit mir zu helfen und ich konnte mein Glück nicht fassen. Stell dir vor, dein Idol per Skype zu treffen und sie gibt dir Feedback und sogar ein paar Tipps. Später habe ich die Alphabettes entdeckt und mich bei dem Mentorship Programm angemeldet. So bin ich zu der besten Mentorin die man sich wüschen kann gekommen: Nicole Dotin. Nicole hat mir sehr weitergeholfen. Regelmäßig haben wir uns per FaceTime getroffen. Sie gab mir wertvolle Tipps und Feedback. Sie hat dann auch Feedback von anderen Type Designern für mich arrangiert, die mir auch sehr weiter geholfen haben. Jetzt arbeite ich für sie bei ihrer Type Foundry Process Type. https://processtypefoundry.com

Type Community

Kamila

Was genau sind die Alphabettes? Kann sich dort jeder einfach anmelden?

Die Alphabettes sind ein weltweites Netzwerk mit dem Ziel alle Frauen, in den Bereichen Lettering, Typographie und Type Design, zu fördern und zu unterstützen. Auf der Alphabettes Webseite gibt es regelmäßige Blog Posts, das Mentorship Programm und immer neue coole Header. Mittlerweile bin ich Mitglied und organisiere auch die Alphacrit Sessions, zusammen mit Nicole Dotin und Sol Matas. Alphacrit sind Videokonferenzen in denen 4 TeilnehmerInnen Feedback von 2 Spezialisten bekommen. Ich habe den Alphabettes viel zu verdanken. Sie waren auf meinem Weg zu Typedesign enorm wichtig. Ohne sie hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft. Ich rate allen die Hilfe brauchen sich bei dem Mentorship Programm anzumelden. Obwohl dieses Netzwerk eher für Frauen gedacht ist, wird keiner ausgeschlossen und jeder darf mitmachen.

Ich habe Dich als sehr offen und kommunikativ kennengelernt. Relativ zügig hast Du Dir ein großes Netzwerk aufgebaut. Fällt es Dir leicht mit Leuten in Kontakt zu kommen?

Ich bin eher ein introvertierter Mensch und manchmal auch etwas schüchtern, aber online fällt es mir sehr einfach. Da muss ich mich manchmal sogar ein wenig zurückhalten. Mal schreibe ich jemanden von dem ich die Arbeit echt gut finde, mal frage ich nach Tipps auf Twitter oder mache einfach nur Smalltalk. Jedes Mal bin ich sehr positiv überrascht wie hilfreich die Type Community ist.

Welche Plattformen benutzt Du, um mit Leuten in Kontakt zu treten? Und welche Vorteile bieten sie?

Ich bin in fast allen Plattformen unterwegs. Twitter ist ganz gut um einen Draht zur Type Community zu finden. Man erfährt dort was gerade in der Welt von Type passiert und angesagt ist. Man kann auch sehr leicht mit Gleichgesinnten ins Gespräch kommen. Als ich angefangen habe auf Twitter aktiv zu sein, war ich verblüfft wie die Type Community mich generell so gut aufgenommen hat. Obwohl ich eine Quereinsteigerin bin und mit niemanden auf der Uni war oder vorher kannte. Instagram, Behance und Dribbble sind ganz gut für den visuellen Aspekt, um sich zu inspirieren und auch die eigene Arbeit zu zeigen. Dort kann man auch gefunden werden und zu potenziellen Kunden Kontakt aufnehmen. Wegen Instagram habe ich eine kleine Gruppe von Type Designern kennengelernt und wir haben seit einer Weile unsere eigene Slack Gruppe in der wir uns gegenseitig unterstützen und helfen. Ich kann das jedem ans Herz legen, die eigene „Tribe“ zu finden. Neulich habe ich wieder angefangen auf Medium zu schreiben. Indem ich über meinen Prozess schreibe und zeige, kann ich über meinen eigenen Prozess besser reflektieren und bessere Entscheidungen treffen. Einige Leute haben mir geschrieben dass ihnen meine Medium stories etwas gebracht haben, andere wollten Feedback von mir bekommen. Es ist für mich eine Ehre wenn andere mir seine/ihre Arbeit anvertrauen und bin immer bereit zu helfen wie ich kann, so wie auch mir geholfen wurde. Obwohl ich noch nicht an vielen Type Konferenzen teilgenommen habe sind diese auch eine gute Möglichkeit Leute kennen zu lernen.

Findest Du es wichtig, sich als Designer ein gutes Netzwerk aufzubauen?

Ja, auf jeden Fall! Ein gutes Netzwerk kann Dir viele Türen öffnen. Vielleicht arbeitet jemand an einem Projekt und braucht Deine Hilfe. Vielleicht kennst Du Dich mit etwas bestimmten nicht aus und jemand kann Dir weiterhelfen. Manchmal braucht man einfach nur moralische Unterstützung. Leute die dir Hoffnung geben, wenn etwas mal nicht klappt oder Leute die Deine Erfolge mitfeiern. Zusammen wird man stärker und andere Perspektiven können sehr bereichernd sein.

Gehst Du dabei gezielt vor oder überlässt Du es ein Stück weit dem Zufall?

Ich überlasse das eher dem Zufall. Manchmal passt es einfach und manchmal halt nicht und das ist auch OK. Ich denke, dass man immer von allen etwas lernen kann und andere können auch von Dir immer etwas lernen, egal ob Anfänger oder Profi.

Wie reagieren die meisten auf Deine direkten Anfragen? Eher positiv oder gab es auch schon negative Erlebnisse?

Bis jetzt haben alle immer sehr positiv reagiert. Sogar besser als ich es mir vorgestellt hatte. Negative Erlebnisse hatte ich bislang noch keine. In der Type Community haben sich viele den Job selbst beigebracht. Viele Universitäten bieten keine Type Kurse an. Deswegen denke ich, dass viele, vielleicht sogar die meisten, mal Hilfe von jemanden gehabt haben und dann auch eher bereit sind anderen zu helfen.

Gibt es auch no-go´s beim Netzwerken? Was sollte man besser vermeiden?

Man sollte nicht einfach Dinge verlangen. Es muss auch nicht immer etwas geben dass man von der anderen Person will. Manchmal findet man die Arbeit der anderen Person gut und sagt es einfach. Sollte man aber Hilfe brauchen dann kann man auch höflich fragen. Ständig nerven oder negativ drauf zu sein sind auch sehr große no-go’s. Es ist OK zu sagen dass man mit etwas nicht klarkommt und sich Rat zu holen. Aber, wenn man sich ausweinen möchte dann sucht man sich vielleicht jemanden den man gut kennt und nicht gerade die Person zu der man zum ersten Mal Kontakt aufnimmt.

Du bist als Type Designerin selbstständig. Hast Du einen bestimmten Fokus, worauf Du Deine Arbeit legen willst?

Ich möchte mich auf andere Sprachen spezialisieren und habe zuerst mir Kyrillisch angefangen. Danach möchte ich gern an einer arabischen Schrift arbeiten. Mein Ziel ist, mindestens 4 Zeichensysteme zu beherrschen.

Das klingt sehr spannend, aber auch sehr schwierig, wenn man die Sprachen nicht versteht. Hilft Dir auch hier Dein Netzwerk weiter, um Dich in die Sprachen einzuarbeiten?

Ich denke dass man die Sprache nicht verstehen muss um Charaktere zeichnen zu können. Es ist jedoch schwierig zu beurteilen ob die Charaktere OK aussehen oder nicht. Es fehlt die Familiarität die man hat wenn man ein bestimmtes Alphabet alltäglich verwendet. Da ist es extrem wichtig sich Feedback zu holen. Yevgen Sadko, Gründer und CEO von Rentafont hatte mir seine Hilfe für Kyrillisch zuerst angeboten und dank ihm ist dann auch mein Interesse gewachsen, andere Zeichensysteme zu gestalten. Er gibt mir auch Feedback und zwar sehr ausführlich mit Tipps und Referenzen zu anderen Schriften die mir helfen, um das ein oder andere Problem zu lösen. Auf Twitter habe ich dann auch nach guten Ressourcen für Kyrillisch gefragt und sofort gute Buch- und Artikelempfehlungen bekommen. Ein paar Leute waren dann auch bereit mir Feedback zu geben.

Woran arbeitest Du im Moment? Gibt es bald etwas Neues von Dir zu erwarten?

Ich habe Ende September Klapt, eine geometrische Sans-serif veröffentlicht. Die Schrift hat einen sehr interessanten Kontrast zwischen den runden und eckigen Formen und ist ideal für Display. Sei es für Titel, Poster, Zeitschriften oder Bucheinbände. Klapt kann elegant aber auch bold wirken und passt ganz gut zu Corporate, Branding, Editorial oder Web Design. Momentan arbeite ich an der Kyrillischen Version von Klapt. Ich möchte ein extended Kyrillisch rausbringen damit Klapt einen größeren Sprach-Support hat. Als ein Fan von Multikulturalismus möchte ich die verschieden Kulturen und Sprachen in meinen Schriften unterbringen.

Type Community

Klapt

Abschließend möchte ich Dich noch fragen, was Du einem Netzwerk-Neuling raten würdest?

Meiner Meinung nach, sollte man versuchen die andere Person kennenzulernen und Fragen stellen. Ihr zeigen, dass man sie interessant findet. Leute können manchmal sehr schnell negative Kritik ausüben. Das fühlt sich für niemanden gut an. Deswegen sollte man versuchen das Positive zu sehen und sich da drauf zu fokussieren. Einmal habe ich einen Artikel von einem Type Designer gelesen. Ich fand den Text sehr gut und der war sehr hilfreich. Ich wollte mich einfach nur bedanken und ohne damit gerechnet zu haben, habe ich dann viele Tipps von ihm bekommen, was Retail Fonts angeht. Außerdem denke ich, dass es sehr wichtig ist, einfach sich selbst zu sein, andere so zu behandeln wie man selbst behandelt werden möchte und sich einfach trauen. Die andere Person ist ja auch nur ein Mensch. Die Gespräche müssen auch nicht immer einen rein beruflichen Zusammenanhang haben. Wenn man sich endlich getraut hat, kann es passieren dass keine Antwort, von der anderen Person kommt (ist mir soweit glaube ich noch nie passiert), aber es kann auch sein dass eine Antwort kommt die für immer dein Leben verändert.

Vielen Dank Vitória! Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und freuen uns schon auf Deine nächsten Releases!

Weitere Informationen zu Vitória Neves und SevenType findet man unter:
https://seventype.design/
https://www.myfonts.com/foundry/SevenType/
https://www.fontspring.com/foundry/seventype

Auch interessant: “Sich als Designer selbstständig zu machen”