Die meisten Begriffe rund um Design und Gestaltungsdisziplinen bezeichnen eine bestimmte Spezialisierung oder Kategorie in der Designbranche. Worte wie Produktdesign, Verpackungsdesign oder auch Logo Design erklären sich weitestgehend von selbst. Dies liegt wohl auch daran, dass entsprechende Berufe bekannt sind. Anders ist es bei der Bezeichnung Universal Design.

Auf den ersten Blick ist Universal Design ein sehr interpretierbarer Begriff. Was macht ein Design aus, damit es universell wird und was ist der Nutzen einer solch allgemeingültigen Gestaltung? Und bedeutet universell nicht auch ein Stück weit Beliebigkeit, was von keinem Designer ein gewünschtes Ziel ist? Das Universal Design ist keine Designdisziplin. Vielmehr handelt es sich um ein ganzheitliches Designkonzept, wobei die universelle Anwendbarkeit von Produkten und Systemen, aber auch die Gestaltung von Umgebungen im Mittelpunkt steht.

Wer sich heute mit dem Design von haptischen Gebrauchsgegenständen sowie der Programmierung von interaktiven und digitalen Anwendungen beschäftigt, kennt die Zielsetzungen zu Themen wie Usability und User Centered Design. Das Konzept des universellen Designs geht allerdings einen Schritt weiter und verbreitet sich sukzessive in nationalen wie internationalen Projekten auf der ganzen Welt.

Universal Design: Die Idee dahinter

Die Idee eines universellen Designs reicht bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurück. Damals erkannte man die Notwendigkeit der universellen Nutzbarkeit im Bereich der medizinischen Hilfsmittel zur Rehabilitation, die vor allem für Verwundete aus dem Zweiten Weltkrieg erforderlich wurden. Erstmals als Universal Design bezeichnete der amerikanische Designer Ronald L. Mace das Prinzip, Produkte anhand von Design für die breite Masse intuitiv nutzbar und auch verfügbar zu machen, in den 1980er Jahren.

In Europa entwickelte sich die Idee eines universellen Designs wohl in den 1950er Jahren aus dem skandinavischen Funktionalismus. Hier ist der Anspruch von Gebrauchsfreundlichkeit und Nutzerorientierung heute als „Design for all“ bekannt. In Großbritannien findet man denselben Ansatz als „Inclusive Design“.

Obwohl es teils verschiedene Ausrichtungen und Schwerpunkte gibt, bleibt die Idee weitestgehend dieselbe: Produkte, Dienstleistungen, öffentliche Gebäude und Infrastrukturen sollen für die breite Masse sowohl nutzbar als auch anwendbar sein. In Deutschland ist das Konzept auch als „Design für Alle“ bekannt. Viele Berufsgruppen, in denen das Gestaltungskonzept relevant ist, und beispielsweise die Autoren der ausführlichen Publikation „Universal Design. Internationales Design Zentrum Berlin e.V.“ aus dem Jahr 2008, nutzen auch hierzulande den Begriff Universal Design synonym zum „Design für Alle“.

Die sieben Prinzipien des universellen Designs

An der North Carolina State University entwickelte Ronald L. Mace 1997 mit einer Arbeitsgruppe aus Architekten, Forschern, Produktdesignern und Ingenieuren am Center for Universal Design sieben Prinzipien des universellen Designs. Diese Prinzipien gelten heute als Richtlinie für Designer, Gestalter und Entwickler, ihre Produkte oder zu gestaltende Umgebungen einem größtmöglichen Spektrum an Nutzern mit unterschiedlichen Fähigkeiten anzubieten, verfügbar und nutzbar zu machen. Für die Aufzählung der Prinzipien wird im Folgenden auf ein Produkt Bezug genommen, gleichwohl die Kriterien global auf alle Gebrauchsgegenstände, Technologien oder Räumlichkeiten anwendbar sind.

Prinzip 1: Breite Nutzbarkeit

Das erste Prinzip der breiten Nutzbarkeit stellt die universelle Handhabung eines Produkts in den Fokus. Ein Produkt soll dementsprechend so gestaltet sein, dass es so viele Menschen wie möglich nutzen können, ganz gleich über welche Fähigkeiten sie verfügen. Kein Nutzer soll sich aufgrund der Gestaltung oder der komplizierten Anwendung ausgegrenzt fühlen. Zudem soll das Design ansprechend sein und von der Allgemeinheit als attraktiv empfunden werden.

Prinzip 2: Flexible Benutzung

Mit der Flexibilität im Gebrauch soll eine große Anzahl individueller Vorlieben der Nutzer bedient werden. Die Gestaltung soll entsprechend präzise und selbsterklärend sein. Flexibilität bedeutet in diesem Kontext beispielsweise auch, dass ein universelles Produkt sowohl von Rechts-  als auch von Linkshändern gleichermaßen komfortabel zu verwenden ist.

Prinzip 3: Intuitive Handhabung

Ein Produkt soll einfach und intuitiv bedienbar sein. Diese intuitive Benutzung bezieht sich auf die individuelle Fähigkeit des Anwenders, also beispielsweise seine Sprachfähigkeit, seine Auffassungsgabe oder sein Alter. Die unkomplizierte Anwendung für möglichst viele Nutzer steht bei diesem dritten Prinzip im Fokus.

Prinzip 4: Sensorische Wahrnehmung von Informationen

Die Gestaltung eines Produkts soll so gewählt sein, dass der Nutzer alle für ihn notwendigen Informationen gemäß seinen Fähigkeiten sowohl sprachlich als auch bildlich und tastbar erfassen kann. Das Design soll unabhängig von der Umgebungssituation die notwendigen Informationen zur Anwendung verständlich machen. Dies soll auch für Menschen mit sensorischen Einschränkungen erreicht werden.

Prinzip 5: Minimierung der Risiken bei der Anwendung

Die Gestaltung soll mögliche Risiken bei der Anwendung weitestgehend minimieren und fehlertolerant sein. Etwaige Risiken oder negative Auswirkungen der Handhabung sollen durch das Design selbst verhindert oder zumindest so konsequent wie möglich eingeschränkt werden. Bestehen Risikofaktoren bei der Anwendung, ist offensichtlich und verständlich darauf hinzuweisen.

Prinzip 6: Angepasster Kraftaufwand

Ein Produkt soll dank seiner Gestaltung komfortabel und effizient von jedem anwendbar sein, ohne Ermüdungserscheinungen zu verursachen. Der Kraftaufwand, der für die Bedienung oder Handhabung erforderlich ist, soll angemessen sein.

Prinzip 7: Benutzung und Zugang

Die Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Bedienbarkeit bezieht sich insbesondere auf die Gestaltung von öffentlichen Räumen und Infrastrukturen. So sollen Bestandteile dermaßen gestaltet sein, dass sie von jedem Anwender, ganz gleich welcher Größe bzw. in sitzender oder stehender Position, gleichermaßen nutzbar sind.

Universal Design in Deutschland

Bei der Betrachtung dieser sieben Prinzipien wird die Tragweite des Gestaltungskonzepts Universal Design deutlich. Designer, Architekten und Ingenieure stehen zunehmend vor der Herausforderung, allgemeingültig nutzbare Gegenstände und Umgebungen für eine größtmögliche Anzahl von Menschen anwendbar und handhabbar zu gestalten. In einer Gesellschaft, in der der demografische Wandel voranschreitet, sollen Konzepte auf den größten Nenner ausgerichtet werden.

In Deutschland gibt es bis dato kein Gesetz, was das Universal Design als Gestaltungsprinzip vorschreibt. Allerdings fallen einige ISO-Normen zur Barrierefreiheit und auch zur benutzerorientierten Gestaltung unter den Ansatz des universellen Designs.

Zudem wird in Deutschland seit 2008 der Universal Design Award vom Institut für Universal Design vergeben. Der Wettbewerb richtet sich an Studierende, Start-ups und Unternehmen, die Architekturen, Produkte oder Service-Designs für eine breite Zielgruppe entwickeln. Der Aufruf zur Bewerbung bei der Universal Design Competition weist auch explizit auf die Entwicklung der generationsübergreifenden Handhabung hin. Für 2019 ist die Juryausstellung im Rahmen der Munich Creative Business Week angekündigt.

Seit dem Frühjahr 2010 gibt es in Deutschland auch das Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ vom Handelsverband Deutschland, HDE. Das Siegel zeichnet Einzelhändler aus, die ihren Kunden das Einkaufen unbeschwerlich und barrierearm gestalten. Geprüft werden unter anderem Zugangsmöglichkeiten, die Ausstattung der Geschäftsräume, das Leistungsangebot sowie das Serviceverhalten.

Universal Design und seine Relevanz im Hier und Jetzt

Obwohl die Bedeutung des universellen Designs unstrittig ist, fehlt es noch immer an rechtlichen Grundlagen. Zwar gibt es inzwischen gute Ansätze und auch Umsetzungen barrierefreier öffentlicher Räume, allerdings ist die Barrierefreiheit nur ein Aspekt des Gestaltungsprinzips Universal Design. Denn Universal Design soll nicht die Bedürfnisse einer einzelnen Gruppe bedienen, sondern die Ansprüche der Gesamtheit und der breiten Masse berücksichtigen. Körperlich oder geistig eingeschränkte Nutzer sowie Menschen mit Handicap sind dabei nur ein kleiner, wenn auch wichtig zu berücksichtigender Anteil.

Auch der monetäre Aspekt spielt bei der Umsetzung von Produkten, Einrichtungen und Gebäuden mit Universal Design eine nicht unerhebliche Rolle. Weil kein Gesetz gewisse Standards vorsieht, scheuen sich Unternehmen einerseits vor den Entwicklungskosten. Denn die Erstellung von Prototypen oder die direkte Einbindung von Nutzern in eine Testphase ist zeitintensiv und teuer. Überdies besteht eine weitere Schwierigkeit in der allgemeingültigen Akzeptanz von Design, die das erste Prinzip vorsieht. Es ist in der Tat eine Herausforderung, ein ansprechendes „Design für Alle“ zu gestalten und dabei konkurrenzfähig zu bleiben.

Trotz dieser Schwierigkeiten ist davon auszugehen, dass Universal Design in Zukunft als Designkonzept an Bedeutung gewinnen wird. In einer heterogenen und zunehmend älter werdenden Gesellschaft kann sich der Fokus der Gestaltung nicht an kleine spezialisierte oder gar privilegierte Gruppen richten. Die Gestaltung von Umgebungen, Infrastrukturen, Produkten und Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie auch Serviceleistungen muss sich sukzessive dem Gros der Nutzer anpassen und nicht umgekehrt.

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