… und was sind diese Open Type Features eigentlich? Grafikdesigner, egal ob Print-, Screen-, Animations- oder Sonstige-Designer, arbeiten jeden Tag mit Schrift. Die Schrift ist unser wichtigstes Tool, um Botschaften zu vermitteln. Wir sammeln Schriften, haben umfangreiche Bibliotheken und probieren sie gerne aus, bis für jedes Projekt die passende Schrift gefunden ist. Man sagt auch gerne, wir „spielen“ mit Schriften. Ganz richtig, denn in den Charaktereigenschaften eines jeden Designers finden sich vor allem Neugier, Offenheit für Neues und ein regelrechter Spieltrieb wieder. Doch wissen wir auch, das gesamte Potenzial einer Schrift auszuschöpfen? Wissen wir, was alles in ihnen steckt?

Typedesigner verbringen sehr viel Zeit in die Entwicklung einer neuen Schrift. Sie zeichnen jedes einzelne Zeichen, wägen Proportionen ab, justieren Abstände und bringen eigene Charaktereigenschaften ein. Eine sehr zeitintensive und detailreiche Arbeit. Ganz zu schweigen vom Ausbau in verschiedene Sprachen und Zeichensysteme. Daher ist es keine Seltenheit, wenn bis zur Fertigstellung bis zu sechs Monate vergehen, oder noch viel mehr. Typedesigner gestalten allerdings nicht nur die Zeichen, sie Programmieren auch. Sie fügen Features ein, die innerhalb der Schrift viele Alternativen und Möglichkeiten bieten. Hast Du zum Beispiel schon mal etwas von Open Type Features gehört? Richtig. Viele Designer haben vielleicht mal etwas davon gehört, aber wissen nicht so recht, was es ist und wozu es dienen kann. Das ist auch kein Wunder, denn Adobe, Microsoft und co machen es uns auch nicht immer einfach, sie zu finden.

Um ein wenig mehr über Open Type Features zu erfahren, zeigen wir, wie man sie in InDesign finden und nutzen kann. Denn bekanntlich führen mehrere Wege nach Rom. Und da Adobe es verstanden hat ein übergreifendes User Interface aufzubauen, sind die Features auch bei Photoshop, Illustrator und co auf ähnlichem/gleichem Weg zu finden. Auch Microsoft Word verfügt über die Möglichkeit, Features einzusetzen, worauf wir einen kleinen Einblick geben werden.

Alternative Buchstaben

Ein sehr beliebtes, eingesetztes Feature sind alternative Buchstaben, oder auch „Stylistic Sets“ genannt. Hierbei wird eine bestimmte Palette an Zeichen, in abgeänderter Form, in Sets verpackt. Durch das Aktivieren des Sets, kann dadurch das Schriftbild eine andere Charakteristik erhalten. Zum Beispiel offene, moderne Endungen in der Standard-Version, und geschlossene, klassische Endungen in einem Stylistic Set. Genauso kann aber auch nur das zweistöckige a durch ein einstöckiges a ersetzt werden, sofern die Schrift dieses Feature beinhaltet. Die Finador Schriftfamilie beinhaltet beide Features, daher ist sie für diese Anschauungszwecke gut geeignet.

Weitere Infos zur Finador Schriftfamilie

InDesign Weg 1:

Wird ein Textrahmen in InDesign gezogen und mit Text befüllt, erscheint im Rahmen rechts unten ein „O“ Symbol.

Open Type Features

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Durch anwählen des Symbols öffnet sich eine Palette mit möglichen Features. In diesem Beispiel stehen drei Stylistic Sets und Kapitälchen zur Verfügung. Durch anwählen des Sets 2 ändert sich das Schriftbild. Anstatt geöffneter Endungen, erhalten die betroffenen Buchstaben geschlossene Endungen.

InDesign Weg 2:

Alle Sets und Features findet man auch in der Zeichen-Palette. In den Unteroptionen gelangt man zu „OpenType“, und von hier aus weiter zu den „Formatsätzen“. Auf diesem Wege findet man generell alle Features, auch wenn Sie zum Teil missverständlich benannt sind. Wir empfehlen daher, einfach mal auszuprobieren … und zu spielen.

InDesign Weg 3:

Einzelne Zeichen können auch durch einfaches markieren geändert werden. Beim Markieren erscheinen rechts unterhalb des Zeichens die alternativen Varianten.

Open Type Features

Und was ist mit Word?

Microsoft Word ist, aufgrund seiner begrenzten Möglichkeiten und Benutzerfreundlichkeit, bekanntlich nicht das beliebteste Tool eines Designers. Doch sollte man nicht außer acht lassen, dass Design-Kunden fast ausschließlich Microsoft Programme nutzen. Daher sollten auch Designer über den Umgang mit Features in Word und co Bescheid wissen. Denn auch hier sind Open Type Features abrufbar.

Unter der Rubrik, oder über einen Rechtsklick im Text, findet man auf „Schriftart – Erweitert“ Open Type Features, wie zum Beispiel Ligaturen, und eben die angesprochenen Stil-Sets. In diesem Fenster kann man übrigens auch die Unterschneidung (Kerning) aktivieren.

Open Type Features

Open Type Features

 

Ziffernvariationen und Brüche

Ziffern

Doch nicht nur für Buchstaben gibt es die Möglichkeit alternativer Zeichen. Auch für Ziffern gibt es unterschiedliche Ausführungen. In der Standardausführung stehen meist die Versalziffern. Doch genauso sind auch oft Mediävalziffern, und auch die tabellarischen Formen beider Ausführungen in einer Schrift enthalten. Der Weg, diese zu finden, ist der selbige, wie schon beschrieben.

Open Type Features

Open Type Features

Brüche

Manche Schriften bieten auch die Möglichkeit, automatische Brüche anzeigen zu lassen. Das hat den Vorteil, dass ein schöner Bruch im Fließtext oft leichter gelesen werden kann, als das übliche 3/4. Und, worum es Designern natürlich am meisten geht: es sieht auch einfach schöner aus. Die Brüche findet man genauso einfach, wie bisher beschrieben. Sie erscheinen entweder durch das Markieren der Zeichen, oder durch das Aktivieren über die Zeichenpalette.

Open Type Features

Open Type Features

Fazit

Wie bei so vielem im Leben, steckt oft auch hinter einer Schrift mehr, als man im ersten Moment erwarten könnte. Daher können wir jedem Designer nur empfehlen, sich nicht einfach mit der Standardausführung zufrieden zu geben, sondern auch einfach mal etwas tiefer zu graben, und zu schauen was für Überraschungen eine Schrift bereithält. Eine Schrift – viele Möglichkeiten. Das bedeutet für Designer: mehr Möglichkeiten zum Spielen. Und das ist es doch, was jeden Designer am Ende des Tages glücklich macht.

Das war ein kleiner, erster Ausflug in die Welt der Open Type Features. Es bieten sich noch weitaus mehr Möglichkeiten, die ausgeschöpft werden können. Als Beispiel seien da „conceptual alternates“ genannt, die insbesondere für Script-Schriften interessant sind. Doch dazu ein andermal mehr.

Wir wünschen Euch fürs erste viel Spaß beim Spielen.

Open Type Features

Julien Fincker

Julien Fincker lebt und arbeitet in Stuttgart. Nach dem Studium und verschiedenen Stationen, wie zum Beispiel Stankowski + Duschek, arbeitet er als Art Director bei Sieber & Wolf Werbeagentur. Neben dem Hauptberuflichen interessierte er sich von Beginn an für die verschiedensten, gestalterischen Richtungen – egal ob Fotografie, Illustration, Mode- oder Typedesign. Da Typographie und Schrift seit jeher ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeit sind, war es nur eine Frage der Zeit bis er anfing, die ersten Buchstaben zu zeichnen.

Er verbringt gerne Zeit mit Frau und Zwillingstöchtern, oder spielt Pétanque mit Freunden und Bekannten. Aufgrund seiner französischen Wurzeln kam er wohl nicht um dieses Spiel herum.