Der Landi-Stuhl von Hans Coray ist ein meisterlicher Wurf, der bis heute Massstäbe setzt. Im Rahmen der Schweizerischen Landesausstellung 1939 wurde er erstmals präsentiert.

Der Landi-Stuhl geht auf eine Sternstunde des Designs zurück. Hans Coray, ein Schweizer Humanist und Künstler, entwarf den Aluminiumstuhl als offizielles Sitzmöbel für die Aussenbereiche der Schweizerischen Landesausstellung 1939. Der promovierte Romanist und Autodidakt unter den Möbelentwerfern konzipierte einen Stuhl, der wetterfest und ebenso leicht wie komfortabel sein sollte. Er setzt bis heute durch seinen effizienten Materialeinsatz und seine funktionale Eleganz Massstäbe im Design. Als Klassiker der Moderne hat er einen festen Platz in der Designgeschichte und in zahlreichen internationalen Designmuseen.

Eine Pionierleistung der Moderne
Der Landi-Stuhl nutzt wie kein anderes Möbel seiner Zeit den technischen Fortschritt der Aluminiumverarbeitung. Sein nüchternes und elegantes Design ist auf die industrielle Produktion und Verarbeitung des Materials zugeschnitten und als Meisterstück der Moderne in die Geschichte eingegangen.
Die Sitzschale des Landi-Stuhls folgt nicht nur der Kontur des sitzenden Menschen sondern ist im Unterschied zu Alvar Aaltos Sperrholzschalen auch in Querrichtung ausgeformt. Zum ersten Mal überhaupt entsteht so eine dreidimensional verformte Sitzschale, deren Komfort durch die Flexibilität des Aluminiumblechs noch gesteigert wird. Die Schale ist mit 91 gestanzten Löchern versehen, die dem Stuhl sein charakteristisches Aussehen geben und sein Gewicht weiter reduzieren.
Für das Gestell nutzt Hans Coray das Material Aluminium in anderer Form: Als Strangpressprofil, das dank seines c-förmigen Querschnitts leicht und zugleich auch stabil ist. Die gebogenen Aluminiumprofile bilden jeweils ein Beinpaar mit Armlehne und – durch zwei dünne Streben verbunden – gemeinsam auch das Untergestell. Auf diesem Gestell schwebt, nur an vier Punkten verbunden, die gelochte Sitzschale.
Damit führt der Landi-Stuhl ein konstruktives Prinzip ein, das einige Jahre später von Charles und Ray Eames systematisiert und perfektioniert wurde und heute aus dem Möbeldesign nicht mehr wegzudenken ist: Die auf einem selbsttragenden Untergestell aufliegende Sitz- und Rückenschale.

Die Schweizerische Landesausstellung 1939 in Zürich
Als die vierte Landesausstellung 1939 in Zürich eröffnet wurde, war die Schweiz zunehmend durch faschistische Regimes bedroht. Gleichzeitig wuchs auch die Solidarität unter den Bürgern des unabhängigen Alpenstaates. Die Schweizerische Landesausstellung in Zürich – genannt „Landi“ – griff diese Stimmung auf und stärkte die Identität der Schweizer. 10 Millionen Menschen besuchten die Pavillons des Ausstellungsgeländes. In den Pausen ihres Rundgangs ruhten sich Alt und Jung auf den Aluminiumstühlen am Ufer des Zürichsees aus. Hans Corays Stuhl war zu hunderten in den Aussenbereichen der Landesausstellung verteilt. Seine silbrig-schimmernde Oberfläche, seine Leichtigkeit und sein Komfort begeisterten die Besucher der Landi – sie nahmen das neuartige Sitzmöbel als „ihren Stuhl“ auf. Der Landi-Stuhl wurde zum Symbol für den technischen Fortschritt der modernen Schweiz.

Lange Jahre war die Geschichte des Klassikers durch wechselnde Hersteller, Produktionsunterbrechungen und Veränderungen des Originalentwurfs geprägt. Vitra ist es gemeinsam mit Henriette Coray, der Witwe von Hans Coray, gelungen, den Landi-Stuhl zu überarbeiten und wieder aufzulegen. „Der Landi-Stuhl verfolgt mich seit langer Zeit“, so Rolf Fehlbaum, Chairman Emeritus von Vitra. Neue technische Herstellungsmethoden ermöglichten die Wiederaufnahme der Produktion des Stuhls. „Wir sind technisch in der Lage, den Stuhl so zu produzieren, dass er unseren Ansprüchen genügt. Und zwar zu einem vernünftigen Preis, unter anderem, weil wir für gewisse Arbeitsschritte Roboter einsetzen. Für Vitra ist der Landi-Stuhl auch ein Zeitzeuge, der für Werte steht, die wir bewundern. Die Moderne mit ihrer Aufforderung zum Neubeginn drückt sich darin beispielhaft aus. Er bleibt ein Vorbild, auch für Zeitgenossen“, so Fehlbaum weiter. Der wetterfeste Landi-Stuhl wird heute wie der Originalentwurf von 1939 industriell produziert und lässt sich senkrecht stapeln. Die matteloxierte Oberfläche des Materials verleiht dem Klassiker seine charakteristische, silbrig-schimmernde Präsenz.

 

Bildquelle: Copyright Vitra / Landi Stuhl