Sina Otto ist seit September 2023 Creative Type Director beim Anbieter von Schrift und -Technologie Monotype am Standort Berlin. In dieser Schlüsselrolle berät sie Marken und Agenturen, wie sie durch Typografie ihre Markenidentität transformieren können. Zuvor arbeitete sie lange als selbstständige Kreative mit renommierten Agenturen wie UDG in Berlin und Proximity/BBDO in Mailand zusammen, ebenso zählten Verlage wie Axel Springer AG und DIE ZEIT zu ihren Auftraggebern.  2015 wurde sie in den Art Directors Club aufgenommen und war auch dieses Jahr Mitglied der ADC-Jury. Für noch mehr Abwechslung sorgen Workcamps im Harz, wo sie mit Gleichgesinnten einen Ort zum Leben erweckt. Neben diesem Kunst- und Kulturverein ist Sina auch Gründungsmitglied des alterswerks, einer Initiative von Künstler:innen für ein neues Altwerden. Eine weitere kreative Ausdrucksform ist ihre Leidenschaft für das Tanzen – ob für sich, im Studio oder auf der Bühne. Und dort findet sie sich nun auch in ihrem neuen Job wieder.

Sina Otto

Sina Otto, Creative Type Director bei Monotype DACH

Wie bist Du zur Kreation gekommen?

Das Umfeld, in dem ich aufwuchs, war von vielen Seiten kreativ geprägt.

Die Leidenschaft meines Opas war die Typo- und (3D-)Fotografie, was mein Vater weiterführte. Als Grafiker und Künstler hatte dieser ein Atelier, in das ich mich als Kind gerne zurückzog und alle Materialien ausprobierte. Auch meine Mutter ist sehr kunstaffin und handwerklich begabt. Ihr Vater lebte seine Kreativität als Schreiner und Musiker aus. Ich habe auch eine klassische Musikausbildung, wollte aber beruflich nie etwas anderes machen außer Grafik. So entschied ich mich dafür, eine (damals neuen) Ausbildung zur Mediengestalterin in einer Frankfurter Agentur zu absolvieren. Es folgte ein Kommunikationsdesign-Studium in Mainz und an der Universität Plymouth in Exeter. In England lag der Fokus auf Schrift, was meinen weiteren Weg ebnete; In Branding und Editorial-Design war Typografie mein Schwerpunkt und nebenbei widmete ich mich der Schriftgestaltung.

Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?

Auf mein Diplomprojekt bin ich im Nachhinein stolz. Dabei habe ich das fachspezifische Thema Corporate Identity/Design von Gemeinden behandelt. Das Buch „Stadteinwärts“ wurde vom DDC (Deutschen Design Club) ausgezeichnet.

Sina Otto

Stadteinwärts – Buch, Gestaltung und Text: Sina Otto

Ein anderes Projekt, in das ich viel Herzblut gesteckt habe, ist die Schrift Anima. An dieser habe ich in den letzten 10 Jahren in Phasen, u.a. in der Klasse von Lucas de Groot, gearbeitet.

Was war die schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnisse daraus?

Wahrlich schmerzlich war es, als ich während der Diplomphase wegen verschiedenen äußeren Stressfaktoren körperliche Beschwerden bekam. Darauf folgte ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Nach einem Jahr Festanstellung machte ich mich selbständig, was in die Zeit der Weltwirtschaftskrise fiel und ich war ein halbes Jahr arbeitslos. Das gab mir Zeit für mich und an meiner Eigenpräsentation zu arbeiten. Ich erfuhr gute Unterstützung. Doch den inneren Wandel muss man ja (immer wieder) selbst vollziehen.  Ich hatte die Erkenntnis, dass ich nicht allem gerecht werden könne und Ketten sprengte. Schließlich löste ich meinen Haushalt auf und ging nach London.

Das Schöne an Niederlagen ist also, wie die Frage schon zeigt, dass daraus (meist) eine Erkenntnis und hoffentlich ein Wandel folgt. Auf jeden Fall sollte man vermeiden, seine Gesundheit zu riskieren. Meditation hilft bei sich zu bleiben, wie mein Kollege Phil Garnham auch feststellte.

Was genau machst Du bei Monotype und was erfüllt Dich dabei am meisten?

Meine Aufgaben sind sehr vielseitig. Das ist das Beste. Agenturen und Marken stehe ich als Beraterin zur Seite, was Auswahl und Entwicklung von Schriften betrifft. Ich arbeite an Konzepten und spüre Type-Trends auf. Daneben halte ich Vorträge – auf der Bühne, bei Agenturen oder online. Ich habe regelmäßig Meetings mit Kolleg:innen aus den unterschiedlichsten Abteilungen. Am meisten erfüllt mich dabei der Austausch mit dem Studio-Team und der Kontakt mit externen Kreativen. Generell ist es schön, auch international so eng verknüpft zu sein, sich gegenseitig zu unterstützen und Neues zu erfahren.

Sina Otto

Logo Design: Sina Otto – Vorschlag zur Neugestaltung und veröffentlichte Jubiläumsmarke

Art Direction: Sina Otto – yeswecan!cer –

Woran arbeitest Du derzeit?

Zurzeit bereite ich einen Vortrag für die ADC Digital Conference vor. Dort werde ich mit Friedrich Althausen, Senior Type Designer bei Monotype, über KI und Schrift referieren. Gleichzeitig spreche ich mich mit den Beteiligten der BrandTalks ab. Bei der Veranstaltung in Düsseldorf werde ich die Moderation übernehmen.

Kreative Vorbilder – Hast Du eins?

So einige. Die Herangehensweise von Alan Fletcher, Sachlagen auf humorvolle Weise mit wenigen Strichen darzustellen, gefällt mir – überhaupt die Arbeiten der heutigen Partner bei Pentagram. Dann gibt es Stefan Sagmeister, der Grenzen sprengt und hinterfragt, das finde ich vorbildlich. Seine frühere Studio-Partnerin Jessica Walsh macht es ähnlich; Sie ist super talentiert und arbeitet hart. Persönlich prägend war für mich die Zusammenarbeit mit Lo Breier, mit dem ich mich mit und ohne viel Worte verstehe. Es ist aber nicht so, dass ich irgendjemandem nacheifere. Ich nehme aber gerne kreative Gedanken auf und spiele mit ihnen.

Inspiration – Wie kommst Du auf neue Gedanken?

Auf jeden Fall spontan im Team, wenn Lösungen gefragt sind. Unterwegs komme ich auch auf neue Gedanken bzw. denke Ansätze zu Ende, fühle mich da freier und mutiger. Ausstellungen finde ich oft sehr inspirierend. Das Versetztwerden in eine andere Welt und Auszeit von der jetzigen sorgt für Platz im Kopf, man knüpft an Ideen einer anderen kreativen Person an und kann mit einem Gefühl der Freiheit für sich Neues spinnen.

Welche Rolle soll aus Deiner Sicht Kommunikation und Design in der Gesellschaft einnehmen?

Beides soll eine Brücke darstellen, zum Verständnis beitragen. Voraussetzung dafür ist, dass es verständlich für das Gegenüber ist, so einfach und genau wie möglich im Ausdruck. Dabei sollte es auch interessant präsentiert sein, denn die Herausforderung ist ja, Aufmerksamkeit zu bekommen bzw. aufrecht zu erhalten.

Was ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?

Besonders spannend finde ich, dass man sich gemeinsam auf den Weg macht und nicht genau weiß, was am Ende dabei rauskommt. Es gibt viel Raum für Ideen und es entwickelt sich im Austausch, im Prozess. Dabei muss man auch loslassen und umdenken können, aus seiner Komfortzone gehen, um entweder etwas anzunehmen, was erstmal unangenehm erscheint oder um seine Ansicht klar zu vertreten, zu überzeugen.

Man weiß nie, was das Neue bringt. Man kann immer noch die Richtung ändern oder gar mehr finden, als man dachte. Nicht selten war es eine Person, die mich auf eine neue Ebene, an einen neuen Ort gebracht hat.
Wichtig ist, sich zu interessieren und zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen. Fehler zu machen, gehört dazu. Bleibt offen und neugierig!

Auf was wird es künftig im Branding und Design nach ankommen?

Es kommt immer darauf an, ein Design zu schaffen, das unverwechselbar ist, ein Branding, das zur Marke passt. Immer mehr geht es um Substanz, eine schöne Hülle allein reicht nicht mehr. Ehrlichkeit ist gefragt, wobei Ecken und Kanten gezeigt werden können. Etwas Neues oder bisher eher Verstecktes sollte dargelegt werden. Danach muss man suchen und dann kraftvoll umsetzen. Dazu braucht es noch mehr Mut.

DESIGNBOTE – Kreative Köpfe

DESIGNBOTE – „Inside The Monotype Studio“