Während man früher als „Brillenschlange“ oder „Glasscherben-Bongo“ bezeichnet wurde, hat man als Brillenträger heutzutage bessere Aussichten. Schließlich ist die Brille seit einigen Jahren mehr als nur eine (oft leider unentbehrliche) Sehhilfe. Sie ist zu einem Accessoire geworden, zu einem Teil des persönlichen Designs. Man darf die Brille gern sehen – was nicht heißt, dass man sie selbst wahrnimmt. Gerade in dieser Hinsicht stehen eher kleine Labels im Fokus, die als Manufaktur ihre eigenen Brillen designen, produzieren und vertreiben.

Handgefertigte Brillen aus Acetat

Schön, stylisch, hochwertig: Handgefertigte Brillen aus Acetat lohnen nicht nur auf den ersten Blick (Quelle: Andy Wolf)

Wie so oft, entsteht Neues aus dem Mangel (oder aus den Mängeln) von Vorhandenem. Denn viele kleine Brillen-Labels verdanken ihre Existenz der Gleichförmigkeit des Massengeschmacks – oder was die Marken-dominierte Brillenindustrie dafür hält. Sicher kein Einzelfall ist deshalb die Geschichte des österreichischen Brillen-Labels Andy Wolf und seiner Geschäftsführerin Katharina Plattner: Weil ihr die Brillen, die sie verkaufte, nicht gefielen, machte sie sich ans Design neuer Modelle mit frischen Farben. Auch das Label Frame.Industries der Brüder Jens und Lars Reinke aus Holzwickede bei Dortmund wollte es besser machen als die Konkurrenz – besonders die vielen Brillen-Startups. Ziel war es, gleich mit der ersten Kollektion schöne und hochqualitative Brillen anzubieten, die keine Kinderkrankheiten aufweisen.

Neue Brille im Skizzen-Stadium

Aus- und aufgezeichnete Ideen: eine neue Brille im Skizzen-Stadium (Quelle: Frame.Industries)

Design: Größe im Detail

Selbstverständlich sind gerade beim Thema Design kaum Grenzen gesetzt. Die Vorstellungen und Ideen für Form und Linienführung sind teils undefinierbar, teils aber auch konkret zu beschreiben: So liefert die Umgebung des Ruhrgebiets die Hauptinspiration für die Brillen von Frame.Industries: „Wir beide sind Kinder des Ruhrgebiets und große Freunde von dem Charme der modernen Industriekultur“, so Lars Reinke über seinen Bruder und sich. Es sei genau diese moderne Industriekultur gepaart mit minimalistischen Designvorlieben, die den Charakter ihrer Brillen ausmacht: extrem dünn, extrem leicht, extrem tragbar. Auch die Brillen von Andy Wolf sind designtechnisch keine Einheitsware. Jedes Modell hat „das gewisse Etwas“ und ist deshalb „ideal für Menschen, die Wert auf Individualismus legen“, so Plattner.

Gestell aus hochwertigem Edelstahl

Federleicht und strapazierfähig zugleich: Gestell aus hochwertigem Edelstahl (Quelle: Frame.Industries)

Materialien: hochwertig und nachhaltig

Gerade beim verwendeten Material gibt es Brillen, die aus dem Rahmen fallen: So ist hochwertiges Acetat (als Mixtur von Baumwollpulver mit Aceton und Alkohol) die bessere und kostspieligere Version – gegenüber einfachem Kunststoff in vielen billigen (aber oft nicht günstigen) Gestellen. Logisch ist da, dass im österreichischen Hartberg als (nachwachsender) Rohstoff für die Andy Wolf-Brillen ausschließlich hochwertiges Acetat aus Italien dient: und zwar in Form von bis zu 8 mm dicken Platten, weil daraus der Mittelteil der Brille aus einem einzigen Stück gefräst werden kann. Andere Designer setzen da zu 100 % auf Metall. Auch bei den Reinke-Brüdern kommt kein anderes Material als Edelstahl auf den Tisch und die Werkbank. Verantwortlich dafür sind vor allem die Verarbeitungseigenschaften, wie Lars Reinke erklärt: „Bei unserer filigranen Fertigung ist es wichtig, dass das Material trotz der hauchdünnen Fertigung robust, aber dennoch flexibel bleibt.“

Fertigung Andy Wolf

Das weiß man, was man hat: Hier wackelt dank hochwertiger Fertigung kein Scharnier (Quelle: Andy Wolf)

Fertigung: Arbeit mit Hand und Fuß

Der entscheidende Unterschied besteht bei vielen Brillen im „wo“ und „wie“ der Fertigung. Denn die Produktion von Konkurrenzprodukten in Fernost mit Billigmaterialien und zu Hungerlöhnen macht sich eben oft im Endpreis bemerkbar – aber mindestens ebenso oft werden diese Brillen völlig überteuert verkauft. Anders verhält es sich bei den Gestellen des Brillen-Labels aus dem Ruhrgebiet: Jeder der Fertigungsschritte ist „Made in Germany“, wie die ganze Brille: „Alle Biegungen, Vor- und Nachbehandlungen bis hin zur Lackierung – jede Brille stammt zu 100 % aus Deutschland“, so Lars Reinke. Auch Sehilfen aus dem Ökopark Hartberg stammen komplett eigener Produktion: Nach dem Fräsen wird der Mittelteil in einem mehrstufigen Prozess poliert und anschließend händisch mit den Bügeln „verheiratet“. Gerade beim Einbau der Scharnieren ist höchste Präzision gefragt. Und wenn die fehlt, rächt sich das schnell…

Auffällige Brille für kantige Typen

Die Sehhilfe als Image-Träger: auffällige Brille für kantige Typen (Quelle: Andy Wolf)

Look: nicht typisch, sondern für Typen

Was nutzen alle tollen Materialien und Verarbeitungsschritte, wenn die Brille nicht zur Nase und zum Typ passt? Darum ist es wichtig, dass erstens der Tragekomfort stimmt und zweitens die Brille mit dem Gesicht harmoniert. Gerade „Szene-Brillen“ wie die Modelle aus Holzwickede oder dem österreichischen Hartberg stehen echten Typen besonders gut – oder machen erst solche aus ihnen. Nicht von ungefähr tragen Persönlichkeiten wie Hugh Grant, Eric Clapton und Lady Gaga Brillen aus dem Ökopark. Beim besonderen Charakter der handgefertigten Brillen werden sicherlich viele (un)bekannte Persönlichkeiten dazukommen.

Hier gibt’s Informationen zu den Labels:

http://www.andy-wolf.com/

http://www.frameindustries.com/