Ein Interview mit ADC Präsident Heinrich Paravicini – „INSTA VS INDUSTRY – Was prägt das Design von morgen?“ lautet das Motto der 5. ADC Design Experience, die am 13. November 2019 wieder im Neuen Schloss Stuttgart stattfindet.

Der ADC als Gastgeber lädt namhafte Designer und Kreative, führenden Köpfe aus Wirtschaft, Wissenschaft und Industrie dazu ein, in Vorträgen, Panels und Workshops ihre Ideen über die Zukunft der Designbranche zu formulieren.

Unser Redakteur Dipl. Des. Wolfgang Linneweber sprach mit Heinrich Paravicini (*1971, Paris), dem neuen ADC Präsident und Mitbegründer der Agentur MUTABOR.

Heinrich Paravicini

Das neue CI des ADC: Ich habe gelesen, dass Sie die Mitarbeit am neuen CI zur Kandidatur für den ADC-Vorsitz motiviert hatte. Können Sie diesen inspirierenden Funken näher beschreiben?

Das Entscheidende war, dass das Team, welches die neue CI gemacht hat, aus – wenn man so will – zusammengecasteten ADC Mitgliedern bestand, die in der Form noch nie zusammengearbeitet haben. Und da entstand eine solche Power… Ich habe dabei bemerkt, was den Club wirklich ausmacht – nämlich die Persönlichkeiten, die ihn repräsentieren. Dieses Gefühl hat mich motiviert. Ich wollte, dass dieses Members Club Feeling stärker in den Fokus rückt. Mir war der Club zu anonym geworden.

Was waren die Gründe für den Relaunch / das Redesign des CI, seine technisch / ästhetischen Zielsetzungen? Die typografische Anmutung des Kürzels ist für mich persönlich ein historisierender, etwas romantischer Rückgriff auf den Kreativ-Glamour der frühen Siebziger. (Was aber kein Makel sein muss …)

Die optische Linie für den Relaunch orientierte sich eng an unserem inhaltlichen Verständnis des Clubs: Leistungselitär, inhaltsgetrieben, seine Mitglieder und die Arbeiten und ihre Macher in den Vordergrund zu rücken. Und weg mit den marktschreierischen, lustigen Werber-Klischees. Herausgekommen ist mehr Feuilleton als Bildzeitung, mehr Anspruch und auch eine Besinnung auf unsere Historie – wo genau diese Werte schon einmal im Mittelpunkt standen. Dass wir dann auch auf historische Zitate setzen, war nur folgerichtig. Aber durch die neuen Schriften Le Jeune und Centra haben wir diese Zitate, wie ich finde, sehr modern ins Heute übersetzt.

Sie streben, so war zu lesen, ein Wirken nach innen an: Mitglieder ins Rampenlicht? Seelenmassage? Aufbauarbeit? Innenpolitik? Team Building? Können Sie Ihre Mission als ADC Präsident in einen Satz gießen?

Wir sind der Club der besten Köpfe in der Kreativen Kommunikation. Das müssen wir darstellen, das müssen wir leben, und nur das verleiht uns die Autorität über kreative Exzellenz in diesem Land zu entscheiden.

Die grundrenovierte Website: magazinig! putzmunter! interessant! Was waren die Gründe für den Relaunch?

Der Relaunch ist ja erst bei 30-40%, aber es ist wahr – wir wollen magaziniger werden. Der Club der besten Köpfe braucht ein Sprachrohr und Diskussionsforum – und nicht nur eine Infoseite über die nächsten Events. Wir bestechen durch einzigartigen Content, Meinungen und Mitglieder, die etwas zu sagen haben. Darum geht es – und das werden wir auf unseren digitalen Kanälen weiter ausbauen.

Die ADC-App: läuft leider nicht auf meinem iPhone5 … Was kann sie, wer braucht sie?

Jeder, der sich ein Bild über die beste Kreation des Jahres machen will, sollte diese App installiert haben. Welche Projekte sind wegweisend, welche Player sind vorne und was inspiriert.  Früher war dies das ADC Buch, heute – wo so gut wie jede Arbeit Bewegtbild oder Sound hat macht die App deutlich mehr Sinn.

‚Kreativität‘ vs. ‚Kultur‘: Ist ihr Leitbild eine Initiative gegen ein zwanghaftes ‚kreatives Blutertum‘? Ein Plädoyer für eine neue schöpferische Lockerheit? (4K: „Kreative Kommunikation, Kultur und Kraft“) Sie sehen Kreativ-Agenturen als Themenstifter fürs Feuilleton. Darf dieser Approach als universalistischer, holistischer Ansatz gelesen werden? Ça sonne très francais, pourvrai. Wie stellen Sie sich den Vierklang ‚KKKK‘ in der Praxis vor? Werbende Kommunikation als Kulturevent?

Es stimmt vielleicht – es ist etwas Französisches darin. Ich bin ja in Paris aufgewachsen und betrachte die Stadt als meine Heimat.

Meine Überzeugung ist, nur die Verbindung von Kultur und Innovation in der Wirtschaft (dazu gehört die Kommunikationsbranche!) machen uns in Europa einzigartig und unterscheiden uns von den Innovationsmaschinen in China und den USA. Von daher tun wir gut daran, den kulturellen und gesellschaftlichen Aspekt unserer Arbeit als Kommunikations-Macher in den Vordergrund zu stellen.

Aber wie gesagt, beides ist wichtig: Kultur im Verbund mit Wirtschaft. Wir müssen uns gegenseitig befruchten, inspirieren und einander die Hand reichen. Und unsere ADC Events sollen genau der Ort dafür sein.

‚Kultur‘ beim ADC Design Experience: Wird da das Sprechen über Gestalten zum ‚Erlebnis‘? Was verstehen Sie in diesem ADC-Kontext unter ‚Kultur‘? Darf sich das Publikum auf kulturelle Extras freuen?

Der Titel selbst ist ja schon Programm: »Insta« steht für mich für eine neue Kultur der Kommunikation und der Bildsprache, mit der sich alle Designer auseinandersetzen müssen. »Industry« für die Anforderungen einer Wirtschaft, deren Partner wir als Designer sind. Wie befruchten sich die beiden Welten? Müssen wir anders miteinander reden? Oder ist alles ein vorübergehender Trend?

Was hat Sie, anno jetzt und im Lichte Ihrer Mission als ADC Präsident, beim Casting der Speaker geleitet?

Wie bei jeder ADC Design Experience – es geht immer darum, ob die Speaker etwas zu unserer Debatte beizutragen haben, ob sie uns inspirieren können oder uns helfen können, die Aufgaben, die vor uns liegen besser anzugehen.

Welche zukünftigen Herausforderungen für die Zunft der kreativen Kommunikation werden die SprecherInnen thematisieren? Verraten Sie uns schon ein paar Stichworte?

Wenn der Kunde es gewohnt ist, mit seinem Smartphone einzukaufen? Wie muss ich dann Retail gestalten? Wenn meine Zielgruppe sich täglich auf Instagram inspirieren lässt, wie verkaufe ich dann Autos? Wenn Gestaltung aufgrund von Interface-Zwängen immer einheitlicher wird – wer braucht dann noch Corporate Design oder Typografie? … Diese Fragen werden sicher behandelt werden …

Herr Paravicini, vielen Dank, dass Sie Zeit für DESIGNBOTE hatten!

adc.de