Im Gespräch mit DESIGNBOTE erzählt er von deren Entstehung, der Zusammenarbeit mit Saatchi & Saatchi  und welche Leitideen die Schrift beeinflussen.

Sie haben 2012 mit dem MIT AgeLab zusammen getan und untersucht, welchen Einfluss das Design von Schriften auf die Wahrnehmung von Autofahrern hat. Welche Erkenntnisse aus diesem Projekt sind in das Toyota-Projekt eingeflossen?Die Erkenntnisse aus der AgeLab-Studie waren insofern sehr nützlich, weil sie das grundlegende Handwerk unserer Arbeit – das Schriftentwerfen – wissenschaftlich beleuchten. Wir hatten endlich belastbare Daten für unsere intuitive Herangehensweise an die Lesbarkeit. Schriften mit offenen Formen und luftigen Abständen sind ganz klar leichter und schneller zu lesen als Schriften ohne diese Merkmale. Beim Briefing für die Toyota Schrift lag die Betonung zunächst auf der Geometrie und dem Markenimage, mit Merkmalen wie fast geschlossenen Kreisen beim kleinen e und s oder einem geschlossenen, runden a. Diese Forderung konnte ich dank der Studie abwenden. Geometrische Formen sind dem Leseerlebnis abträglich, gerade am Armaturenbrett und bei mobilen Apps, so dass ich anders an das Design herangehen konnte, als Saatchi & Saatchi das erwartet hatte. Kamen Zweifel auf, verwies ich wieder auf die Erkenntnisse der AgeLab-Studie.

Die aus dem Forschungsprojekt hervorgegangene Lesbarkeitsstudie liefert wertvolle Ergebnisse für die Entwickler von schriftenbasierten Benutzeroberflächen im Automobilbereich. Können Sie uns zwei oder drei Effekte nennen und am Beispiel des Toyota-Projekts verdeutlichen, wie sie realisiert wurden?

Da wäre zunächst mal das Thema ähnliche Buchstabenformen, was bei den Kleinbuchstaben o und dem geschlossenen a ziemlich offensichtlich ist. Ein gemeines a, konstruiert aus einem Kreis und einem senkrechten Abstrich, ist in kleinen Druckgrößen oder am Bildschirm leicht mit dem o zu verwechseln und verlangsamt so unbewusst den Lesefluss. Was die offenen Formen angeht, müssen wir uns nur den Kleinbuchstaben c mit zwei waagrechten Abschlüssen vorstellen, mit der Folge, dass die Lücke dazwischen sehr eng wird: die Nähe zum o ist unvermeidbar. Das visuelle Zusammenrücken oder Verschwimmen von Buchstaben nebeneinander oder miteinander ist bei einigen Schriften ein Problem, das durch schlechte Lichtverhältnisse oder eine nicht ganz perfekte Sicht des Lesers verstärkt wird. Um dem entgegenzuwirken, ist die Spationierung der Toyota-Schrift weiträumig und offen.

Was war Ihr Leitgedanke bei der Entwicklung der Toyota-Schrift? Was hat Sie inspiriert?

Es wurde viel über Geometrie geredet, basierend auf dem Toyota-Logo, sowie über Hochtechnologie und Präzision. Parallel dazu waren Menschlichkeit und Bewegung ebenfalls wichtige Werte. Ich entschied daher, mich auf den Moment der Bewegung anstelle einer statischen Geometrie zu konzentrieren. Dynamische Formen dienen der Lesbarkeit und helfen den Lesenden; außerdem verleihen sie der Typografie eine lebendigere Textur, was Toyotas Anspruch auf benutzerfreundliche Ergonomie und den Wunsch „Menschen zu bewegen“ unterstreicht.

Welche Aufgaben muss eine zeitgemäße Automotive-Schrift noch erfüllen, um an allen Berührungspunkten – Stichwort: dynamische Inhalte, variable Fonts – und in allen Sprachen der Welt zu funktionieren?

Ein weit verbreiteter Irrglaube im heutigen Design ist die Erwartung, dass eine einzige Schrift in jedem erdenklichen Szenario optimal funktioniert. Als man Buchstaben noch anfassen konnte, wurden sie für jede Textgröße individuell in Metall geschnitten und hatten unterschiedliche Formen im Bereich von 8 Punkt über 12 Punkt bis hin zu 48 Punkt. Die Buchstaben der verschiedenen Schnitte hatten zwar das gleiche Bauprinzip, aber Details wie Serifen und der Kontrast unterschieden sich. Beim 8-Punkt-Schnitt wurden Proportion und Buchstabenabstand für das optimale Lesen von Kleingedrucktem optimiert. Der Kontrast und die Details einer 48-Punkt-Headlineschrift waren feiner ausgearbeitet und der Buchstabenabstand enger.

Bei den digitalen Schriften muss man schon genauer hinschauen, um herauszufinden, ob es einen Idealbereich gibt, wo die Schrift am besten funktioniert. In vielen Fällen sind Fonts zu eng für den Textsatz oder zu weit spationiert für große Überschriften. Viele neuere digitale Schriften werden mit mindestens zwei angepassten Varianten hergestellt, eine für Headlines und eine für Lesetexte. Manche haben sogar noch mehr optische Grüßen, so wie es früher im Bleisatz üblich war. Für Designer und Entwickler im Automotive-Bereich ist beispielsweise Helvetica Now ein gutes Beispiel für eine neue Generation von Schriften, die größenoptimierte Schnitte bietet. Das hilft bei der Entscheidung, welche Variante in filigranen User-Interfaces am besten lesbar ist und welche bei Warnmeldungen oder Navigationshinweisen. Wenn Automobildesigner mit unterschiedlichen Sprachen zu tun haben, von denen einige mehr Platz auf dem Bildschirm einnehmen, ist es ganz nützlich, wenn eine Schriftfamilie Condensed-Schnitte im Angebot hat. Viele Bedienoberflächen wurden zunächst im Englischen entworfen. Bei der Lokalisierung, zum Beispiel ins Deutsche mit längeren Wörtern, gibt es dann böse Überraschungen. Die Möglichkeit, auf eine Condensed zurückgreifen zu können, ist bei einem solchen Szenario äußerst hilfreich.

Steve Matteson

Steve Matteson, Creative Type Director bei Monotype

Noch eleganter sind Variable Fonts, die eine Buchstabenbreite-Achse enthalten, was dem Designer erlaubt, die Breite einer Schrift in ganz feinen Stufen – von Compressed bis Extended – einzustellen. Variable Fonts sind genau das richtige Format für digitale Umgebungen, weil sie adressierter sind, also mittels Codes zu steuern, so dass sich die Breite einer Schrift sogar automatisch dem zur Verfügung stehenden Platz anpassen könnte, perfekt für unvorhersehbare dynamische Textumgebungen. Zur Lokalisierung digitaler Interfaces gehört aber auch ein Verständnis für die Schreibsystematik der – aus unserer Sicht „fremden“ – Sprachen. Vietnamesisch basiert zwar auf den lateinischen Schriftzeichen, braucht aber wegen der komplexen Akzente, die sich auch oberhalb und unterhalb der Großbuchstaben tummeln, mehr Platz in der Vertikale als Deutsch oder Französisch. Thailändisch und Arabisch wiederum sind komplett andersartige Schriftsysteme, die ebenfalls viel vertikalen Raum beanspruchen, um die komplexen Buchstabenformen unterzubringen. Und damit kommen wir wieder auf das AgeLab-Forschungsprojekt zurück: Die mannigfaltigen Formen nicht-lateinischer Schriften in ein latein-basiertes System zu quetschen, beeinträchtigt das Tempo und die Präzision des Lesens. Automotive-Designer müssen in ihren typografischen Interfaces mehr Raum lassen für andere Sprachen, damit die Benutzer weltweit mit ihren Systemen interagieren können.

Steve Matteson, Creative Type Director bei Monotype, hat über 70 Schriftfamilien entworfen, darunter viele für Betriebssysteme, Spielkonsolen, Mobiltelefone und andere elektronische Geräte. Seine bekanntesten: Cambria, Segoe, Noto Sans Latin, Droid und Open Sans.