Design- und Branding im Jahr 2024 – DESIGNBOTE hat Kreativschaffende aus der Branche nach ihrer Perspektive befragt und stellt in einer Serie die richtungsweisenden Trends vor.
Julien Fincker, Art Director & Typedesigner
Schrift im Fokus – es bleibt spannend
„Designtrends vorauszusehen ist immer sehr gewagt. Denn wie man im letzten Jahr mit dem Thema KI gesehen hat, ändern und bilden sich neue Trends innerhalb kürzester Zeit. Dennoch gibt es einige Vorzeichen, die man auf kommende Trends deuten kann. So wird uns insbesondere das Thema KI auch in diesem Jahr beschäftigen und weiter in die Designwelt Einzug halten. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele KI generierten Bilder und Keyvisuals zu sehen sein werden. Dabei sollten wir jedoch auch darauf achten, uns als Designer nicht zu viel unseres Schaffensprozesses von der Maschine abnehmen zu lassen. Denn genau das ist es doch, was uns Designer ausmacht und unterscheidet.
Ein weiterer Trend, der sich abzeichnen könnte, wären weitere Retro-Einflüsse in Richtung Pixel-Art, diese jedoch neu kombiniert mit bunt bis neon leuchtenden Farbpaletten und -verläufe.
Ein wichtiger Trend der letzten Jahre wird sich auch in diesem Jahr weiter durchsetzen und neue Möglichkeiten zu Tage bringen. Denn die umweltbewusste und naturinspirierte Gestaltung ist nicht nur visuell schön anzusehen, sondern immens wichtig für unseren Planeten. So erwarte ich insbesondere im Verpackungs- und Produktdesign spannende und nachhaltige Projekte.
Beim Thema Typographie rechne ich vermehrt mit dem kräftigen und experimentellen Einsatz von Schrift. Sei es durch charakterstarke Schriften im großflächigen Einsatz oder durch animierte Typoexperimente, da auch die Variable Font Technologie immer weiter Einzug halten wird.
Welche Trends sich im Endeffekt jedoch durchsetzen werden, werden wir allerdings erst erfahren und erleben müssen. Auch ich bin schon sehr gespannt darauf, welche Trends sich in diesem Jahr entwickeln werden. Aber eines kann man mit Sicherheit vorhersagen, auch 2024 wird abwechslungsreich, bunt und mutig.“
Zur Person
Julien Fincker lebt und arbeitet bei Stuttgart. Nach dem Studium zum Dipl. Kommunikations- und Grafikdesigner machte er Station bei prägenden Agenturen und Unternehmen, wie dem Grafischen Atelier Stankowski + Duschek. Heute arbeitet er als Art Director bei campra – Büro für Kommunikation. Mit seinem nebenberuflichen Designbüro legt er den Fokus auf Schrift in all seinen Facetten, vom Gestalten der Schriften bis hin zum Holzschnitt und Druck in seiner eigenen Werkstatt.
Patrick Reichert-Young, Head of Agency Silvester Group und Mitglied des Rats für Bildung und Wissenschaft, Designlehre und -forschung des Deutschen Designtags
Mehr als bunte Bilder
„2023 haben wir alle (zum ersten Mal wirklich nachvollziehbar) erlebt, was KI-Spezialist*innen uns schon seit 2015 konsequent versuchen zu erklären, wenn sie davon sprechen, dass KI sich „exponentiell“ entwickelt: Plötzlich – gefühlt aus dem Nichts heraus – wurde die Design-Branche von der Flut der Bilder (und der Vielzahl der KI-Tools die diese produzieren) überrascht und überrannt.
Erstaunlich war dabei nicht nur unser Staunen über diese „plötzliche“ Entwicklung, die sich nun wirklich mehr als nur einmal und über Jahre hinweg angekündigt hat. Viel erstaunlicher war eigentlich, dass gerade die Design- (und im Besonderen die Branding Design-)Branche KI 2023 nahezu ausnahmslos im visuellen Kontext, als Tool zur Generierung neuer Bildwelten, verstanden, diskutiert, exploriert und genutzt hat.
Branding Design ist ganzheitliche Identitätsarbeit – und daher schon immer und von Haus aus mit Themen wie Change oder Organisationsentwicklung untrennbar verzahnt. Die wirkliche Chance (mit echtem Innovationspotenzial) bietet sich uns Designer*innen 2024 darin, über Midjourney & Co hinauszudenken, KI im Design nicht weiter darauf zu beschränken, dass wir mit ihr all die bunten Bilder kosteneffizienter und schneller als bisher generiert bekommen, die wir für das Beliefern des so massiven Content-Needs von (gerade internationalen) Marken dringend benötigen. 2024 werden wir entdecken, dass KI uns Designer*innen bei den eigentlich viel komplizierteren Prozessen der gestaltungsstrategischen Konzeption und Realisation von Marken helfen kann: Vor dem Hintergrund einer Generation Z die Arbeit, Arbeitgeber und Arbeitsweise aus einem neuen Selbstbewusstsein heraus denkt, wird es für uns Marken-Designer*innen unerlässlich, neue Design-Prozesse in der (Weiter-)Entwicklung von Marken zu finden, die in Zukunft mehr Menschen / Mitarbeiter*innen eine echte(!) Partizipationsmöglichkeit an der Entwicklung und dem Design von Marken anbietet, als es bisher der Fall oder überhaupt nötig war. Branding Design war schon immer auch Change Prozess. 2024 ist wahrscheinlich das erste Jahr, wo uns die Generation Z selbstbewusst damit konfrontieren und von uns einfordern wird, Marken nicht nur in diesem Bewusstsein zu konzeptionieren und zu designen, sondern auch unsere Design-Prozesse so neu zu erfinden, dass aus (Re-)Branding Projekten ganzheitliche business-orientierte und zugleich partizipatorische Identitätsprojekte werden, die über die Gestaltung von Marken hinausgehend selbst zum Change- und /oder Findungs-Prozess für Marken, Unternehmen, Produkte und Mitarbeiter*innen werden können.
KI ist das Tool, das uns diese „Partizipation der Vielen“ ermöglicht. Designprozesse, die (Branding-) Designs auf Basis des Inputs tausender Mit-Autor*innen gestaltbar macht.
Für uns alle, die wir an der Aus- und Weiterbildung von Designer*innen beteiligt, sind bedeutet das, dass wir uns dieses Jahr – so intensiv wie bisher nie zuvor – schnell und klug damit auseinandersetzen müssen, was das Design-Studium zukünftigen Gestalter*innen vermitteln muss, wenn es darum geht, KI-Tools dafür zu nutzen, Markenerlebnisse auf eine Weise zu gestalten, die Menschen bereits im Strategie- und Design-Prozess mitnimmt und so Design kreiert, das Menschen einen echten (Mehr-)Wert bietet – und nicht bloß bunte Bilder.“
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