Design- und Branding im Jahr 2024 – DESIGNBOTE hat Kreativschaffende aus der Branche nach ihrer Perspektive befragt und stellt in einer Serie die richtungsweisenden Trends vor.
Madeleine Lindner, Kreativdirektorin und Geschäftsführerin bei HAJOK Design
Design 2024 – opulent, sinnlich und erzählerisch
Welchen Trend ich aktuell am bemerkenswertesten finde, ist der des „Frutiger Aero“, spiegelt er doch sehr gut die Bedürfnisse wider, die uns in einer politisch und gesellschaftlich herausfordernden Zeit umtreiben. Der eskapistische heile Welt Stil, der in den 2000er Jahren für digitale Medien entstanden ist, lässt sich spielerisch in eine zeitgemäße Ästhetik übersetzen.
Grob zusammengefasst geht es hier um einen gestalterischen Stil im Screendesign der 2000er Jahre, bei dem Objekte aus der analogen Welt für die digitale Welt simuliert wurden mit dem Zweck, die Angst vor der seinerzeit virtuellen Welt zu verringern. Es entstanden im Screendesign futuristisch anmutende, hyperreale Composings, die eine schöne, heile und dennoch zugänglich-surreale Welt zeigten, in der Mensch, Natur und Technik eine perfekte und harmonische Symbiose eingegangen sind. Es war eine inklusive Welt, an der alle teilhaben konnten. Schaut man sich die aktuellen Entwicklungen mit ChatGPT, Midjourney & Co. an, befinden wir uns wieder in einer Zeit des digitalen Umbruchs, die Angst vor massiven Veränderungen mit sich bringt. Es überrascht also nicht, dass dieser Stil eine breite Anhängerschaft hat und sich Anklänge davon in allen Bereichen des Designs finden.
Das Vereinen von Gegensätzen zu einem überraschenden Neuen wird Ausdruck finden in einer orgiastischen Verschmelzung des Analogen mit dem Digitalen. Es drückt sich durch eine futuristisch anmutende Grafik gepaart mit haptischen Elementen und Retro-Typografie aus, aber auch in dem Ausbalancieren maximaler Kontraste, um das Schöne und Spielerische entstehen zu lassen.
Auf der Metaebene werden wir – und das gilt, so glaube ich, für alle Stile, die das Jahr 2024 gestalterisch prägen werden – die Suche nach einer die Sinne berührenden Ästhetik sehen: fröhliche Farbspektren, die Optimismus und Zuversicht schenken und uns durch phantasievolle Illustrationen und Fotografie collagenhaft in andere Welten entführen. Während der Pandemie wurde das Bedürfnis nach plakativer und einfacher Designsprache deutlich, die eine schnelle Orientierung ermöglichte. Design in 2024 wird opulent, sinnlich und erzählerisch werden.
Olaf Schroeter, Head of Creation bei MetaDesign und Mitglied des ADC
Mehr Diskurs als Trend
Im kommenden Jahr wird das Thema Künstliche Intelligenz (KI) mit seiner unbestreitbaren Dynamik im Mittelpunkt stehen. Es eröffnet völlig neue Potenziale, wirft aber auch Fragen auf, zu denen wir uns als Kreative verhalten müssen.
Wie zum Beispiel schaffen wir es, die Möglichkeiten, die uns KI bietet, sinnvoll einzusetzen, um zu besseren Ergebnissen zu gelangen? Wie können wir dieses freie Radikal steuern? Und inwiefern verändert das meinen Job?
Die Integration von künstlicher Intelligenz hat den kreativen Prozess bereits verändert und wird dies auch in Zukunft weiterhin tun. Die Zusammenarbeit zwischen Designern und KI-Systemen wird intensiver werden, was zwangsläufig zu einer Veränderung ihrer Rolle führen wird. Es wird zunehmend wichtig sein, dass Designer nicht nur ihre kreativen Fähigkeiten weiterentwickeln, sondern auch technisch versiert und ethisch reflektiert sind. Dadurch können sie die Potenziale von KI verantwortungsbewusst nutzen und den durch KI generierten Inhalt steuern und bewerten. In diesem Zusammenhang wird auch die Lehre gefordert sein, Lerninhalte neu zu definieren und den Design-Studiengang zeitgemäß und zukunftsorientiert auszurichten.
Die Debatte darüber, ob KI-gesteuertes Design weniger wertvoll ist als “menschliches Design”, erscheint in diesem Kontext als verfehlt. Denn gutes Design beinhaltet nicht nur ästhetische Aspekte, sondern die Gestaltung kreativer und nachhaltiger Lösungen auf relevante Fragestellungen.
Darüber hinaus werden die Effizienz durch KI-getriebene Automatisierung sowie die eigene Entwicklung markenspezifischer KI Tools im kommenden Jahr zentrale Themen bleiben.
Im Grunde geht es weniger um kurzfristige Trends als vielmehr um die aktive Auseinandersetzung mit einem nachhaltigen Paradigmenwechsel, der das gesamte Designgeschäft grundlegend verändern wird.
DESIGNBOTE – Design- und Branding im Jahr 2024 – Ausblicke
Grafik Julien Fincker
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