Design-Podcast aus Halle online! Gestern, am 1. Juni 2020 ist die 3. Folge des Podcasts der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein online gegangen.

Lisa Baumgarten hat sich mit ihrer Plattform Teaching Design dem interdisziplinären Dialog verschrieben.

Professor Christian Zöllner spricht darin mit der Berliner Designerin unter anderem über die Designlehre während der Corona Pandemie. Wie ist jetzt zu agieren? Welche Tools werden gerade genutzt? Und wie verändern diese Tools das Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden? Lösen sich da vielleicht gerade gewohnte Hierarchien auf? Unbedingt reinhören, es verspricht spannend zu werden.

Der Design-Podcast ist zunächst alle zwei Wochen auf www.burg-halle.de/podcast auf Spotify, Deezer, Apple Pocasts, Google Podcasts und Podigee.

Über den neuen Design-Podcast hat DESIGNBOTE.com mit Professor Christian Zöllner, Professor für Industrial Design/Designmethoden und Experiment an der ‚BURG‘ gesprochen:

Der Design-Podcast – zur Vorgeschichte:

Die Idee zum Podcast entstand während des Hurra Hurra Festivals zur Designausbildung im 21. Jahrhundert im Oktober des Bauhaus-Jubiläumsjahres 2019 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Der Diskurs von Design-Stakeholdern aller Couleur drehte sich um die Aspekte „learnability“ und „sustainability“. 

Im Fernsehen nur Wiederholungen, da profilieren sich Podcasts zu allen möglichen Themen als TV-Alternative zur Zeit. Der neue BURG-Podcast mit dem Industrial Design Professor Christian Zöllner als Host will diese Diskurse dokumentieren und in Gesprächen weiterentwickeln und ist seit dem 4. Mai 2020 in vierzehntägiger Frequenz online.

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Prof. Christian Zöllner, Foto: Hochschulpressestelle BURG

Herr Professor Zöllner: In einem Pressetext ist zu lesen: „Wie wollen wir als Designer*innen arbeiten und leben? Welche Aufgaben wollen und müssen wir in Zukunft übernehmen? Was benötigen wir dafür? Und: Welche Rolle kann das Designstudium bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen spielen?“ Fast scheint es mir da, als würde da die Rolle des Marktes mal kurz ausgeblendet und die Designlehre von den Wünschen der Industrie und der Nachfrage des Marktes entkoppelt.

Wie stark schätzen Sie die Wirkung der Designausbildung auf eine Industrie unter dem Druck eines notwendigen ökologischen Wandels und die allmählich nachdenklich werdenden Konsumenten ein?

‚Hurra Hurra‘ – Der Titel des letztjährigen Jubiläums betitelt jetzt ein neues Podcast-Format. Obwohl der Claim ohne Ausrufezeichen daherkommt, hebt er doch irgendwie die Stimmung … Verraten Sie uns, welchen Grund zum Jubeln es unter den gegebenen Umständen geben könnte?

Inwiefern reagieren Sie mit dem Design-Podcast auf die Notwendigkeiten des Social Distancing, die Menschenansammlungen wie Festivals vorläufig unmöglich machen?

Wir haben mit dem Design-Podcast noch vor dem Lockdown begonnen. Der Trubel und auch die damit verbundenen Informationsmaßnahmen seitens der Hochschule, aber auch ganz persönlich bei mir, haben einfach alle Ressourcen gebunden und so sind wir erst jetzt damit online gegangen. Den Begriff des „Social Distancings“ finde ich irreführend. Es sollte ja ein „Physical Distancing“ sein.

Wird der Design-Podcast ggf. das physische Festival als Diskursplattform ersetzen müssen? (Was mich irgendwie traurig stimmen würde) Und wie findet eigentlich aktuell die Lehre statt? Kann der Podcast evtl. auch eine Rolle in der Wissensvermittlung spielen?

Die sogenannten Sozialen Medien helfen diese Distanzierung ein wenig zu überbrücken. Welche Dynamiken jedoch darin stecken, sehen wir ja gerade mit der enormen Zunahme an Corona-Leugnern. Die Diskussion findet in den Sozialen Medien nicht statt, da die Plattformen durch Algorithmen gesteuerte digitale Echokammern sind. Austausch und respektvolles Streiten um Positionen und Richtungen findet nicht statt. So kann die digitale Sphäre kein Festival ersetzen.

Das Podcast Format nutze ich auch in meinem Methodenseminar. Ich interviewe Designer*innen zu deren Prozessen und Methoden und lasse die Studierenden dazu Fragen entwickeln, die dann in die nächsten Interviews einfließen. Diese Asynchronizität ist wichtig. Generell gibt es wunderbare und einfallsreiche Ansätze zur Onlinelehre. Besonders die Berliner Designerin Lisa Baumgarten hat mit zwei Onlinesammlungen gezeigt, welche Tools und Tricks helfen diese doch sehr eilige Transformation zu meistern. In der dritten Podcast-Folge, die Anfang Juni online geht, spricht sie ausführlich darüber.

Herr Professor Zöllner: Welches Publikum spricht der Podcast an? Können Sie sich auch Podcast-Folgen vorstellen, die sich an VerbraucherInnen wenden?

Wir wollen Designstudierende, Designlehrende sowie Akteur*innen aus Theorie und Praxis erreichen. Der Design-Podcast ist ja eine experimentelle Form der Dokumentation des Hurra Hurra Festivals. Die wunderbaren Menschen, die wir im Rahmen der drei Tage auf dem BURG Campus zu Gast hatten, schweben mir immer als Zielgruppe vor. Wir wollen Diskurse anschieben und begleiten, die vielleicht nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen zusteht.

Ein Podcast an Verbraucher*innen ist sicherlich auch spannend. Da Design ja nicht verbraucht wird und irgendwann weg ist, wären Gebraucher, oder der englische Begriff der ‚User‘ geeigneter. Eine Gesprächsform, eine Art Designkritik bestimmter Produkte aus der User- wie auch Entwerferseite ist vielleicht interessant. Aber erstmal den Hurra Hurra Podcast ordentlich machen. Dann schauen wir weiter.

Design tritt in den widersprüchlichen Rollen eines Antreibers von Konsum wie auch als dessen Kritiker und Erneuerer auf. Allenthalben verlautet jetzt, dass nach Corona alles anders sein würde. Die angekündigten beiden ersten Folgen versprechen unter dem Stichwort ‚Positionsbestimmungen‘, dass die Rolle von Design (in einer von der Pandemie eingeschüchterten materialistischen Zivilisation) auf den Prüfstand kommen könnte. Wie wollen Sie mit Ihrem Podcast diese Erwartung einlösen?

In den ersten Episoden des Podcasts geht es ganz besonders darum, was wir als Designer*innen tun. Womit beschäftigen wir uns? Was treibt uns an? Wofür arbeiten wir? Das hat sich in den letzten Jahren, und wenn wir ehrlich sind, eigentlich immer schon stetig gewandelt. Nun ist die durch die Corona Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise ja eine Chance bestimmte Konsum-, Produktions- und Bildungsmuster zu überdenken und neu anzulegen. Ob da ein Podcast einer Kunsthochschule ausschlaggebend ist, bezweifle ich. Vielmehr können wir die aktuelle Entwicklung begleiten, punktuell kritisch hinterfragen und individuelle Positionen aufzeigen, die zur Diskussion anregen. Und ganz ehrlich: ich möchte keine Erwartungen einlösen sondern Fragen stellen. Vielleicht ist das eine wichtige Funktion des Designs, die in den vielen Jahren des Antwortengebens und Problemelösens zu kurz kam – und vielleicht auch in Produkten keine adäquate Form findet.

Sagt die Reihenfolge der Themen was über deren Dringlichkeit aus?

  1. Folge:

Die Arbeit der Social Designerin Vivien Tauchmann mutet choreografisch, aktionskünstlerisch an und erinnert mich an FLUXUS-Performances. Welche Überlegungen brachten Frau Tauchmann auf die Startposition des Podcast Programms und was macht die erste Folge so empfehlenswert?

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Vivien Tauchmann (© Femke Reijerman)

Vivien Tauchmann ist eine unglaublich engagierte und intelligente Designerin, die Performance und Körperlichkeit als Werkzeug nutzt um Missstände in der globalisierten Warenwirtschaft individuell nachvollziehbar zu machen. Mit ihrem „Self-as-other-Training“ hat sie das Hurra Hurra Festival letztes Jahr eröffnet und da ich sie und ihre Arbeit sehr schätze, sollte sie auch die Podcast-Reihe eröffnen.

  1. Folge:

„Thema Design unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Corona-Krise“: Claudia Muntschick und Josephine Hage repräsentieren die Organisation Kreatives Sachsen. Hier im äußersten Westen erfahren wir den kulturellen und wirtschaftlichen Output von Sachsen als medial unterrepräsentiert. Können Sie schon was zu den Inhalten der Folge sagen und was sie ggf. mit Corona zu tun haben könnten?

Josephine Hage und Claudia Muntschick sind beide im Verband „Kreatives Sachsen“ aktiv. Claudia Muntschick berät Kulturschaffende, aber auch Designer*innen an der Corona Hotline, Josephine Hage koordiniert Maßnahmen in Richtung Bundes,- Landes- und Kommunalebene. Mit ihnen habe ich über die aktuelle Situation, die Fördermaßnahmen und deren Wirksamkeit gesprochen. Auch die transformatorische Kompetenz des Designs in der aktuellen Situation ist Thema.

  1. Folge:

Lisa Baumgarten mit ihrer Plattform Teaching Design scheint sich ganz dem interdisziplinären Dialog verschrieben zu haben. Welche neuen Impulse für die Lehre darf sich die Hörerschaft von diesem Gespräch versprechen?

Mit Lisa Baumgarten habe ich vor allem über Designlehre während der Corona Pandemie gesprochen. Wie agieren wir jetzt? Welche Tools nutzen wir jetzt? Wie verändern die Tools das Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden? Lösen sich hier gerade vermeintlich gewohnte Hierarchien auf? Das war wirklich sehr spannend.

Weitere Folgen:

Anja Neidhardt und Maya Ober und deren Forschungsplattform ‚depatriarchise design‚ verkörpern für mich geradezu einen starken femininen, ja feministisch-emanzipatorischen Akzent im aktuellen Design. Hat dieser starke weibliche Impuls eigentlich schon Effekte auf unsere Produktwelt gezeitigt? Meine bange Frage: Wo sind die Männer? Ist deren kritische Stimme im Diskurs verstummt und sie widmen sich dem Automobildesign?

Ach die Männer. Ich schau in die Jurys, Gremien, Hochschulen, Boards und Vorstände und sehe fast ausschließlich Männer. Meist aus den westlichen Bundesländern. Mich langweilt das und es steht eben auch für die aktuelle Situation des Designs. Die weiblichen Stimmen kommen seltener zu Wort und es ist mir wichtig ihnen eine Plattform zu geben. Aber: es ist keine Absicht gewesen, dass die ersten Folgen so weiblich besetzt sind. Das fiel mir mittendrin auf und ich fand das jetzt nicht schlimm. Zumal ich als Teil der Interviews ja auch eine kritische Position durch die Fragenwahl einnehme.

Ich habe mal mit „Radiomenschen“ gesprochen und die meinten, dass sie durch verschiedene Tonfrequenzen in einer Sendung, also tiefe und höhere Stimmen der ausgewählten Gäste das Hörerlebnis gestalten. Vielleicht ist das auch ein Grund.

Aber keine Sorge: es kommen auch Männer zu Wort.

Herr Professor, wenn Sie in die Glaskugel blicken, wie sehen Sie die Zukunft von Festival und Design-Podcast? Welche Veranstaltungsformen (auch der Wissensvermittlung) sehen Sie an der Hochschule mittelfristig als realistisch und welche Themen müssen im Podcast als nächste dringend behandelt werden?

Festivals werden wohl erstmal nicht mehr wie gewohnt stattfinden. Das ist politisch entschieden. Schade aber ok – es dient ja der Reduzierung der Ansteckungsrate. Der Podcast wird das Festival nicht ersetzen und soll es auch nicht. Auf Instagram entstehen gerade viele Interviewformate, die sehr spannend sind. Da sitzen Jonathan Ive und Olafur Eliasson zusammen und diskutieren über Gestaltung – und auch da nicht über Entformungsschrägen und Materialtrends.

Mein Ziel ist es, in den ersten zehn Episoden des Podcasts das Thema Designausbildung aus verschiedenen Perspektiven zu behandeln um dann den Fokus auf Nachhaltigkeit, Ökologie und Materialforschung zu legen. Beides sind die wichtigen Themen des Hurra Hurra Festivals gewesen. Und wenn wir wieder in großen Gruppen beisammen sein können, dann wird es auch wieder ein Hurra Hurra Festival geben. Ob an der BURG, oder woanders, mit anderem Namen und anderem Habitus, das wird sich zeigen.

Herr Professor Zöllner, vielen Dank, dass Sie Zeit für uns hatten!