In den kommenden Wochen berichtet DESIGNBOTE in der Serie „Inside the Monotype-Studio“ über die kreativen Köpfe, die hinter den bekannten Monotype-Schriften stecken. Hier erfahren Sie exklusiv, welchen Werdegang die einzelnen Designer durchlaufen haben, was sie jeden Tag inspiriert und worauf es beim Schriftenentwerfen wirklich ankommt. Außerdem erhalten Sie einen interessanten Einblick in die jeweils erfolgreichsten und bekanntesten Projekte der Designer.
Den Anfang unserer Serie macht Type-Designer Jan Hendrik Weber. Er hat für mehrere Unternehmen und Marken Exklusivschriften entworfen, darunter Bentley, ING-DiBa, Škoda, Canyon und den japanische Brillen-Discounter J!NS. Exklusiv für DESIGNBOTE hat er einige Fragen über sich und seine Arbeit beantwortet.
DESIGNBOTE: Wie gehen Sie in Ihrem Beruf als Type-Designer die Entwicklung einer neuen Markenschrift an?
Jan Hendrik Weber: Um sich ein genaueres Bild von einem neuen Kunden zu machen, muss man sich als Type-Designer zunächst intensiv mit der Marke, ihrer Identität und ihrer Seele auseinandersetzen. Das ist unerlässlich. Denn neben der Außensicht gibt es oft auch eine Innensicht, die in die Konzeption mit einfließen muss. So sollten Type-Designer verstehen, wofür das Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen stehen. Aber auch Einstellung, Philosophie und USP, etc. sind von entscheidender Bedeutung.
Letztendlich wird der Erfolg eines Unternehmens durch die Verbraucher bestimmt. Interessant dabei ist, dass die Meinung der Kunden oft von der internen Wahrnehmung des Unternehmens abweicht. Intensive Diskussionen über solche Widersprüche helfen, die grundlegenden Markenwerte zu verstehen. Es geht im ersten Schritt also nicht immer nur um Typografie, in solchen Gesprächen … genauso wie Schrift später auch nicht allein ein Rebranding tragen wird.
Oft hilft mir der einfache Gang durch die Zentrale eines Unternehmens, um es im Kern besser zu erfassen. Ich erinnere mich an erhellende Mittagessen in der Kantine … es ist die spezielle Atmosphäre, die ich aufgenommen habe. Und natürlich schaue ich mir die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens genauer an, bevor ich ein Projekt starte: Ich mache mich selbst zum Kunden.
Bei der Konzeption von frei-erhältlichen Schriften sehe ich die Herausforderung darin, bestehende Marktlücken zu besetzen. Selbst in Zeiten der scheinbar unerschöpflichen Designwelt mangelt es für bestimmte Schriften an qualitativen Alternativen. Dasselbe gilt auch für Schriften, die bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Unitext ist beispielsweise so eine Schrift, bei deren Entwicklung es mehr darum ging, einem bestimmten Bedürfnis zu entsprechen: Die Unitext-Familie wurde mit dem Ziel entworfen, Unternehmen und Marken dabei zu unterstützen, ihre Stimme markant und lesbar zu visualisieren, vom Kleingedruckten bis zur Beschilderung, im Print-Bereich und im digitalen Umfeld. Von Anfang an hatte ich ein einfaches, kompaktes und gleichermaßen freundliches Schriftbild im Sinn.
Wie sind Sie zum Schriftentwerfen gekommen?
Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass ich einmal so viel mit Typografie zu tun zu haben würde! In meiner Kindheit habe ich viel gezeichnet und Bilder gemalt, die in gewisser Weise immer genauer wurden. Ich liebte es, mit Farbe zu experimentieren. Bloßes schwarz/weiß machte mir eher Angst. Obwohl später Grafik- und Informationsdesign meine Leidenschaft wurde, war ich immer mehr in kleine Kalligraphie-Projekte involviert. Schließlich hatte ich das Glück, einen sehr inspirierenden Vortrag von Günther Gerhard Lange zu hören – das war wohl ein Schlüsselmoment. Noch am selben Tag schrieb ich eine E-Mail an meinen späteren Lehrmeister Fred Smeijers und wurde daraufhin Schüler in einer Mini-Klasse unter seiner Betreuung. Mein Interesse am Buch und am allgemeinen Design ist während meines Studiums jedoch nie verloren gegangen. Viel später wurde mir klar, dass die Kombination verschiedener Disziplinen durchaus Vorteile hat. Für mich ist heute eine gute Mischung aus Marken-, Informationsdesign und Schriftgestaltung die perfekte Mischung.
Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Ich denke da sofort an die neue Hausschrift für Porsche, die PorscheNext, die ich zusammen mit Fred Smeijers entwickelt habe. Es war nicht nur eine Herausforderung, es hat auch großen Spaß gemacht, die Identität dieser Schrift mit zu gestalten.
Seit zwei Jahrzehnten prägte die FranklinGothic das Gesicht der Marke. An ihre Stelle rückte ein Type-Design, das viel technischer wirkt als der Vorgänger und somit für ein völlig verändertes Schriftbild sorgt. PorscheNext zeichnet sich vor allem durch Klarheit und Dynamik aus. Bei der Neugestaltung haben wir großen Wert darauf gelegt, eine Schrift zu schaffen, die auch online und auf Displays gut funktioniert und unmissverständlich für Porsche steht.
Wer sind Ihre Design-Helden?
Um ehrlich zu sein habe ich mit dem Wort Helden etwas Schwierigkeiten. Tatsächlich könnten alle Designer so genannt werden, die eine Idee konsequent verfolgen und sich nicht von ihrem Ziel ablenken lassen – auch wenn der Weg steinig ist. Aber auch diejenigen, die eine klare Meinung zu unserer Gesellschaft haben. Wie die Kunst muss auch das Design in der Lage sein, auf Fragen unseres Lebens zu antworten. Aber das direkt, einfach und unberechenbar, leise und kraftvoll.
Deshalb sehe ich als Type-Designer meine Vorbilder nicht so sehr in der Welt des Designs, sondern in der Kunst, Musik, Architektur und weiteren Bereichen: Olafur Eliasson, Jonathan Meese, David Bowie, Prince, Herzog de Meuron, Norman Forster, Stefan Sagmeister, Dries van Noten oder Karl Lagerfeld. Was die Typografie betrifft, so sind es die klassischen Meister wie Matthew Carter, Roger Excoffon. Auch Erik Spiekermann sollte nicht fehlen, ebenso wenig wie Neville Brody oder natürlich meine ehemaligen Lehrer.
Wo finden Sie Inspiration?
Musik, Reisen, Bücher oder auch gute Gespräche mit interessanten Menschen, wie beispielsweise die mit meinem Fahrlehrer, der mir derzeit das Motorradfahren beibringt.
Ganz allgemein fördert Neugier natürlich Inspiration – Antworten auf bestimmte Fragen zu erhalten. Wie etwa die Arbeit an meinem bei Niggli erschienenem Buch mit dem Titel „Kursiv – Was Typografie auszeichnet“. Es erzählt die Geschichte der kursiven Schrif und schlägt eine Brücke zwischen den allgemeinen Lehren und denen der Berufswelt. Auch Geschichte ist inspirierend – seien es dynamische oder sogar semantische Aspekte.
An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?
Derzeit laufen viele Projekte parallel, z. B. das Redesign einer international tätigen Bank sowie das einer hochklassigen Motorradmarke. Das Thema variable Schriften beschäftigt uns immer wieder – auch in Bezug auf wirklich große Klassiker, ausgelöst durch die Notwendigkeit unterschiedlicher optischer Größen. Als Freund der Klassiker finde ich die neue Zeichnung einer bekannten Renaissance-Antiqua wirklich spannend. Oder der Transfer eines grotesken Dinosauriers in die Zukunft.
Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Trend im Schriftdesign?
In meinen Augen ist es wichtig, einzigartig zu denken. Sich nicht zu wiederholen. Die Konvention zu akzeptieren, aber die eigenen Grenzen zu erkunden. Menschlich zu sein und mutig und seine Seele zu behalten.
Vielen Dank für das informative Gespräch Herr Weber und den sympathischen Einblick in den Alltag als Type-Designer.
Hier geht es zum zweiten Teil unserer Monotype-Serie: „Wie vermutlich so oft beginnt eine ein Leben lang währende Leidenschaft ganz unbedacht“
Bildmaterial: Norman Posselt (https://www.normanposselt.com/de)
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