Agiles Arbeiten – Immer mehr digitale Projekte, aber auch Kampagnen und Kommunikationsmittel entstehen in agilen Marke-Agentur-Teams. Festgelegte Routinen und klare Aufgabenstrukturen ermöglichen ein produktives, schnelles Arbeiten – allerdings nur, wenn die Agentur weiterhin ihre Kultur lebt und Kreation genügend Freiheit erfährt.
In Zeiten zunehmender Touchpoints und kontinuierlichem Kundenkontakt müssen Unternehmen ihre Kommunikation User-zentrierter ausrichten denn je. Klassisches Projektmanagement mit einer linearen, starren und langfristigen Planung kommt dabei schnell an seine Grenzen, da sich kurzfristige Kampagnen und passgenaue Kommunikationsmaßnahmen nicht auf die Schnelle anpassen und umsetzen lassen.
Weitaus flexibler und fokussierter gestaltet sich die Zusammenarbeit in agil arbeitenden Projektteams. Großer Vorteil solcher interdisziplinären Organisationsformen ist es, dass sie weitestgehend selbstbestimmt und abgekoppelt von langwierigen Entscheidungswegen agieren, schnell auf Kundenfeedback eingehen und individuelle Angebote für die „Always-on-Nutzer“ entwickeln können. So steigern Marken die Effizienz, Geschwindigkeit und Kundenorientierung ihrer Kommunikation.
Auflösung der Dienstleister-Auftraggeber-Perspektive
Bei agilen Teams handelt es sich immer häufiger nicht nur um unternehmens- bzw. agenturinterne, sondern um organisations-übergreifende, für eine Marke zusammengesetzte Arbeitsgruppen. In diesen arbeiten Produktentwickler, Loyalitäts- und Marketingmanager sowie Produktdesigner des Unternehmens mit Strategen und Kreativen einer Agentur zusammen. Dabei lösen sich die klassischen Rollenverteilungen auf.
Insbesondere bei der Entwicklung digitaler Kommunikationsmaßnahmen wie einer neuen Website oder produktbegleitenden Tools hat sich die Zusammenarbeit in solchen gemischten Teams über Jahre hinweg bewährt. Geht es aber um auf kreative Exzellenz ausgerichtete Kommunikationsinitiativen und Kampagnen, gilt es, einige Herausforderungen zu meistern. Denn: Agile Strukturen zielen mit klar definierten Tools und festgelegten Arbeitsabläufen auf eine gemeinsame Meinungsbildung ab. Dabei bleibt vermeintlich wenig Platz und Zeit für kreativen Freiraum. Dieser ist jedoch die Grundvoraussetzung, um nutzwertigen Output zu ermöglichen.
Folgende Punkte helfen dabei, einen erfolgreichen agilen Kreativprozess zu gewährleisten:
- Passende Teammitglieder finden und auf die Aufgabe vorbereiten
Bei co-kreativen Prozessen ist die richtige Teamzusammenstellung für die entsprechende Aufgabe entscheidend. Viele Kandidaten empfinden es als ungewohnt, unmittelbar mit dem Kunden und auch mit Nicht-Marketern über Kommunikation zu entscheiden. Aber das ist sicher auch eine Typenfrage.
Wichtig ist, dass Mitglieder eines gemischten, interdisziplinären Marke-Agentur-Teams untereinander gleichgestellt sind. Wird die Zusammenarbeit nur auf Geschäftsführer-Ebene beschlossen, aber nicht grundlegend im Team verankert, scheitert sie an mangelndem Verständnis für das gemeinsame Ziel und an fehlender Motivation. Daher muss insbesondere zu Beginn der Zusammenarbeit ein Onboarding für jedes Teammitglied stattfinden, in dem die Mitarbeiter geschult, sowie Methodologien und Tools eingeführt werden. Nur so entsteht gegenseitiges Vertrauen, Partnerschaft und echte Kompetenzergänzung.
- Krisenfestes Set-up etablieren
Ein zentrales Prinzip von agilen Methoden ist Transparenz. Und die gilt es auch – ganz aktuell – in Krisenzeiten sicherzustellen. Wenn Kunde und Agentur wegen Kontaktbeschränkungen nicht zusammensitzen können, müssen Meetings anderweitig stattfinden – in virtuellen Arbeitsräumen oder mithilfe von Planning-Boards. Alle Informationen und Aufgaben zu einem Projekt sind so jederzeit für sämtliche Mitglieder des Teams auch von zu Hause aus einsehbar. Es ist somit durchgängig autark handlungsfähig.
- Klassische Instrumente der Agentursteuerung meiden
Idealerweise fungiert das Planungs-Set-up als Fundament, das einerseits Struktur und Prozesse vorgibt, andererseits Freiräume schafft. Und überraschende oder sogar realitätsferne Gedankenspiele zulässt. Werden gängige Instrumente der Agentur-Steuerung – wie etwa Briefings oder Schulterblicke – nicht mehr unbedingt benötigt, eröffnen sich für das Team ganz neue Möglichkeiten. Auf der Basis von Consumer Insights, User Stories sowie konkreter Kundenanforderungen entstehen so eigene Tasks.
- Tunnelblick verhindern
Der Fokus auf die Marke, ihre Werte und ihren Purpose darf auch beim agilen Arbeiten nicht verloren gehen. Sind mehrere Teams parallel am Start, erschwert dies oftmals die Koordination, wenn es gilt, die übergeordnete Markenführung zu gewährleisten. Genau das ist die Krux an der Sache: Da die einzelnen Teams sich in ihrer Arbeit stark auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren, besteht die Gefahr eines Tunnelblicks. Um hier gegenzusteuern, können Experten anderer Bereiche für neue Impulse sorgen, indem sie temporär mitsprinten. Mal arbeiten Konzeptioner und UX-Designer zusammen, mal ein Voice-Spezialist mit einem Projektmanager, mal ein Frontend-Developer mit einem Strategen. Umso unterschiedlicher die Profile, die Flexibilität und die immer wieder neu zusammengestellten Expertisen, desto besser und abwechslungsreicher die Ergebnisse.
- Routinen aufbrechen
Kreative sind unerlässlicher Teil von agilen Arbeitsteams. Um deren Exzellenz trotz enger, zielgerichteter Prozesse und Routinen zu gewährleisten, muss ihr regelmäßiger Kontakt zu ihresgleichen sichergestellt sein – durch separate Abstimmungen und Ideenfindungsprozesse. Designer, Texter und Konzepter brauchen ein entsprechendes Umfeld, das in frei verfügbaren Zeit-Slots unkonventionelles Denken und ein bewusstes Brechen der Regeln erlaubt. Weiterhin dürfen Kreative vom Kunden nicht komplett vereinnahmt werden, sondern müssen weiterhin ihre Agenturkultur leben (dürfen).
- Der Transformation Zeit lassen
Kreativer Output entsteht meistens dann, wenn umfassendes Know-how, eine inspirierende Denkumgebung und ausreichend Zeit für den schöpferischen Prozess aufeinandertreffen. Ein langfristiges Commitment und gegenseitiges Vertrauen sind daher auch entscheidende Faktoren für den Erfolg von Marke-Agentur-Teams. Beide Seiten sollten die Zusammenarbeit als langfristigen Lernprozess verstehen. Dieser Wandel kostet sowohl Zeit als auch Geld, wird jedoch über die Dauer immer rentabler.
Nicht für alle Kommunikationsthemen eignet sich ein agiles Marke-Agentur-Set-up.
Langfristig wird sich die Arbeit in co-kreativen Teams jedoch weiter durchsetzen, da diese stets kundenzentriert agieren und die sich wandelnden Kundenbedürfnisse adhoc bedienen. Wenn alle in einem Boot sitzen und die Dienstleister-Auftraggeber-Perspektive an Bedeutung verliert, entsteht herausragende Kreation. Nicht nur bei digitalen Produkten, sondern auch in der Kommunikation.
Über die Autoren:
Mirjam Jentschke ist Head of Brand Equity Siemens Global bei der BSH Hausgeräte GmbH und hat dort das agile Arbeiten im Bereich Markenkommunikation eingeführt.
Sie ist begeistert von dem abwechslungsreichen Zusammenspiel zwischen Marke, Endkunden und Agenturen, welches die Markenführung immer wieder vor neue, spannende Herausforderungen stellt.
Alexander Reiss ist Chief Creative Officer von Saatchi & Saatchi Düsseldorf.
Als Mitglied im Art Directors Club Deutschland schlägt sein Herz seit jeher für Kreativität, die bewegt.
Denn nur Ideen, die einen relevanten Mehrwert im Leben der Menschen darstellen, machen auch für den Kunden den Unterschied und arbeiten besser. Seiner Meinung nach zählen Klarheit und exzellente Umsetzung zu den wichtigsten Parametern für kommunikativen Erfolg und für faszinierende Markenerlebnisse.
Als leidenschaftlicher Kreativer, der das Handwerk von der Pike auf gelernt hat, kämpft er immer für die beste Lösung.
Alexander Reiss ist stolz auf seine zahlreichen nationalen und internationalen Awards. Seine besten Arbeiten sind für ihn allerdings seine beiden Söhne.
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