Am Beispiel der HypoVereinsbank zeigt sich: es lohnt sich nicht nur für junge, aufstrebende Start-ups, in digitale Produkte zu investieren. Das Unternehmen hat im Jahr 2014 das Thema Digitalisierung in den Fokus gerückt und möchte seine Kunden dort abholen, wo sie sich aufhalten – und das ist nicht mehr länger die lokale Bankfiliale. User Experience Design

Neben Print- und TV-Kampagnen lag das Augenmerk stattdessen verstärkt auf digitalen Produkten, die eine direkte Interaktion der Nutzer mit dem Unternehmen ermöglichen. Im Zuge der Digitalisierungsstrategie wurde überdies eine strategische Neuausrichtung im Privatkundengeschäft angestrebt. Ziel war es deshalb, den Kernwert „Anspruch“ der Marke HVB deutlich zu machen, da es sich um eine Positionierung im Premiumsegment handelt. Im Mittelpunkt stand ein ganzheitliches, hochwertiges Auftreten der Marke über alle Touchpoints hinweg.

Um dies zu erreichen, war eine kritische Analyse der Ausgangssituation nötig. Was konnten die digitalen Produkte der HVB zum damaligen Zeitpunkt leisten? In der Mobile Banking App des Unternehmers zeigte sich eins deutlich: die Schere zwischen dem hohen Anspruch der Marke an sich selbst und die tatsächliche Umsetzung des User-Erlebnisses war groß. Das Design der App war veraltet, erinnerte optisch an Windows 95 und erreichte nicht mehr als eine 1 ½ Sterne Bewertung.

Die Botschaften, die die HVB vermitteln wollte, und die User Experience der damaligen App passten nur schwer zusammen. Dabei stellt besonders die UX einen integralen Bestandteil des Erfolgs digitaler Anwendungen dar. Selbst wenn der Nutzer die Marke als solches mag – wird er in der Kundenhotline ebenso enttäuscht wie bei der Nutzung der App, wendet er sich schnell vom Unternehmen ab. Ein durchdachtes digitales Produkt jedoch ist vielmehr ein guter Freund, mit dem der Nutzer gern agiert und zu dem er sogar in gewissem Maß eine emotionale Beziehung herstellt.

Markenwerte als Ausgangspunkt für User Experience Design

Ausgehend von der User Experience, welche die Wahrnehmung und Reaktion von Nutzern auf ein digitales Produkt beschreibt, schafft die User Experience-Identity (UXi)-Methode eine Grundlage für die Gestaltung digitaler Produkte auf Basis von Markenwerten. Die UXi-Methode nutzt dabei Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft und der Verhaltensökonomie. Wie aber konnte dies von der HVB erreicht und genutzt werden, um eine langfristige Kundenbindung zu erreichen?

Ausgangspunkt für die Anwendung der UXi-Methode ist die wertebasierte Positionierung der Marke. Unternehmen müssen ihre digitalen Produkte aus dieser Positionierung ableiten, anstatt sie willkürlich nach Geschmack und eigenen Vorlieben zu entwerfen. Darüber hinaus spielt eine Rolle, welche Eindrücke, Assoziationen und Gefühle mit den Werten verbunden werden. Eine Befragung der Zielgruppe ist hilfreich, um Erfahrungswerte darüber zu erhalten, was mit den Markenwerten in Verbindung gebracht wird. Mit der Übersetzung des Erfahrungswissens in implizierte Codes schließlich tritt der eigentliche Designprozess in Kraft. Wie aber sehen Codes für Markenwerte aus? Was möchte ich als Marke meinen Kunden vermitteln?

Im Fall des HVB waren dies ein Gesamteindruck, der durch seine Hochwertigkeit und Exklusivität das angesprochene Premiumsegment widerspiegelt. Dennoch wollte die HVB auch erreichen, dass integrale Unternehmenswerte wie Vertrauen, Offenheit und Transparenz weiterhin deutlich werden. Der Nutzer spürt dies nur unterbewusst durch den Einsatz bestimmter Designmethoden. Werte wie „Premium“ und „Anspruch“ zum Beispiel lassen sich durch den Einsatz von viel Weißraum sowie großzügig angeordneten Gestaltungselementen wie Listen und Buttons „sichtbar“ machen. Liegt eine physische Distanz zwischen Objekt und Umwelt, vermittelt dies den Eindruck von Exklusivität und Stolz, ebenso wie von Klarheit und Transparenz.

Die bewusste Inszenierung von Elementen und ausgewählten Inhalten durch Bühnen oder Ebenen steht im Vordergrund, Schmuckelemente und Farben werden nur dezent verwendet. Dadurch lassen sich Werte wie Professionalität, Zuverlässigkeit und Souveränität vermitteln. Warme Farben und abgerundete Buttons schaffen ein Gefühl von Empathie und Weichheit, sie geben dem Nutzer Vertrauen. Dies kann auch durch den Einsatz von ausgewähltem Bildmaterial unterstützt werden, im Fall der HVB zum Beispiel durch harmonische Familiensituationen.

Verallgemeinert lässt sich also sagen: Digitale Produkte sind Touchpoints, über welche die Nutzer ständig mit dem Unternehmen agieren. Ein alleiniger Fokus auf Benutzerfreundlichkeit genügt nicht, stattdessen müssen Produkte wie Apps durch ihr „Look&Feel“ aus der Masse herausstechen. Nutzerbedürfnisse müssen erkannt und befriedigt werden, um Kunden langfristig an ein Produkt zu binden. Neben rein pragmatischen Komponenten spielt deshalb auch die unbewusste Wahrnehmung der Nutzer eine große Rolle. Die Frage lautet: Was möchte ich als Marke meinen Kunden vermitteln?

Fazit

Der Relaunch der Mobile Banking App der HypoVereinsbank zeigt: Durch User Experience Design wird es möglich, die Werte und die Persönlichkeit einer Marke aufzugreifen und Nutzern über digitale Produkte zu vermitteln. Digitale Touchpoints nehmen die Rolle von Markenbotschaftern ein. Der HVB wird es so möglich, nicht nur mit seinen Kunden in der unmittelbaren Kommunikation als professioneller, vertrauenswürdiger und service-orientierter Partner in Verbindung zu bleiben, sondern auch seine Persönlichkeit kanalübergreifend weiterzugeben.

Über den Autor

Felix van de Sand ist Managing Director und Co-Gründer von COBE. Mit der User Experience Identity Methode hat die Digitalagentur einen eigenen Designansatz entwickelt, der aktuell in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt validiert wird. Auf dieser Basis entstanden bereits erfolgreiche digitale Produkte für Vodafone, BMW und Wirecard.

Bilder: COBE / HypoVereinsbank