Im Rahmen der Modenschau seefashion19 inszenierten die Absolvent_innen des Fachgebiets Mode Design der weißensee kunsthochschule berlin am 19. Oktober 2019 im Reef Berlin, Vienna House Andel’s Berlin, ihre Abschlusskollektionen. In ihren Arbeiten hinterfragen sie aus unterschiedlichen Perspektiven das kreative aber auch das destruktive Potenzial der Mode in der heutigen Gesellschaft. Soziale Codierungen, Geschlechterstereotype, reale und imaginäre Räume erfahren dabei eine intime, persönliche Behandlung. Die Absolvent_innen bedienen sich dabei der Techniken des Sammelns und Collagierens sowie der Gesten des Markierens und Signierens.
Dazu schreibt Frau Professorin für Mode-Soziologie an der weißensee kunsthochschule berlin, Antonella Giannone, als Geleitwort:
In ihren Arbeiten hinterfragen die Absolvent_innen der weißensee kunsthochschule berlin von unterschiedlichen Perspektiven das kreative aber auch das destruktive Potenzial der Mode in der heutigen Gesellschaft. Soziale Kodierungen, Geschlechterstereotype, Machtverhältnisse und das schwierige Beziehen individueller Positionen in anonymen urbanen Räumen erfahren in diversen Arbeiten eine intime, persönliche Behandlung, die sich den Techniken des Sammelns und Collagierens sowie Gesten des Markierens und Signierens bedient.
Mit Reisen in die Ferne oder entlang vertrauter Haupt- und Nebenstraßen befassen sich unterschiedliche Kollektionen: Atmosphären, Gerüche und die Überlagerung visueller Stimuli werden hier durch Textilien, Formen- und Farbenkombinationen materialisiert. Kleidungselemente, die mit bestimmten Orten verbunden sind, finden in unterschiedlichen Arbeiten Eingang: Traditionelle Gewebe, Musterungen und Textiltechniken erfahren dabei eine kreative Re-Kontextualisierung. Auch Trachten und mit ihnen korrelierte Kleidungsstücke und Accessoires können im Kontext anderer „Landschaften“ neu interpretiert und zum Ausdruck einer modernen ästhetischen Sensibilität werden.
Viele der hier präsentierten Projekte problematisieren direkt oder indirekt, wie Medien, flache Bildschirme und räumliche Abgrenzungen verschiedener Art (Schaufenster, Vitrinen, Podeste etc.) unseren Kontakt zur Mode verändern. Inwieweit ist Mode auch eine Frage des Tastens? Können wir noch mit der wertvollen Fragilität mancher Objekte umgehen? Ist diese Fragilität noch tragbar? Wie vertraut sind wir mit der Materialität textiler Strukturen und mit unregelmäßigen, unebenen Oberflächen? Diese Fragen liegen diversen Arbeiten zugrunde, die sowohl intuitiv als auch reflektiert den Schwerpunkt auf die Bedeutung textiler Eigenschaften und die damit verbundenen ästhetischen Erfahrungen legen. Experimentelle Strick- und Webtechniken, Drapierungen, Versteifungen und Verformungen von Oberflächen werden in die Kollektionen unterschiedlich integriert, weitere textilfremde, unübliche Materialien damit kombiniert.
Der Dialog mit anderen Kunstformen sowie die Verflechtung intermedialer Beziehungen sind der Ausgangspunkt diverser Arbeiten, in welchen fotografische und filmische Darstellungen sowie musikalische Elemente in Kleidung transfiguriert werden.
In einem performativen Raum, in welchem die Grenzen zwischen Catwalk und Publikum organisch ineinanderfließen, lassen die Kollektionen ihre virtuelle Projektdimension hinter sich und werden Teil eines öffentlichen Diskurses, der für weitere Interpretationen offen ist. Denn Mode aktualisiert selbst in ihren persönlichsten Ausdrucksformen kollektive Bildwelten und stellt geteilte Realitätsvorstellungen in Frage.“
Die dunkle Realität unseres Alltagslebens. Diese Kollektion ist eine Kritik an der Modewelt, die durch ihre schnelllebige Schönheit die Brutalität des Konsums vergessen lässt und sich wie ein Schleier über die dreckige Wahrheit legt. Alle Kleidungsstücke sind von Beginn an weiß. Das Weiß als Repräsentant für die Unschuld, mit der wir uns identifizieren wollen. Im Laufe der Kollektion wird der weiße Schleier gelüftet und der brutale Anschein des nackten Körpers, ein Sinnbild für die Wahrheit, wird sichtbar. Parallel dazu legt sich der Ruß des Feuers auf den scheinbar makellosen, weißen Kleidern ab. Die Kollektion ist gebrandmarkt. Als Höhepunkt missbraucht ein Modeterrorist das Luxusprodukt Lippenstift und attackiert sich selber in einem der Kleidungsstücke. Der Lippenstift hinterlässt eine blutige Spur des Konsums auf Körper und Kleid. Trotz aller Warnungen scheinen wir blind zu sein und blind bleiben zu wollen.
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