Statt die historische Formsprache der Renaissance auf dem Altar der alles vereinnahmenden Digitalisierung zu opfern, haben die Gestalter des neuen Logos der Universität Jena ein hoch komplexes Medaillenmotiv ins Zeitalter der Digitalisierung gerettet. Offenbar sind sie bereit, mit den damit einhergehenden Beschränkungen und ein paar hochgezogenen Augenbrauen zu leben.
Die Friedrich-Schiller-Universität in Jena, mit 18.000 Studenten Thüringens größte Hochschule, besteht schon seit 1558. Ihr neues Logo widersetzt sich trotzig dem weltweiten Common Sense radikaler Simplifizierung und zeigt ein Medaillenmotiv aus der Spätrenaissance. Der Job des Re-Designs lag in den kundigen Händen der Fakultät Gestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar, wo unter der Leitung von Prof. Markus Weisbeck mehrere Entwürfe entstanden und dem Präsidium der Universität Jena vorgelegt wurden. Im Februar 2017 wurden dem Senat zwei Favoriten präsentiert auf denen die final ausgewählte Version basieren sollte.
In der Pressemitteilung der Stabsstelle Kommunikation vom 1. Juli 2017 hieß es:
“Ein Logo prägt Identität und repräsentiert die Institution, für die es steht. Gleichzeitig macht es Zugehörigkeit deutlich. Die neue Wort-Bild-Marke der Friedrich-Schiller-Universität Jena erfüllt diese Aufgabe, indem sie das Siegel der Universität mit einer klaren Typographie kombiniert. Sie knüpft damit an die Tradition der Universität Jena an und verbindet sie mit der Gegenwart. Eindeutigkeit, Lesbarkeit und Funktionalität zeichnen das neue Logo aus (…).” Dass es in Verkleinerungen verklumpen würde, ist den Gestaltern bewusst, weshalb entsprechende Anwendungen dann ohne das Logo auskommen sollen. “Unterschreitet es in einer Abbildung einen Durchmesser von zwei Zentimetern, sollte zugunsten der Lesbarkeit auf seinen Einsatz verzichtet werden.”
Auch wenn bei den zwei Elementen Siegel und Schriftzug die Tugenden Eindeutigkeit, Lesbarkeit und Funktionalität in starker Verkleinerung – zum Beispiel auf Mobilgeräten – leiden, so hat man doch schon Schlimmeres gesehen. Die Frage ist hier, ob Responsiveness so weit gehen muss, dass auf einem Winz-Screen auch noch ein kreisrundes Logo den knappen Platz raubt, wenn die Identität der gezeigten Website ohnehin klar ist. Wünschenswert wäre hier, dass man sich Gedanken über ein App-Icon machen würde, das indes ganz eigenen formalen Gesetzmäßigkeiten unterliegen könnte.
Die Kollegen von www.Designtagebuch.de wandten in einer Kritik ein, dass “sich heraldische Wappen und siegelähnliche Zeichen ins digitale Zeitalter transformieren lassen, haben unter anderem die Handelshochschule Leipzig (HHL) oder zuletzt die Stadt Danzig bewiesen.” Sie kritisieren, dass es ein völlig falscher Ansatz sei, möglichst große Nähe ans Orginal anzustreben weil sich Fortschrittlichkeit so nicht vermitteln lasse. Die Abstraktion des Siegels wäre hier “sicherlich der bessere Weg gewesen”.
Immerhin bleibt das neue Signet so nah am Medaillen-Original, dass man sich um den Aspekt der ‘Tradition’ keine Sorgen machen muss. Es erscheint zukünftig in den bereits eingeführten, individuellen Farben der Fakultäten. Die Hausschrift Univers wurde gegen den Google-Free-Font Roboto eingetauscht, in der auch die Wortmarke „Friedrich-Schiller-Universität Jena“ gesetzt wurde. Ein wenig eigenwillig erscheint indes, dass das ‘J’ von Jena offenbar die Nähe der Medaille sucht. Vom Standpunkt akademisch korrekter Typografie zumindest unkonventionell, ist das J aber auf jeden Fall ein Hingucker, der im Gedächtnis bleibt.
Bildquelle: Universität Jena
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