Der in Zypern geborene Schriftentwerfer Emilios Theofanous hat eine Schwäche für anspruchsvolle griechische und mehrsprachige Typografie. Er studierte Type-Design an der École supérieure d’art et de design im französischen Amiens (EsadType) und hat einen multidisziplinären Hintergrund mit einem Bachelor in Mathematik und einem Master in Digital Arts.

Seit seinem Eintritt bei Monotype hat Emilios an mehreren Exklusiv- und Bibliothek-Schriften gearbeitet. Zuvor arbeitete er mit internationalen Foundries zusammen und war an Großprojekten wie Source Serif Greek Italic für Google Fonts und Adobe beteiligt. Als überzeugter Anhänger von Wissensteilung und Nachwuchsförderung organisiert er gerne Workshops für Schriftgestaltung und verwandte Technologiegebiete.

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Laufendes Projekt für die Monotype Library

Wie sind Sie zum Type-Design gekommen?

Irgendwie interessierte ich mich schon immer für Kunst, wusste aber bis Ende 20 nicht genau, welche Richtung. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich herausfand, dass Type-Design meine Leidenschaft ist … und da stehe ich heute.

Mein Ausbildungsweg ist für einen Schriftgestalter eher ungewöhnlich. Nach dem Mathematikstudium an der Universität Athen habe ich an der Athens School of Fine Arts einen Master in Digitalkunst erworben. In den Jahren meines Masters absolvierte ich einen Bachelor-Studiengang in Typografie, bei dem ich mit Bleisatz und einer sehr alten Heidelberger Presse in Berührung kam. Hier begann meine Begeisterung für Schrift. Im ersten Moment war es vor allem die Bewunderung für die kleinen Metall-Lettern und wie präzise sie gefertigt waren. Kurz nach meinem Berufsstart als Animationsdesigner und Grafikdesigner beschäftigte ich mich mehr und mehr mit Type-Design und entwarf die ersten Buchstaben. Irgendwann kam ich um eine amtliche Ausbildung nicht mehr herum und absolvierte das Studium am EsadType in Amiens.

Type-Design

Type-Design-Experiment mit der Variable-Font-Technik, work in progress

Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Wenn ich die lange Reise in Betracht ziehe und die vielen Lektionen, die ich beim Entwerfen gelernt habe, ist das Topos, meine Abschlussarbeit bei EsadType, ein Design, auf das ich sehr stolz bin. Topos ist eine Art Forschungsreise in barocke lateinische und griechische Schriftbilder von Büchern und Gedichten, auf der ich erkundet habe, wie sich eine Schrift von heute im bestehenden Angebot verhalten muss, um als beständig und funktional wahrgenommen zu werden.

Neuere Projekte, bevor ich zu Monotype kam, waren die Ergänzung von Proto Grotesk mit griechischen Zeichen und mein Beitrag für die griechische Kursivschrift von Source Serif.

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Schriftmuster-Heft für Topos

Postkarte für Topos

Bevor ich mich vollständig dem Type-Design widmete war eines meiner Lieblingsprojekte das Editorial Design für eine Handvoll Lehrmaterialien des Staatlichen Museums für Moderne Kunst in Athen (EMST). Im gesamten Prozess und bei den langen Diskussionen mit den Bildungskuratoren des Museums habe ich sehr viel über die Bedeutung leicht zugänglicher Kunst für Kinder gelernt … und eigentlich auch für alle anderen Betrachter.

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Die Arbeit als Schriftgestalter bei Monotype gibt mir die Möglichkeit und das Vergnügen, an Projekten aus aller Welt und in allen Branchen zu arbeiten: von klein bis groß, vom Automobilbereich bis zur Modemarke. Zu meinen jüngsten Arbeiten gehört die Exklusivschrift für Correos, die staatliche Post Spaniens. Andere aktuelle Projekte sind noch nicht öffentlich oder befinden sich in der Entwicklung, so dass ich sie noch nicht nennen kann! Für mich ist es ein Segen, an der visuellen Stimme und der Identität großer Marken mitzuwirken, und ich kann’s kaum erwarten, kurz nach der Fertigstellung, meine Arbeiten in der Öffentlichkeit zu sehen.

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In Arbeit für die Monotype Library

Was verstehen Sie unter Design?

Design folgt stets einem Zweck. Es ist der Moment, wenn das Vage zur Bestimmung wird, der Moment, wenn sich die Interpretation einer Idee in eine Aktion verwandelt. Um zu funktionieren, muss Design oft die Grenze überschreiten, die als Norm gilt. Dieser Mechanismus drückt sich nicht nur in dem aus, was wir traditionell unter Design verstehen, sondern auch in abstrakteren Gestaltungsformen verschiedenster Epochen.

Wer sind Ihre Design-Helden?

Nach meinem Verständnis von Design sind die vorbildlichsten Designer für mich die bekannten und unbekannten Frauen und Männer, die die Art und Weise, wie wir gestalten, denken, lesen, schreiben und sehen, verändert haben. Daher bewundere ich den niederländischen Grafiker und Typograf Willem Sandberg sehr, seine Sensibilität und seine ungebundene Interpretation der Seitengestaltung. Auch Andrian Frutigers Gedanken kommen mir oft in den Sinn: »Der eigentliche Prozess beim Zeichnen und Schreiben ist nicht die Zugabe von Schwarz, sondern das Entfernen von Weiß«. Und Maurice Blanchot … sein Buch »Der Raum der Literatur« war eines jener Bücher, die mein Denken verändert haben.

Woher beziehen Sie Ihre Inspirationen?

Von überall her. Das kann ein Spaziergang durch die Stadt sein, oder eine Surftour durchs Netz. Je nach Projekt und den damit verknüpften historischen Wurzeln sind klassische Schriftmuster stets eine wertvolle Quelle für Inspiration, Beratung und Recherche. Bei professionellen Projekten stütze ich mich auf die Briefings, Designvorgaben und Kundenideen und -anforderungen. Sie müssen mit Respekt behandelt werden, indem man das Gleichgewicht zwischen dem, was die Marke fordert, und was sie an Originalität und Unterscheidungskraft in ihrer maßgeschneiderten Hausschrift verträgt.

Type-Design

Neuinterpretation, work in progress

Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Trend im Schriftdesign?

Das Wort »Trend« ist etwas ambivalent, vor allem im Bereich Design, wo Technologie und soziale Kommunikation eine lebendige, sich verändernde Landschaft definieren. Was wir als Trend bezeichnen, ist mit einem bestimmten Zeitraum und oft mit einem Ort verknüpft. Das Bedürfnis, auch in unserem Bereich, Maßstäbe zu setzen, kann zur Gestaltung von Schriften führen, die eine fixe Idee widerspiegeln und dadurch schnell altern bzw. in einigen Jahren nicht mehr im Trend liegen. Vor allem, wenn man mit einem solchen Trend online geht, taucht am Horizont bereits der nächste Trend auf. Wenn wir eine typografische Lösung ausarbeiten, müssen wir kurzlebige Konzepte vermeiden und das richtige Gleichgewicht finden, um nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren aktuell zu sein.

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Proto Grotesk Griechisch

Ein nachhaltiger Ansatz ist beispielsweise, wenn Marken an die globale Sprachausstattung ihrer Schriften denken. Einige erfolgreiche Marken haben in den vergangenen Jahren vorgemacht, wie man im Rahmen eines Brand-Konzept Schriften entwickelt, die viele Sprachräume abdecken. Sich für unterschiedliche fremdsprachige Märkte auf System-Fonts oder Open-Source-Fonts zu verlassen, hilft beim Aufbau einer unverwechselbaren Markenstimme nicht weiter. Darüber hinaus sollten neue Technologien in Erwägung gezogen werden, die das Darstellen von Text und die visuelle Interaktion der Verbraucher mit der Marke revolutionieren können, zum Beispiel der neue Variable Font Standard.

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Design-Experiment mit der Variable-Font-Technologie

Danke sehr Herr Theofanous das Sie Zeit für uns hatten.

In der Serie „Inside The Monotype Studio” hat der DESIGNBOTE bereits sechs lesenswerte Interviews geführt. Jedes einzelne ist inspirierend, manchmal erstaunlich, teilweise bewegend und gibt immer wieder aufs Neue einen spannenden Einblick in die Faszination des Schriftdesigns.

Bisher haben sich folgende Monotype-Kreative unseren Fragen gestellt:

Jan Hendrik Weber, Type-Designer
Alexander Roth, Schriftdesigner
Akira Kobayashi, Schriftdesigner
Marianna Paszowska, Font Engineer
Charles Nix, Type Director
Tom Rickner, Leiter von Monotype Studio Design

Bilder: Monotype