Ein Kunststudium führt unweigerlich in die Arbeitslosigkeit. Dieses Klischee hält sich nicht nur hartnäckig – eine Studie aus dem Jahr 2018 belegt, dass nur jede/r zehnte Künstler*in in Deutschland von der eigenen Kunst leben kann, bei 80 Prozent reichen die Einkünfte noch nicht einmal aus, um die Kosten der künstlerischen Arbeit zu decken. Künstler*innen müssen Geld verdienen. Ja, klar. Doch welche Rolle spielt die Qualität der Kunst, wenn ich die Klaviatur der Selbstvermarktung perfekt beherrsche? Ist sie dann noch wichtig?

Insbesondere Design- und Kunststudenten empfiehlt Prof. Dr. Peter Crnokrak von der University of Applied Sciences Europe, sich mehr auf Talententwicklung als auf das Marketing zu konzentrieren. Für den Fotografen und Dokumentarfilmer Prof. Matthias Leupold, Mitgründer der BTK Berliner Technischen Kunsthochschule, steht jedoch fest: ein Künstler muss sowohl Talent als auch kaufmännische Fähigkeiten besitzen. Nur so kann die eigene Kunst auch erfolgreich selbst vermarktet werden.

Wir haben mit beiden gesprochen – und auch darüber, wie ein Kunst- und Designstudium heute aufgebaut sein sollte, damit man von seiner Kunst auch Leben kann.

Selbstvermarktung

Prof. Dr. Peter Crnokrak

Herr Crnokrak, wie kann es ein junger Künstler heute schaffen, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erlangen?

Crnokrak: Der wichtigste Rat, den ich den Studierenden und Absolventen mitgebe, ist, sich voll und ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Ich ermutige meine Studierenden, ihre Arbeit mit einer fokussierten Vision anzugehen und ihrer Leidenschaft nachzugehen.

Wie kann ich meinen Weg als Künstler*in finden und wie können Sie als Professor die Studierenden dabei unterstützen?

Crnokrak: Wenn man mit Leidenschaft gedankenlos umgeht, fällt sie auseinander. Meine Aufgabe als Professor ist es, bei meinen Studierenden ein bestimmtes Mindset zu fördern: Mit Experimentierfreude als Herzstück und der Fähigkeit, eigene Deutungen von Wirklichkeit zu entwickeln und diese künstlerisch umzusetzen. Niemand braucht noch einen Roboter. Was die Welt heute mehr denn je braucht, sind große Denker.

Herr Leupold, wie sehen Sie das, reicht Talent allein aus?

Leupold: Nein, ein Künstler muss über 50 Prozent Talent und 50 Prozent kaufmännische Fähigkeiten verfügen. Nur so kann die eigene Kunst auch erfolgreich an die Frau oder den Mann gebracht werden. Das A und O ist, ein persönliches Netzwerk aufzubauen und zu unterhalten. Nur dadurch findet man für eigene Projekte Geldgeber, wie z. B. Kulturstiftungen, Städte, Kinos oder Ausstellungshäuser.

Herr Leupold,  wie können Sie Ihre Studierenden dabei unterstützen und wie spiegelt sich das im Lehrplan der Hochschule wider?  

Leupold: Wir setzten bei uns an der Hochschule viele Praxisprojekte um, dabei übernehmen die Studierenden auch die Organisation.  Das baut Selbstbewußtsein auf, wenn man auch mal den persönlichen Kontakt per Telefon statt per E-Mail z.B. zu einem Galeristen suchen muss. Dabei lernen die Studierenden, dass es wichtig ist, sich mit Menschen zu umgeben, die das können, was man selbst nicht kann. Man muss eine gewisse Agilität für verschiedene Bereiche mitbringen, sich selbst kontinuierlich auch in anderen Feldern weiterbilden. Um die eigene Kunst zu vermarkten, muss man sich aber auch in der jeweiligen Szene auskennen und wissen, welche Themen aktuell in der Luft liegen und wer die jeweiligen Ansprechpartner sind. Möchte man zum Beispiel einen bestimmten Film machen, muss man wissen, welche Festivals und Kinos sich auf Filme mit dem entsprechenden Thema spezialisiert haben. Genau das lernen sie durch solche Projekte.

Wenn die Kunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird – sei es in einer Galerie oder online – vermarktet er sich doch auch und versucht auf diesem Wege Aufmerksamkeit zu generieren. Herr Crnokrak, ist dies für einen Künstler nicht notwendig?

Crnokrak: Natürlich muss ein Künstler seine Kunst ausstellen – aber das ist nicht dasselbe wie Vermarktung: Das Werk auszustellen, ist ein wesentlicher Bestandteil des kreativen Prozesses. Mit der Dezentralisierung und heute vielen Kanälen und  Plattformen für praktisch jeden war es noch nie so einfach, die eigene Arbeit einem Publikum zu präsentieren. Dennoch die eigene Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sich selbst zu verkaufen, sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Die Gefahr der Selbstvermarktung besteht darin, dass der Reiz des Ruhms auf Kosten der Entwicklung der eigenen Arbeit geht. Selten findet man einen Künstler, der beides in Einklang bringen kann.

Selbstvermarktung

Prof. Matthias Leupold

Leupold: Auch ich arbeite lieber an Herzensprojekten, aber als selbstständiger Künstler muss man auch mal Projekte lediglich aufgrund der Bezahlung annehmen. Ich vermittle meinen Studierenden die Wichtigkeit der Balance zwischen Passionsprojekten und Auftragsarbeiten; bringe sie in Kontakt mit potenziellen Auftraggebern in der Szene.

Herr Crnokrak, welche Gefahren oder Probleme sehen Sie bei der Selbstvermarktung?

Crnokrak: Bei vielen jungen Künstlern tritt der Drang zur Selbstvermarktung oft vor der eigentlichen Arbeit auf. Eigentlich muss man sagen: Marketing ist überflüssig, wenn Talent offensichtlich ist. Die Gefahr von Marketing ist, dass es oft zum Hauptfokus junger Designer wird und das Handwerk eine untergeordnete Rolle spielt.

Leupold: Aber genau diesen Spagat müssen die Studierenden schaffen. Ein Künstler muss eben beides können. Und diese Balance versuchen wir unseren Studierenden zu vermitteln.

In der aktuellen Lage, ist es natürlich nicht leicht, persönliche Kontakte zu knüpfen und auch Austellungen können für unbestimmte Zeit nur virtuell besucht werden. Glauben Sie, dass die Künstler besonders unter dieser derzeitigen Krise leiden? Was sind ihre Tipps, sich hier über Wasser zu halten?

Leupold: Mein Tip wäre: Arbeiten, arbeiten, arbeiten,  Selbstzweifel zulassen und immer wieder die Relevanz der eigenen Tätigkeit, auch die gesellschaftliche, einer Prüfung unterziehen.

Über Prof. Dr. Peter Crnokrak
Peter Crnokrak ist ein Berliner Computation Artist und Forscher, dessen Arbeit sich mit dem sich ständig ändernden Bezugspunkt von Erfahrung und Realität befasst. Er wurde in über 125 Büchern, Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht und hat eine Reihe internationaler Wettbewerbe gewonnen. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem in Tokio, Paris, New York und Los Angeles. Er hat einen Doktortitel in Computermethodik und hat an einer Reihe internationaler Institutionen wie dem Royal College of Art, dem London College of Communication und der Sint-Lukas School of Design über die Verwendung von Datenvisualisierung als kritische Design- und Kunstpraxis gelehrt. Darüber hinaus hat er User Experience Design für soziale Zwecke mit Methoden unterrichtet, die neue Technologien in digitale Medien integrieren. Peter ist derzeit Professor und Programmleiter des Visual & Experience Design MA an der UE Berlin.

Über Prof. Matthias Leupold
Matthias Leupold studierte an der Universität der Künste Visuelle Komminikation und schloß mit Diplom und Meisterschüler ab. Für seine Erarbeitung visueller Kritiken zur Formalismusdebatte und Publikationen der Jahrhundertwende um 1900 erhielt er das renommierte Stipendium für einen Aufenthalt in der Deutschen Akademie Villa Massimo Rom. Matthias Leupold gehört zu den vier Gründern der Berliner Technischen Kunsthochschule die 2018 zur University of Applied Sciences Europre Berlin fusionierte und ist dort Professor für Fotografie. In den vergangen Jahren produzierte er auch mehrere Dokumentarfilme.

Über die University of Applied Sciences Europe – Iserlohn, Berlin, Hamburg
Die University of Applied Sciences Europe mit Standorten in Iserlohn, Berlin und Hamburg ist eine staatlich anerkannte private Hochschule. Sie bildet in den drei Fachbereichen Wirtschaft; Sport, Medien & Event sowie Art & Design Gestalter und Entscheidungsträger von morgen aus und setzt den Grundstein für Karrieren auf den globalen Jobmärkten der Zukunft. Durch ihr Netzwerk von zahlreichen Partnerschulen weltweit, fördert die University of Applied Sciences Europe einen internationalen und interkulturellen Austausch sowohl in Forschung und Lehre als auch in zahlreichen Praxisprojekten. Alle Bachelor-, Master- und dualen Studiengänge sind staatlich anerkannt und akkreditiert. Darüber hinaus bietet sie duale Studiengänge sowie einen digitalen, internationalen MBA an. Ende 2014 wurde sie für weitere zehn Jahre reakkreditiert und verfügt somit über das in Deutschland größtmögliche wissenschaftliche Qualitätssiegel. Weitere Informationen: https://www.ue-germany.com/

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