Rembrandt Selbstporträts – In der frühen Renaissance stieg die Nachfrage nach individuellen Konterfeis bei den Herrschenden wie auch in wohlhabenden Kreisen. Die künstlerische Herausforderung lag dabei neben einer wirklichkeitsnahen Darstellung auch in einer schmeichelhaften Idealisierung der dargestellten Persönlichkeit. Für diese Epoche typische Porträts kennen wir unter anderem als die ‚Mona Lisa‘ von Leonardo da Vinci, die Porträts der Päpste Julius II und Leo X von Raffael und Albrecht Dürers Selbstbildnisse.

In Deutschland und den Niederlanden bildete sich Anfang des 16. Jahrhunderts das so genannte ‚Standesporträt‘ bzw. „bürgerliche Porträt“ heraus. Im 17. Jahrhundert verliehen Lasuren und schwungvoll geführte Feder- oder Pinsel dem Porträt eine ganz neue Lebhaftigkeit. In diesem Sinne typische Arbeiten aus der Epoche des Barock kennen wir zum Beispiel von Frans Hals oder Diego Velázquez, Anthonis van Dyck und schließlich auch von Rembrandt.

Von Taschen liegt nun ein bildgewaltiger Band mit den Selbstporträts von Rembrandt vor. Auf 176 Seiten werden mehr als 80 Arbeiten, teils in Originalgröße und jeweils in Vergrößerungen gegenübergestellt.

Rembrandt Selbstporträts

So wird augenfällig, wie detailreich die teilweise nur briefmarkengroßen Federzeichnungen und Radierungen ausgeführt wurden. Seine Selbstbildnisse entwickelte Rembrandt ab etwa 1620 vom namenlosen Figuranten in Historienstücken über erste Porträtversuche mit effektvollen Lichtwirkungen allmählich hin zu selbstbewussten Inszenierungen seiner selbst, die ihn schließlich, quasi fotorealistisch, als alten Mann zeigen. In einem seiner frühen gemalten Selbstporträts modelliert sich der 22jährige in einem dramatischen Spiel von Licht und Schatten und nutzt dabei verschiedene Malweisen, Farbaufträge, Feder- und Pinselstriche. Rembrandt experimentiert im Laufe der Jahrzehnte mit einer zunehmend selbstbewussten Inszenierung seines eigenen Gesichts und schafft dabei malerische, wie auch zeichnerische und druckgrafische Meisterstücke von geradezu schockierender Unmittelbarkeit. Er löst sich von den einengenden bildnerischen Konventionen der vorhergehenden Epochen um, vor allem in seinen kleinformatigen Radierungen, eine außerordentlich ‚private‘ Mimik zwischen, Melancholie, breitem Grinsen und Erstaunen auszuprobieren, die vielleicht nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Ein Gemälde von 1629 zeigt den jungen Mann erstmals mit einer reich dekorierten Mütze, kostbarer Jacke und golddurchwirktem Schal, einer Kostümierung, die man damals den ‚antiken Stil‘ nannte. Solche zeitaufwendigen Arbeiten waren, obwohl Eigenwerbung, gefragt und ließen sich durchaus zu Geld machen.

Eine Radierung (retuschiert mit schwarzer Kreide) von 1631 zeigt den Künstler im kostbaren Mantel, mit Hut und geklöppelter Halskrause, deren letzter von drei Zuständen sein ganzes Können als Radierer beweist. Der locker über die rechte Schulter fließende Pelz schillert im Licht. Ab jetzt bekommen seine Selbstporträts, dem Zeitgeist entsprechend, oft in historisierendem Dekor und Kleidung, eine formellere Note.

Rembrandt hat sein Faible für orientalische, großbürgerliche oder aristokratische Kostüme lebenslang in zahlreichen weiteren Gemälden ausgelebt. Sein ‚Selbstporträt im orientalischen Kostüm mit Spanischem Wasserhund‘ zeigt ihn mit Turban und der damals modischen schulterlang gelockten ‚Cadenette‘. Auch in den formellen Tenues des aufstrebenden Bürgertums setzte sich der Meister effektvoll in Szene. Möglicherweise dienten Porträts wie sein ‚Selbstporträt mit breitrandigem Hut‘ (1632) als Muster für Auftragsarbeiten.

Wie geschickt Rembrandt auch im Einsatz von Rötel war, beweist ein mit sicheren Strichen hingeworfenes ‚Selbstporträt mit Barett‘ aus 1637. Seine zwar spontan wirkenden, indes stets zielführende Linienführungen ausgeführten Radierungen wie zum Beispiel ‚Selbstporträt mit einem Samtbarett mit Feder‘ (1638) zeigen seine immer weiter verfeinerte Meisterschaft auch in dieser Disziplin.

Faszinierend ist, wie die Selbstporträts im Laufe der Zeit Spuren von Reifung und Alter offenbaren. Frappierend lebensecht wirken denn auch seine Selbstporträts in Öl ab etwa 1640, als er sich möglicherweise auf dem Zenit seiner Karriere sah. Der Betrachter spürt den eindringlichen Blick des Künstlers aus wasserklaren Augen mit außerordentlich natürlich wirkenden Lichtern. Ein Selbstporträt in Öl auf Holz aus 1642, lange für eine Nachahmung gehalten, offenbarte nach Infrarotfotografie und Röntgenaufnahmen Übermalungen zweier früherer Selbstporträts.

Eher untypisch lebensnah wirkt in dieser darstellerischen Tradition ein ‚Selbstporträt in Arbeitskleidung‘ von 1652. So sorgenvoll wie sich der Blick auf den Betrachter richtet, liegt ein neues Selbstverständnis des Künstlers nahe, das ab diesem Zeitpunkt gilt; zumal er auf exotische Kostümierung verzichtet.

Rembrandt Selbstporträts

Nicht nur der Künstler selbst, auch seine Werke hatten es nicht immer leicht. Ein ‚Selbstporträt‘ von 1654 wurde bei einem Säureanschlag 1977 schwer beschädigt. Es kam zutage, dass es eine Übermalung eines Frauenporträts aus den 1640er Jahren war.

Hinsichtlich frappanter Realitätsnähe, physischer Präsenz und effektvoller Lichtwirkung ist ein Selbstporträt von 1657 ein markantes Werk, dessen feine und detailreiche Ausführung schon vom Fotorealismus seiner späten Werke kündet.

Auf einem Selbstporträt von 1658 setzt sich Rembrandt noch einmal als Malerfürst in Szene: Kostbares Gewand, ein gülden leuchtender Rock und ein Stock mit Silberknauf unterstreichen sein Selbstbild als Maler von Rang. Der luxuriöse Auftritt sollte vielleicht darüber hinwegtäuschen, dass er in diesem Jahr eine Pleite erlebt hatte, in deren Folge er Haus, Möbel und eine Grafiksammlung versilbern musste.

Ein ‚Selbstporträt als Zeuxis‘ von 1662/63 zeigt Rembrandt als den antiken Maler, der sich angeblich angesichts einer grotesk aussehenden alten Frau zu Tode gelacht haben sollte. Vorgebeugt in weißer Mütze, den Malstock in der Rechten, mit altersmüdem Blick, aber breit grinsend kündigt sich hier schon das Lebensende an. Das Profil einer alten Frau blickt oben links ins Format.

Insgesamt wirkt seine Physiognomie aber immer noch erstaunlich vital.

Aber müde und desillusioniert wirkt der Blick des greisen Künstlers auf dem letzten Selbstporträt aus 1669, seinem Todesjahr. Rembrandt stirbt nämlich am 4. Oktober 1669 in Amsterdam.

Der opulent ausgestattete, exzellent gedruckte Band mit Goldschnitt und Leinenbindung wird eingeleitet mit aufschlussreichen biografischen Details und kunsthistorischen Erläuterungen zu den abgebildeten Selbstporträts auf sieben illustrierten Seiten von Volker Manuth, Marieke de Winkel und Rudie van Leeuwen.

Rembrandt Harmensz van Rijn. Rembrandt. Die Selbstporträts
Volker Manuth, Marieke de Winkel

TASCHEN
taschen.com

176 Seiten, 34 x 26 cm, Gebunden
ISBN: 978-3-8365-7701-4

50,-€