Prokrastination ist ein Zeitdieb

Ach jetzt kommt’ schon – lasst die (Design-)Arbeit Arbeit sein. Und schaut doch mal, was es Neues zum einem Thema gibt, das ihr vielleicht verdrängt und dessen Bewältigung ihr Tag für Tag vor euch herschiebt. Also, nicht vom Design ablenken lassen und schön weiterlesen!

Straßenschild 666

Und führe uns nicht in Versuchung: An jeder Ecke lauert eine potentielle Ablenkung

Prokrasti…was?

Also, ich muss gestehen: Bis vor kurzer Zeit wusste ich gar nicht, was das ist. Ja, ich kannte das Phänomen, aber nicht seinen Namen. Genutzt oder geschadet hat es auch nicht. Wie auch immer: Prokrastination (lateinisch procrastinatio ‚Vertagung, Zusammensetzung aus pro ‚für‘ und cras ‚morgen‘) ist der Hang, wichtige Dinge aufzuschieben, gern auch „Aufschieberitis“ oder „Bummelei“ genannt. Betroffen davon sind mit Sicherheit mindestens rund 20 % der Bevölkerung, es können aber auch mehr sein (für eine genaue Recherche fehlte mir die Zeit…). Aufschieberitis fängt bei kleinen Dingen des Alltags an.

5 vor 12: Aufschieberitis

Aufschieber ticken so: Aufgaben werden erst angegangen, wenn’s fast zu spät ist

Morgen, morgen, nur nicht heute

Beispielsweise schiebt man Tätigkeiten wie das Wechseln der Bettwäsche ständig auf („Och, die eine Woche mehr oder weniger ist auch egal. Außerdem riecht’s noch irgendwie…interessant“). Auch nötige Anrufe bei Verwandten fallen jeden Abend dem Bettwäschewechsel (der dann doch nicht erledigt wird), einem guten Film oder allgemeiner Lustlosigkeit zum Opfer. Als Schüler oder Studierender ist man – auch nach eigener Erfahrung – für jede Ablenkung dankbar, die einen vom Vokabeln-Lernen bzw. Nachbereiten von Seminaren oder Vorlesungen abhält. Ganz nach dem Motto „Morgen ist auch noch ein Tag“. Selbstverständlich leiden auch andere wichtige Termine unter der Aufschieberitis, wie z. B. die Vorbereitung beruflicher Präsentationen, die Arbeit am neuen Design oder die Abgabe der Steuererklärung, was im schlechtesten Fall ernste Konsequenzen hat.
Generell lässt sich sagen, dass Menschen mit Hang zur Prokrastination zwar eine Prioritätenliste haben, diese aber ständig umstellen.

Time for a break!

Pausen, die die Arbeit versüßen: Vorsicht, wenn Unterbrechungen zum Selbstzweck werden.

Augen auf und durch: Was sind die Ursachen?

Keinen Aufschub duldet die Frage nach den Ursachen der Prokrastination. Man geht von mehreren Möglichkeiten aus, die einzeln oder in Kombination für die Ausbildung einer akuten „Aufschieberitis“ verantwortlich sind:

1. Eine Ursache können z. B. abschreckende „Vorbilder“ wie der bestens organisierte Vater sein, der aber im Familienleben versagt – oder auch im Gegenteil die Mutter, zwar im Beruf viel verbummelt, jedoch zu Hause ein echtes Vorbild ist.
2. Bei vielen Prokrastinatoren führt eine übergroße Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenüber Themen und Dingen fast jeglicher Art zur bekannt hohen Ablenkungsbereitschaft.
3. Die fehlende Akzeptanz fremder, von außen aufgezwungener Anforderungen führt dazu, dass sie nicht angegangen werden. Oft sind die Anforderungen schlicht und einfach unklar, wie z. B. unpräzise formulierte Hausaufgaben.
4. Eine andere mögliche Ursache kann in der Angst vor dem Neuen liegen. Beispielsweise gehe ich doch immer zur selben Pizzeria, weil ich nicht weiß, wie die neue so ist (ich es so aber auch nie erfahren werde).
5. Bei vielen Aufschiebern ist die Umwelt (wirklich) Schuld daran, dass sie ihre Aufgaben nicht rechtzeitig fertig bekommen: Denn sie können nicht „Nein“ sagen oder einfach mal das Firmentelefon unbeantwortet lassen oder nur drei mal am Tag ihre Dienst-Mails beantworten.

Kreislauf der Aufschieberitis

Kreislauf der Aufschieberitis: die 7 Phasen des Versagens von oben rechts im UZS bis oben links (Quelle: Bernd Klein/www.prokrastination.net)

Der Ausweg: Schön weiter verschieben!

Verschieben? Ja genau, aber in die richtige Richtung. Um aus dem Teufelskreis heute (oder morgen) zu entkommen, ist es wichtig, die Prioritäten richtig zu setzen (und sie auch so zu belassen).
1. Schreibt eine Liste der Dinge, die ihr unbedingt erledigen müsst. Die schriftliche Form der Priorisierung hilft euch, diese Reihenfolge auch so zu belassen. Effektiv ist es auch, anderen von eurem Vorhaben zu erzählen.
2. Wenn die Aufgaben einzeln zu viel Aufwand oder Zeit benötigen, zerteilt sie einfach in Teilaufgaben. Kleine Häppchen sind schließlich bekömmlicher als ein dicker Brocken.
3. Startet SOFORT, NOW, SUBITO. Wartet nicht ab, bis sich wieder eine Gelegenheit bietet, das Vorhaben zu verschieben.
4. Gönnt euch eine Belohnung nach Erreichen des gesetzten Ziels.

Na dann: Gute Nacht!

Aber machen wir uns (heute und auch morgen) nichts vor: Der Hang zur Prokrastination kann bei stark Betroffenen nicht völlig abgestellt werden. Auch weil die Möglichkeit besteht, dass er bei vielen eine biologische Ursache hat (also in den Genen liegt), helfen auch die tollsten Tipps nur bedingt. So uncool es klingt: Wenn ihr unter akuter Aufschieberitis leidet, könnt ihr nur versuchen, es einerseits zu akzeptieren und andererseits ganz wichtige (oder auch kleine) Dinge doch zu erledigen. Seht doch einfach das „Pro“ in Prokrastination als positives Signal und wechselt noch heute die Bettwäsche!