Knappe fünf Kilo Fotografie-Geschichte liegen da vor mir auf dem Schreibtisch. Die drei Bände illustrieren und beschreiben Leben, Werk und Arbeitsweise von drei Ende des 19. Jahrhunderts geborenen US-amerikanischen Zeitgenossen, die das damals noch junge Medium sowohl technisch als auch künstlerisch entscheidend vorangetrieben und geprägt haben.
Man Ray
Der bekannteste des Lichtbildner-Trios ist zweifellos Man Ray (1890 – 1976). Einer der kreativsten Künstler des 20. Jahrhunderts sind seine Fotografien Teil des Öffentlichen Gedächtnisses und bekannte Ikonen der Kunstgeschichte. Geboren als Emanuel Radinsky in Philadelphia war er als Maler von Dadaismus und Surrealismus inspiriert. Man Ray war in vielen Disziplinen zu Hause und äußerte sich in Plastik, Collage, Druckgraphik, Film und Poesie. Zu Weltruhm gelangte er aber als Fotograf und beeinflusste mit seiner Doppelbödigkeit und Assoziationsmacht Generationen nachfolgender Künstler. Die vorliegende Monografie zeigt anschaulich Man Rays viele Facetten mit fotografischen Experimenten, Akten, Modethemen und symbolschwangeren surrealistischen Motiven. Interessant sind seine fotografischen Porträts prominenter Künstlerkollegen wie Marcel Duchamp, Pablo Picasso, Joan Miró, Jean Cocteau und André Breton auch, weil sie seine Vernetzung in der surrealistischen Avantgarde dokumentieren.
Essays der bekannten Kuratorinnen Emmanuelle de l’Ecotais und Katherine Ware bieten spannende Einblicke in Leben und Werk bzw. die surrealistischen Aspekte seiner Fotografie.
Buch: Man Ray
Paul Outerbridge
Er war zugleich ein Pionier der Farb- wie auch der jungen Werbefotografie und auf dem Höhepunkt seiner Karriere der teuerste Werbefotograf von New York. Paul Outerbridge (1896–1958) war ein Alchimist der Begierde. Farbe war ein unverzichtbarer Bestandteil seiner ästhetischen Anziehungskraft. Er brachte das komplizierte und arbeitsintensive Dreifarben-Carbro-Verfahren zur Perfektion und schuf zugleich erotisch anmutende Oberflächen von mürb-pastelliger Anmutung. Seine Sujets atmeten oftmals einen Hauch von Surrealismus. Outerbridge war ein Fotograf der die Präsentationsweisen des Windowdressing in Fotografie zu übersetzen verstand. Er verfremdete Gegenstände des Alltags zu abstrakt verrätselten Bildern und ließ mit seinen verhalten fetischistischen Aktfotografien die Augenbrauen himmelwärts zucken. Der Band schildert Outerbridges Karriere als New Yorker Mode- und Werbefotograf, als Teil der surrealistischen Boheme von Paris bis hin zu seinem Hollywood-Exil nach dem Skandal um seine als skandalös empfundenen Aktfotos.
Buch: Paul Outerbridge
Edward Weston
Aus den Jahren ab 1911, als der junge Weston seine erste Kamera bekam, sind sensible Landschaftsaufnahmen aus der Umgebung des Michigan-Sees erhalten. Er verdingte sich anfangs als Wanderfotograf und fotografierte Kinder, Haustiere und Begräbnisse. Nach einem Lehrgang am ‘Illinois College of Photography’ betrieb Weston schon 1911 ein eigenes Porträtstudio in Los Angeles. Die einfühlsamen und natürlich wirkenden Porträts im Zeitgeschmack verdankten sich seinem Gefühl für den idealen Moment und seinem sensiblen Einsatz des ‘Available Light’. Sein Talent fand bald öffentlichen Widerhall, er wurde – auch international – vielfach ausgezeichnet, nahm an Ausstellungen teil und fand über Veröffentlichungen in Fachzeitschriften wie American Photography, Photo Era und Photo Miniature ein breites Publikum. Vom noch von Bildauffassungen des 19. Jahrhunderts geprägten ‘Pikturialismus’ löste sich Weston ab ca. 1922 zugunsten einer realistischeren, ‘straighten’ Sicht- und Arbeitsweise, entwickelte aber eine auf ihr basierende eigenständige Bildsprache erotischer Sujets:
“The camera should be used for a recording of life, for rendering the very substance and quintessence of the thing itself, whether it be polished steel or palpitating flesh.” (http://edward-weston.com/edward-weston/)
Nach einer Zeit in Mexico City wieder zurück in Kalifornien fand Weston ab 1926 zu den Themen die ihn berühmt machen sollten: Seine Naturstudien, Nahaufnahmen, Akte und Landschaften faszinieren durch komplexe Flächigkeit und Textur, oft nah an der Abstraktion. 1929 fotografierte er seine berühmt gewordenen gewitterten Felsen und Bäume im kalifornischen Point Lobos. Weston gründete 1932 mit den Kollegen Ansel Adams, Willard Van Dyke, Imogen Cunningham und Sonya Noskowiak die Gruppe ‘f/64’. Der Name bezog sich auf eine Blendenöffnung die sowohl Vorder- wie auch Ferne scharf zeichnete. 1936 entstanden die Serien von Akten und Dünen, die für manche als seine hervorragendsten Arbeiten gelten. Weston erhielt 1936 als erster Fotograf eine ‘Guggenheim Fellowship’ für seine experimentellen Arbeiten und fotografierte anschließend mit seiner Assistentin und späteren Frau Charis Wilson zwei Jahre lang im Westen und Südwesten der USA. Westons Karriere endete tragisch: Nachdem sich 1946 erste Anzeichen der Parkinsonschen Krankheit angekündigt hatten, schoss er 1948 sein letztes Foto in Point Lobos.
Mit einem knappen Kommentar des US-amerikanischen Fotografen Ansel Easton Adams (*1902 – 1984) und einem Essay von Terry Pitts, dem ehemaligen Direktor des Cedar Rapids Museum of Art, Iowa.
Buch: Edward Weston
Man Ray
Paul Outerbridge
Edward Weston
Edited by Manfred Heiting
Mit Essays in Deutsch/ Englisch/ Französisch
Jeweils ca. 250 Seiten
TASCHEN/ 2017
Die Bände über Man Ray und Edward Weston erscheinen mit zahlreichen s/w-Abbildungen, der über Paul Outerbridge mit zahlreichen Farbabbildungen. Angesichts des freundlichen Preises von jeweils 19,90 € erscheint der Kauf des Trios verführerisch.
Über den Herausgeber:
Manfred Heiting ist Designer, Kurator, Foto- und Buchexperte und -sammler und lebt in in Malibu und Brüssel. Als Gründungsmitglied des J. Paul Getty Museum Council ist er seit 2016 UCLA Dinstinguished Lecturer in the Humanities. Er ist Herausgeber von Deutschland im Fotobuch, The Soviet Photobook, The Japanese Photobook und Mitherausgeber von Autopsie: Deutschsprachige Fotobücher 1918-1945.
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