Am 16. September 2019 verstarb in Karlsruhe im Alter von 91 Jahren Luigi Colani.

Der kantige Designer runder Formen wirkte in Italien, Mexiko, den USA und Russland. In Asien, speziell in China und Japan, fühlte sich der ebenso streitbare wie umstrittene Gestalter verstanden und genoss Kultstatus.

Der gebürtige Berliner hinterließ seine chinesische Ehefrau Yazhen Zhao und seine beiden Söhne Solon und Victor, beide Designer – aber auch ein reiches Erbe als Gestalter.

Luigi, mit bürgerlichem Namen Lutz Colani, entwarf Automobile für Straße und Rennsport, aber auch organisch wirkende Möbel und Brillen, knuffige Kameras, pummelige Fernseher, ja sogar Uniformen und Kleidung. Er studierte zunächst an der Berliner Kunstakademie, dann von 1949 bis 1952 Aerodynamik an der Pariser Sorbonne. 1953 trat er in die Dienste des US-Flugzeugbauers Douglas Aircraft Company ein und übernahm dort die Leitung der Materialforschung, um schließlich in Frankreich Kunststoffkarosserien für Automobile zu gestalten. Nach Jahren in China lebte Luigi Colani seit 2002 in Karlsruhe.

Der passionierte Zigarrenraucher mit dem beeindruckenden Schnäuzer sah sein Vorbild in der Natur, in der es schließlich nichts Eckiges gäbe und die alle möglichen Probleme schon seit Millionen von Jahren löse.

Luigi Colani- fürwahr eine ‚Marke‘

Als einer der ersten brandete der Designer seine Entwürfe mit dem organisch geschwungenen Schriftzug ‚Colani‘. Er gestaltete Computermäuse, LKW mit raumschiffähnlichem Führerhaus für Marchi Mobile, erotisch gerundetes Tischgeschirr und schuf neue Uniformen für die Hamburger Polizei. Für einen Computerhändler entwarf Luigi Colani einen Desktop- und einen Tower-PC. Der Küchenhersteller Poggenpohl bestellte bei dem jungen Designer eine Küche der Zukunft. In Colanis futuristischer ‚Kugelküche‘ von 1970 war alles in Griffweite um einen zentralen Sitzplatz angeordnet. Das Honorar für das nie realisierte Kochstudio spülte dem Designer stolze 250.000 DM aufs Konto.

Aus Luigi Colanis Feder entstammte die legendäre, anmutig gerundete Canon T90, die das zukünftige Design der Marke entscheidend prägen und auch die Konkurrenz inspirieren sollte. In den 70er und 80er Jahren kam der Nimmermüde mit Entwürfen für unter anderem Waschbecken und sogar Biergläsern zu einigem Wohlstand.

Colani verpasste den Serienkarosserien von unter anderem BMW 700 (1963), Citroen 2CV oder Ford Ka eine aerodynamische Optik. Doch auch wenn die so optimierten Autos dadurch schneller und sparsamer wurden, so waren Colanis Entwürfe der Autoindustrie zu radikal und trafen zudem nicht den Geschmack der Mainstream-Kunden. Colani hatte mit seiner Vision eines VW Polo gegen Wolfsburgs italienischen Lieblingsdesigner Giorgio Giugiaro keine Chance. Mit grob gelochtem Kühler und kraftlos durchhängender Stoßstange fand seine Alternative beim damaligen VW-Boss Schmücker und Entwicklungschef Fiala – für ihn angeblich „Blechpfeifen“ – keine Gnade.

1970 präsentierte er den ‚Sportscar C 112‘ für Mercedes. Der war zwar windschlüpfrig, flach und kantenlos, wurde aber wie so viele andere seiner Entwürfe nach dem Pressetermin sang und klanglos in den Archiven der Entwicklungsabteilungen eingemottet.

Anfang der Achtziger kehrte der stets in voluminöse, weiße Klamotten gewandete Designer Deutschland den Rücken. Er hatte genug von „Mittelmaß und Kriechertum“ und ging nach Japan, wo er unter anderem auch Damenmode entwarf. 1987 kehrte er zurück nach Europa, um sich mit seinem Designcenter in Bern niederzulassen. Ab 1996 lehrte Colani an der Universität Shanghai als Gastprofessor Urbanistik und Architektur. In China tüftelte er am Monsterprojekt einer energieeffizienten Eco-City in der 50.000 Forscher leben und arbeiten sollten.

Noch im hohen Alter sorgte der Exzentriker mit provozierenden Kommentaren für Schlagzeilen und wetterte über die seiner Ansicht nach rückständige Designbranche und eine erzkonservative Industrie. In einem „Tagesspiegel- Interview“ behauptete der greise Rebell: „Ich habe noch Ideen für mindestens 500 Jahre.“

Doch längst nicht alles, was sich der gebürtige Berliner ausdachte, wurde ein Erfolg und viele seiner radikalen Visionen scheiterten in der Praxis. So versank der strömungsoptimierte Olympia-Achter 1972, kaum zu Wasser gelassen, wie ein Stein in den Fluten. Glaubt man den Meister selbst, so waren über 70 Prozent seiner Entwürfe nie in Produktion gegangen.

Colanis Designs sind, ganz gleich wie funktionell (oder auch nicht) sie auch sein mögen, auf jeden Fall immer extravagant. Und genau diese Exzentrik machte Colani in den 1970ern und 1980ern zu einem Star der medialen Selbstpromotion. Dass seine Ideen ignoriert wurden, konterte er mit immer wilderen, provokanteren Konzepten und Entwürfen, flankiert von pointierten, arrogant vorgetragenen Schimpftiraden.

Luigi Colani: Vielfach ausgezeichnet und im Museum of Modern Art

Schon 1954 wurde der junge Gestalter in Genf für einen alternativen Karosserieentwurf für den Fiat 1100 TV mit der „Goldenen Rose“ ausgezeichnet. 1982 war er „Designer of the Year“ in Japan und errang dort 1985 Preise für Wasserhähne, 1996 bekam er einen Design-Award für Heizkörper-Armaturen und 2003 den Rheinland-Pfälzischen Design-Preis für die Gestaltung eines Bankautomaten. Ein faltbarer Sony-Leichtkopfhörer aus dem Jahr 1984, ist in der ständigen Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art vertreten.

Auch wenn man inzwischen in vielen Colani-Entwürfen das visionäre Potenzial akzeptiert, so konnte sich der greise Designer, der eigentlich über 100 werden wollte, dafür nichts mehr kaufen. Er verließ eine Welt, die offenbar noch nicht reif für sein Genie war. Und auch sein zeitlebens gehegter Wunsch, eines ihm gewidmeten Museums blieb unerfüllt. Zuletzt klang er resigniert: „Ich könnte dieser Welt auf die Sprünge helfen! Aber ich will es nicht mehr.“

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