Künstliche Intelligenz, besonders generative KI, hat in den vergangenen Jahren riesige Fortschritte gemacht und verändert, wie Designer:innen arbeiten. Das Thema ist zurecht omnipräsent und die Branche experimentiert schon gezielt mit KI.

DESIGNBOTE möchte wissen, mit welchem Ergebnis und spricht dazu in loser Folge mit Kreativen und Designer:innen über ihre Erfahrungen. Den Anfang macht Martin Kurtz, Creative Director bei Sassenbach Advertising.

künstliche intelligenz

Martin Kurtz, Creative Director bei Sassenbach Advertising

Welche Chancen bietet KI für die Kreativbranche?

KI hilft dabei, einfache Routineaufgaben zu automatisieren und damit effizienter zu machen. Schneller zu werden. Neue Jobs zu schaffen. Völlig neue Prozesse zu etablieren. Zielgruppen besser zu verstehen und anzusprechen. Über den Tellerrand hinauszuschauen. Innovationen zu fördern. Neue Ausdrucksformen zu finden. Uns ständig aufs Neue zu hinterfragen und herauszufordern. Aber sie hilft uns auch, mehr Zeit fürs Wesentliche zu haben: für die Entwicklung kreativ herausragender, emotionaler und einfach nicht maschinenmachbarer Ideen.

Wie siehst Du den aktuellen Stand der Gestaltung mit KI?

Die Tools werden immer besser, die Ergebnisse immer beeindruckender. Trotzdem sind – gerade wenn man Anspruch an Qualität hat – immer noch diverse Hindernisse bei der Realisierung vorhanden: Dazu gehören etwa technische Hürden wie die Qualität von Details, die Konsistenz in der Umsetzung oder ethische Fragen, u. a. zum Urheberrecht. Nichtsdestotrotz arbeiten KI und Design Seite an Seite – um menschliche Visionen und maschinelle Power zusammenzubringen. Das wird auch so bleiben (und immer besser werden!).

Welche Herausforderungen siehst Du bei der Nutzung von KI im Kreativprozess?

Die größte Herausforderung ist für mich die Balance zwischen menschlicher Kontrolle und maschineller Automatisierung. Kreative müssen lernen, KI richtig zu „füttern“, ihre Vorschläge zu kuratieren und ggf. auch zu individualisieren. Denn nicht nur die Tools entwickeln sich weiter, sondern auch die Konsumenten: Sie erkennen inzwischen natürlich rein von KI generierte Inhalte – und bewerten sie entsprechend. Auch rechtlich gibt es einiges zu bedenken, v. a. im Bereich des Urheberrechts und der Nutzung von KI-generierten Inhalten. Und letztendlich stellt sich auch die Frage, wie ethisch vertretbar der Einsatz von KI ist – gerade wenn es um die Nutzung fremder Daten oder die Automatisierung von Jobs geht.

Wie verändert KI Deine Arbeit? Und wie entwickelt man dabei eine eigene Handschrift?

Mit der Künstliche Intelligenz erweitere ich meinen Spielraum, weil sie im Dialog wirklich unvorhersehbare Inspirationen ermöglicht – und das in allen Bereichen: Strategie, Text, Konzeption, Bild, Musik, Video etc. Sie verändert meinen Fokus: Ich brauche weniger Zeit für manuelle Aufgaben und habe mehr Zeit für die Konzeptentwicklung. Um eine eigene Handschrift zu entwickeln, ist es wichtig, die Künstliche Intelligenz als Werkzeug und nicht als Ersatz zu betrachten. Dabei gilt: trainieren, trainieren, trainieren. Je besser die KI meinen Stil in unterschiedlichsten Ausprägungen kennt, desto besser sind die Ergebnisse. Und ob mit oder ohne KI: Kreativität bleibt immer eine Kombination aus menschlichem Instinkt und technischer Unterstützung.

Welche KI-Tools kannst Du empfehlen?

Ich kann jetzt nur für mich und für den aktuellen Stand sprechen: Momentan nutze ich Midjourney und DALL·E zum Visualisieren. ChatGPT oder Jasper AI eignen sich für die Texterstellung, Brainstorming und Ideengenerierung. Runway ist ein wirklich kraftvolles Tool für Bewegtbild. Bei Sound und Musik sind AIVA und Amper Music für mich großartige Optionen. Aber weil sich der Markt an Angeboten so rasant weiterentwickelt, kann das nur eine Momentaufnahme sein. In zwei Monaten lautet meine Antwort vielleicht schon wieder anders. Wichtig ist, dass man ständig verschiedene, auch neue Tools testet und dann die auswählt, die am besten zu den eigenen Anforderungen und zur eigenen Arbeitsweise passen.

Welches Beispiel für gelungene kreative Arbeit, die mit KI umgesetzt wurde, fällt Dir ein?

Im Bereich der Werbung hat mich der 45-Sekünder „Volvo for Life“ aus dem Sommer 2024 beeindruckt. Ein faszinierendes Beispiel ist auch die Kampagne „The Next Rembrandt“, bei der eine KI ein neues Werk im Stil von Rembrandt erschuf. In der Modewelt hat Balenciaga mit seinen KI-generierten Kollektionen neue Maßstäbe gesetzt. Stark sind auch KI-generierte Kurzfilme wie „The Crow“ von Glenn Marshall, der sogar in Cannes ausgezeichnet wurde. Gerade solche Beispiele beweisen, dass KI mehr als ein simples Werkzeug sein kann und uns völlig neue Dimensionen eröffnet.

Worauf müssen Kreative im Umgang mit KI besonders achten, damit das Ergebnis gut wird?

Es ist essenziell, die Künstliche Intelligenz nicht blind arbeiten zu lassen. Zuerst ist ein klares Briefing der Kreativen entscheidend, da die Qualität des Outputs stark von der Qualität des Inputs abhängt. Dann müssen sie den kreativen Prozess aktiv steuern: d. h. die Ergebnisse prüfen und ggf. optimieren bzw. Schritt für Schritt verfeinern. Kreative sollten außerdem darauf achten, dass die Ergebnisse nicht zu generisch wirken. Außerdem sollten sie technische Grenzen und Urheberrechte kennen und bedenken, um hier rechtliche Probleme zu vermeiden. Einfach gesagt: Kreative sollten Ergebnisse mit der KI in interativen Prozessen erstellen – und immer kritisch bleiben!

Was rätst Du jungen Talenten, die mit KI experimentieren?

Habt keine Angst vor der Technologie, sondern seht sie als Chance, eure Kreativität zu erweitern! Experimentiert, spielt damit herum, probiert aus – aber lernt auch die Grundlagen, um die Tools gezielt einsetzen zu können. Macht die Tools zu EUREN Tools, indem ihr KI-Ergebnisse mit eurem eigenen Stil kreiert. Tauscht euch mit anderen Kreativen aus, um Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen. Und vergesst nicht: KI ersetzt nicht eure Vision, sondern unterstützt sie!

Credits: Sassenbach Advertising