Jochen Theurer studierte an der Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung, Medien und Kunst in Stuttgart, bevor er nach Stationen bei namhaften Agenturen im Jahr 2006 Creative Director bei Strichpunkt wurde. Die inhabergeführte Agentur beschäftigt derzeit über 100 Mitarbeiter an den Standorten Stuttgart, Berlin und Shanghai. Auf der Kundenliste der Design- und Branding-Experten befinden sich Unternehmen und Marken wie Audi, DFB, Deutsche Post DHL Group, Otto Group, Porsche und Bosch.
Was Jochen Theurer inspiriert und was ihn bei der Arbeit tagtäglich antreibt, erzählt er uns hier.
Wie bist Du zur Kreation gekommen?
Durch Zufall – ich habe zuerst einige Semester Kulturwissenschaften studiert, was mir dann aber doch ein bisschen zu grau war. Mein Studium an der Stuttgarter Merz Akademie (Schwerpunkt Konzeption) war dann so freigeistig, wie ich auch heute immer noch arbeiten will. Aber mir war eigentlich schon von Anfang an klar, dass ich irgendetwas Gestalterisches machen wollte – ich wäre auch gern Architekt, Fotograf oder Journalist.
Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?
Ich denke, dass die gelungenen und begeisternden Projekte immer eine einfache, starke Idee im Kern haben. Dass sie relevant und inspirierend sind – reflektiert, vielschichtig. Und, dass alle im Team mit Herzblut dabei waren. Dann kann Design etwas verändern und bewirken. Vielleicht einige Beispiele aus der letzten Zeit, die mir besonders am Herzen liegen: Die neuen Markenauftritte und die Transformationsprojekte für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, für die Bausparkasse Schwäbisch Hall und für den Elektrogroßhändler Alexander Bürkle. Die interdisziplinären und sehr ganzheitlichen Projekte für die Baden-Württemberg Stiftung. Die Megatrend Reports für Bosch, die mich durch ihre (teilweise sehr entlegenen) Themen und Sichtweisen immer wieder inspirieren. Das Branding und die Designmagazine für die Druckerei Eberl & Kösel.
Was war die schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnisse daraus?
So sehr schmerzen mich Niederlagen nicht – manchmal passt es halt einfach nicht, aus den unterschiedlichsten Gründen. Das ist wie im wahren Leben. Außerdem: Ich glaube, jeder, der dabei war nimmt immer auch einen positiven Impuls für die Zukunft mit und es kommt ja auch immer etwas Neues hinterher.
Wie stark beeinflusst die Corona Pandemie Deine kreative Arbeit?
Ich erlebe das Ganze sehr ambivalent. Ich habe die letzten Monate allerdings nicht ausschließlich zuhause gearbeitet, sondern wir haben uns immer wieder im Studio getroffen, um zu zweit oder zu dritt in intensiven Sprints auch gemeinsam und im direkten Austausch an Ideen und Konzepten zu basteln. Auf der anderen Seite finde ich es toll, mir im Home-Office meinen Tag freier zu gestalten, länger zu schlafen, regelmäßiger laufen zu gehen und mir bewusst mehr Zeit für alles das zu nehmen, was eben auch wichtig ist. Meine Lebensgefährtin ist ebenfalls Designerin und wir inspirieren uns gerne gegenseitig – und da ist die Uhrzeit egal ;-).
Woran arbeitest Du derzeit?
Wir müssen bei Strichpunkt – nicht nur wegen Corona – gerade viel jonglieren. Auch ich arbeite gerade an ganz vielem gleichzeitig: Der Markenlaunch von Schwäbisch Hall geht in den Endspurt. Eine neue Dachmarke für einen großen asiatischen Mischkonzern entsteht. Der neue M10 (Megatrendreport) für Bosch wird gerade fertig. Das nächste Jahrbuch der Baden-Württemberg Stiftung und zwei Geschäftsberichte stehen in den Startlöchern. Das sind spontan gerade so die größeren Sachen – und einige Pitches sorgen zusätzlich dafür, dass es mir nicht fad wird 😉
Kreative Vorbilder – Hast Du eins?
Keine Vorbilder. Aber echte Bewunderung für wilde Spinner, für Freigeister, für inspirierende Frager, für (Neu)Erfinder und Experimente – im Design und in der Fotografie, in der Architektur, in der Kunst und ganz allgemein im Leben. Immer wieder Nick Knight, Achille Castiglioni, Anselm Kiefer und Neo Rauch, James Turrell, Alexander Kluge – zum Beispiel.
Inspiration – Wie kommst Du auf neue Gedanken?
Im kreativen Ping Pong mit Gleich- und Andersgesinnten. Durch ehrliche Neugier, Freude am Fragen, weites, freies Denken – das, vor allem. Ich finde es wichtig, den Bogen beim kreativen Denken und Gestalten wirklich ganz weit zu spannen, komplett offen zu sein. Es gibt ja keine Denkverbote und keine Scheren im Kopf – deshalb gibt es auch unendlich viel, was mich inspiriert. Spannend wird es immer dort wo die Gegensätze aufeinanderprallen und wo es eben gerade nicht zusammenpasst, wo es Brüche und Reibung gibt. Da entsteht kreative Energie.
Welche Rolle soll aus Deiner Sicht Kommunikation und Design in der Gesellschaft einnehmen?
Es gibt ein schönes Zitat von Massimo Vignelli: “Design is not a style. It is an attitude.” – Haltung. Das ist es. Denn Kreativität und Design können nicht nur Unternehmen und Marken, sondern unsere (Um-)Welt wirklich tiefgreifend und positiv verändern, bereichern und befruchten. Wenn wir die Freiheit zulassen und wenn wir uns die Freiheit nehmen. Wenn wir als Designer wirklich etwas wollen. Und, wenn wir Design, ganz schlicht (aber auch ganz schön schwierig!), wirklich umfassend begreifen.
Was ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?
Was soll ich raten? Hoch zielen. Tief tauchen. Frei denken. – Das gilt ja ganz grundsätzlich im Leben.
Auf was wird es künftig im Branding und Design nach ankommen?
In Zukunft werden sicherlich die Unternehmen und Marken erfolgreich sein, die Menschen mit ihrer Kultur inspirieren, die sie mit ihrer Identität involvieren und die für sie eine echte Relevanz in ihrem Leben besitzen: funktional, vor allem aber auch emotional, wobei die Grenzen hier zunehmend fließend sind. Empathie, Phantasie und Relevanz werden in Zukunft (noch mehr als heute) zu den entscheidenden Differentiatoren und Erfolgskriterien für Design im Markt und bei den Menschen. Technologie ist selbstverständlich – Kreativität und Konzepte entscheiden.
Danke Jochen für die inspirierenden Antworten.
Credits: Strichpunkt
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