Seine Karriere startete Hans Neubert als Textpraktikant bei der Münchner Agentur Stawicki. Es folgten ein berufsbegleitendes Abendstudium an der BAW (heute Bayerischen Akademie für Wirtschaftskommunikation) zum Diplom-Kommunikationswirt. Danach war er Texter bei Wüschner und Rohwer, Jung v. Matt, Heye & Partner sowie als Freelancer unterwegs. 2001 bis 2006 war Hans Neubert Vorstand Kreation bei Q (heute Hello, München). Seit 2007 ist er Creative Director bei Sassenbach Advertising und inzwischen auch Mitgesellschafter der Agentur. 2002 wurde er in den Art Directors Club für Deutschland (ADC) aufgenommen.
Wie bist Du zur Werbung gekommen?
Ich fand Werbung zwar schon als Kind spannend und kann heute noch den gesamten Off-Text des ersten „Cliff“ TV-Spots auswendig. Auf ein langatmiges Germanistikstudium oder ähnliches hatte ich aber keine Lust, ich wollte sofort in die Praxis. Also telefonierte ich mit einigen größeren Werbeagenturen in München. Die meisten wimmelten mich ab, sie wollten halt nur Studenten. Die Empfangsdame bei Stawicki dagegen fragte gleich, ob sie mich in die Beratung, die Grafik oder in den Text verbinden sollte. Meine spontane Antwort: Text. Denn Deutsch war eins der wenigen Schulfächer, in denen ich nie eine 5 gehabt hatte. Tja. Das war meine Berufsentscheidung.
Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?
Schwer, da einen Favoriten rauszugreifen. Preise für Sixt zu gewinnen war toll. 13 Millionen Klicks für ein KUKA Video zu bekommen war toll. Die Kultmarke Harley zu betreuen war toll. Die Onlinekampagne für HUK24 war toll. Anspruchsvolle Kommunikation für die Süddeutsche Zeitung war toll. TV-Werbung für Ferrero war … na gut, es war nicht alles toll. Aber am meisten Spaß habe ich als Petrolhead immer, wenn es um Autos geht. Deshalb arbeite ich so gerne für unsere Kunden ADAC, Volkswagen oder Audi. Auch unsere Arbeit als Leadagentur für MINI Deutschland war was Besonderes, die Einführungskampagne für das MINI Coupé zum Beispiel. Damals durfte MINI Kommunikation noch auffallen, Spaß machen und mutig sein. Auch dank Max Kalbfell, dem damaligen Marketingchef.
Was war Deine schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnis daraus?
Ein bombastischer TV-Spot für den Sky-Vorgänger Premiere World. Der sollte ganz großes Kino werden. Aus unserer Sicht ging das nur mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle und Roland Emmerich als Regisseur. Wir knüpften schnell Kontakte nach L.A. und bekamen vom Kunden unglaubliche 3 Millionen als Budget freigeschaltet. Ein riesiger Haufen Geld, der am Ende trotzdem nicht gereicht hat. In Hollywood: viel zu teuer. In Osteuropa: machbar, aber zu viele Nebenkosten. Denn Agenten, Anwälte, Berater, Personal Trainer, die ganze Familie, Privatlehrer und Kindermädchen mussten mit. Meine Erkenntnis daraus: Egal, wieviel Geld Du hast – nirgendwo auf der Welt ist es so wenig wert wie in Hollywood. Die noch wichtigere Erkenntnis: Gute Werbung braucht nicht unbedingt Millionenbudgets.
Und gleich noch eine Niederlage, ganz aktuell: Nach 20 gemeinsamen Jahren gehen Harley-Davidson und wir getrennte Wege. Schade. Aber auch ein enormer Antrieb, was Neues zu starten. Und vielleicht einer anderen Motorradmarke unsere Expertise in diesem Markt anzubieten. Erkenntnis? Aufgeben gilt nicht, einfach weitermachen und noch besser werden!
Wie stark beeinflusst die Corona Pandemie Deine Arbeit?
Bis auf Einbrüche bei Kunden aus der Reisebranche: Weniger, als man denkt. In den Lockdownphasen lief es reibungslos weiter, dank Zoom, Skype, Teams und Facetime. Meine Kollegen und ich blieben permanent im Kontakt. Am liebsten ist mir inzwischen allerdings eine Mischung aus Homeoffice und Arbeiten vor Ort. Zuhause kann ich mich am besten auf komplexe Aufgaben konzentrieren. Aber den schnellen Austausch im Büro, das direkte, persönliche Miteinander und das kurze Besprechen von vermeintlich unwichtigen Details… das kann keine digitale Lösung dieser Welt ersetzen.
Woran arbeitest Du derzeit?
An einer Performance-Kampagne für eine Autoversicherung, an einer Performance-Kampagne für ein Elektroauto-Abo, an einer Kampagne zur Newsletter-Einwilligung, an einer Kampagne für eine ÖPNV-Monatskarte, an einer HR-Kampagne für einen süddeutschen Technologie-Konzern und an einer Frühjahrs-Aktion für Motorradhändler. Da muss man ziemlich schnell umschalten können.
Kreative Vorbilder – hast Du eins?
Vorbilder nicht unbedingt, aber ich fand es immer spannend, Meistern ihres Fachs über die Schultern schauen zu können. Wie schreibt Oliver Voss eine Headline? Wie arbeitet Matthias Thönnissen an einem Skript für einen Spot? Wie interpretiert Harald Schmidt den Text, den man für ihn geschrieben hat? Das sind Momente, in denen man enorm viel lernen kann.
Inspiration – wie kommst Du auf neue Gedanken?
Ich suche mir Beschäftigungen, bei denen ich komplett abschalte oder mich intensiv mit anderen Dingen beschäftige: Musik machen. Angeln gehen. Mit alten Autos quer durch die Alpen fahren. Eine Zeit lang habe ich nebenbei Storys für Oldtimer-Magazine geschrieben und fotografiert. Momentan produziere ich einen Podcast unter dem Motto „Die besten 100 Autos aller Zeiten“ und interviewe dafür Ingenieure, Rennfahrer und Designer. Und seit viereinhalb Jahren habe ich noch eine weitere Lieblingsbeschäftigung: Kinderbücher vorlesen und Legosteine unterm Sofa hervorholen. Auch sehr inspirierend.
Welche Rolle sollte aus Deiner Sicht Kommunikation und Design in der Gesellschaft einnehmen?
Da könnte man jetzt sehr hochtrabend antworten. Aber ich glaube, wir Werbefuzzies sind gut beraten, uns nicht so wichtig zu nehmen. Wir sind Produktverkäufer, keine Weltverbesserer. Dass ich ethisch problematische Produkte nicht bewerbe, eh klar. Dass wir gern auch mal Hilfsprojekte unterstützen, ebenso.
Was ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?
Der Beruf ist tatsächlich enorm spannend und das liegt, auch wenn das nur wie ein Wortspiel klingt, an den Spannungsfeldern: Man muss eine fast kindliche Freude daran haben, sich verrückten Blödsinn auszudenken – ihn dann aber in ein hochprofessionelles Kommunikationsprodukt verwandeln. Man muss sich mit Betonbefestigungsankern richtig gut auskennen – aber auch mit Auslandskranken-Versicherungen oder Fugenbürsten oder Headup-Displays. Man muss enorm schnell Ideen ausspucken können – aber auch das Durchhaltevermögen für eine 48-seitige Investmentbanking-Broschüre mitbringen. Man muss die klassischen Medien Print, Funk und TV beherrschen – aber eben auch Programmatic Advertising. Mein Rat an junge Menschen: Schaut nicht zu sehr aufs Geld, sondern darauf, dass Ihr tolle Arbeit(en) macht. Dann kommt das Geld von alleine.
Auf was wird es künftig in Branding und Design noch ankommen?
Zum Thema Kommunikation allgemein stelle ich fest: Die Professionalisierungsrate steigt seit Jahren. Und sie steigt immer steiler. Früher hätte ich noch gesagt, ich mache Ideen, die verkaufen. Heute würde ich eher sagen, mein Job ist: Kreativität für Performance. Denn inzwischen schaffen wir ja bis ins Mikrodetail ausgetüftelte digitale Logiken und Abläufe, die erst durch die Digitalisierung möglich und nötig geworden sind. Erfolg wird so in gewissem Sinn programmierbar. Klingt zunächst vielleicht anstrengend. Aber gerade für Texter und Gestalter ist das enorm spannend, denn es schafft auch ganz neue Räume für Kreativität.
Credits: Sassenbach Advertising
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