Warum meine Produktstudien als junger Designstudent an der Krefelder Fachhochschule und später an der Folkwang-Schule formal und farblich so sachlich geraten waren, ihre Bedienelemente sich stets auf geometrische Grundformen bezogen und allseits klar definierte Radien aufwiesen, das war mir damals noch nicht bewusst. Namen wie Dieter Rams und Hans Gugelot waren mir nicht geläufig und wurden an meinen Schulen höchstens in Streberkreisen diskutiert. Fest steht indes, dass der Autor dieser Zeilen ein ausgesprochenes Faible für die Produkte aus Copertino hegt. Ich kann nun mal nur Apple und liebe die formale Klarheit, sinnliche Haptik und gediegene Materialwahl der Produkte. Wer sich auf die Suche nach den Ursprüngen des Apple-Designs begibt, stößt dabei unvermeidlich auf die Namen Rams und Gugelot (1920 – 1965). Die von ihnen gestalteten BRAUN-Geräte stehen im Berliner Kunstgewerbemuseum wie auch im New Yorker Museum of Modern Art. Der Berliner Werner Ettel hat eine stattliche private BRAUN-Sammlung zusammengetragen.
Schon in den späten Sechzigern wollte Ettel den Braun-Weltempfänger „T 1000“ besitzen. Der indes sollte für den Pennäler erst im vorgerückten Alter erschwinglich werden. Des schlanken Empfängers mattsilbernes Äußeres, die schwarze Skalenscheibe mit nüchterner Typo, seine ordentlich angeordneten Knöpfe verströmen ihre diskrete Sexyness bis zum heutigen Tage und markieren formal einen krassen Gegenpol zum übermütig farbenprallen Eklektizismus seines Zeitgenossen Ettore Sottsass wie auch zum bieder hochglänzenden Holz- und Messing-Schwulst der Nachkriegsjahre.
Etwa tausend Objekte aus dem Hause BRAUN von 1955 bis in die Gegenwart bevölkern Regale und Schränke des 140 Quadratmeter großen Berliner Privatmuseums. Neben Grau und Reinweiß fallen die anno dunnemals als hip empfundenen Knallfarben auf. Liebhaber des BRAUN-Designs aus aller Welt können sich hier an der zeitlosen Schönheit von Kaffeemaschinen, Stereokompaktanlagen, Plattenspieler, Radios, Kaffeemühlen, Zitronenpressen, Feuerzeuge, Kameras und Radios laben und finden zudem die zugehörigen Werbemittel und Fotografien sowie eine umfangreiche Bibliothek.
Dieter Rams’ Credo knüpfte an den Funktionalismus des Bauhauses an. Der Gestalter war 1955 zu Braun gestoßen und sollte als Chefdesigner bis 1995 die ästhetische Ausrichtung der Marke aus dem hessischen Städtchen Kronberg prägen.
Doch zurück zu Apple. Chefdesigner Jonathan Ive, bekanntermaßen ein glühender Rams-Fan, ließ sich von einem BRAUN-Produkt – dem Taschenradio „T2“ aus 1958 – zum ersten iPod inspirieren.
Über die gesamte Produktpalette sind formale Parallelen zwischen BRAUN und Apple – von der Farb- und Formgebung bis hin zur intuitiven Bedienbarkeit – unübersehbar. Auch in Sachen Firmenkultur und wirtschaftlich-kulturellem Setting zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Firmen: Braun,1921 in Frankfurt am Main und die 1976 im kalifornischen Silicon Valley gegründete Firma Apple verdankten Wachstumsbedingungen und Innovationsfreude einem kulturellen Klima, das nach einem Ausbruch aus tradierten Strukturen strebte.
1951 hatten die Söhne des Gründers, Arthur und Erwin Braun in der eher konventionell produzierenden Firma Braun das Ruder übernommen. Sie optimierten die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen und auch an einem angenehmen Betriebsklima war ihm gelegen. Nach Feierabend, so entnahm ich einem Artikel des Tagesspiegels, saß man angeblich noch im Büro und hörte Jazzplatten um sich auf den kommenden Arbeitstag einzugrooven. Diese, noch unschuldige Betriebskultur kündete schon von der Zwanglosigkeit in zeitgenössischen Start-Ups und den mit Hippie-Chic verbrämten neoliberalen Optimierungsansätzen in jungen kalifornischen Unternehmen.
Das Ende kam zu schnell. Nachdem Gillette die Aktienmehrheit der Marke BRAUN 1967 erworben hatte und ab 1995 fast nur noch Rasierer produziert wurden, glitt die Gestaltung ins Beliebige ab. Das Gute daran: BRAUN-Produkte wurden zu gefragten Collector’s Items für Sammler wie zum Beispiel Werner Ettel.
“Seit 2012 bin ich pensioniert und spiele jetzt Direktor in meiner Sammlung. Das Interesse an Design hat mit meiner Lehrerbiografie zu tun, wir mussten laut Curriculum in der Oberstufe etwas zum Thema Design unterrichten. Vom Studium her hatte auch ich keine Ahnung, sodass ich mich Ende der 70er Jahre mit Hilfe des Berliner IDZ mit Design beschäftigte und feststellen durfte, welch schöne und ästhetisch perfekte Produkte hergestellt werden und dabei kam ich natürlich auf Braun. 1992 beschloss ich, eine wissenschaftlich fundierte Sammlung aufzubauen, an der ich jetzt noch arbeite.”
Ihre Sammlung gilt international als sehr gut sortiert. Gibt es trotzdem noch Objekte der Begierde?
“Die Frage erscheint mir ein bisschen übertrieben, allein Begierden sind erfüllt bzw. erloschen. Was noch fehlt, ist eine ELA Anlage und z.B. der Kopfhörer zum T1000.”
Konnte Industrie-Design die Welt besser machen?
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Produktdesigns angesichts der dank Digitalisierung und immer tieferer Integration immer nackteren Oberflächen?
“Gutes Design macht die Welt erträglicher und lebenswerter. Gutes Design wird es immer geben und gibt es meines Erachtens auch heute noch. An Fernsehgeräten lässt sich natürlich kaum mehr viel an Design gestalten.”
Sie beobachten doch bestimmt den ‘Markt’. Lebt die Gestaltungssprache von Dieter Rams noch in anderen als den Apple-Produkten weiter?
“Für Marktbeobachtung fehlen mir die Zeit und auch die professionelle Ausbildung. Ich sehe die Braun-Designphilosophie in Ansätzen in etlichen deutschen und vor allen japanischen Produkten.”
Wer besucht Ihr Museum? Gibt es einen typischen Besucher?
Wie war der Besuch Ihrer Dieter Rams-Retrospektive?
“Mein Museum besuchen Menschen von 20 bis 90. Die Jüngeren wegen Apple, dessen geistige Ursprünge sie kennen lernen wollen. Das „Mittelalter“ kennt Braungeräte aus dem familiären Umfeld und sieht hier eine Spiegelung der Familiengeschichte. Die „Alten“ hatten die Braunprodukte temporär erworben, sie gebraucht (oft lebenslang) und vermissen augenblicklich Gleichwertiges im Angebot.”
Was ist Ihr Lieblingsgerät und warum?
“Eine Reihe von Geräten mag ich mehr als andere. Einige gefallen mir nach intensiver Beschäftigung immer besser. Das sind nicht nur Phonogeräte, sondern auch z.B. Küchengeräte.”
Man liest nur selten von Rams Kollegen Gugelot und Herbert Hirche. Wie kommt’s?
“Man muss nur Bücher lesen und zwar die richtigen. Zeitungsartikel sind zwar manchmal äußerst geistreich, aber oft nicht allzu sehr fundiert.”
Werden Sie als Museum vom Land von Berlin unterstützt?
“Nein.”
Kennen Sie Gary Hustwit, den Independent-Filmemacher/ Photographen aus New York und dessen Crowdsourcing-Projekt einer Dieter Rams-Dokumentation? Das Release ist für Ende 2017 geplant.
“Ja, und bei der Premiere in Berlin werde ich dabei sein.”
Danke Herr Ettel, dass Sie Zeit für uns hatten.
Mit Werner Ettel sprach DESIGNBOTE Redakteur Wolfgang Linneweber.
Braun-Sammlung Ettel, Museum für Design
Elberfelder Straße 37
10555 Berlin /U-Bahnhof Turmstrasse (U9)
Tel. +49 30 33776387
info@braundesignsammlung.de
http://www.braundesignsammlung.de
https://www.facebook.com/BraunDesignSammlung/
https://www.facebook.com/dieterramsexposition/
http://www.braundesignfreunde-ev.de/
http://www.welt-der-alten-radios.de/geschichte-see-129.html
Sonderausstellung: Kompaktanlagen im Vergleich
von 16.10.2017 bis 15.01.2018
So und Mo 11-17 Uhr
Führung Mo 14 Uhr sowie nach Vereinbarung
Kickstarter-Kampagne für eine filmische Rams-Dokumentation:
https://www.kickstarter.com/projects/1019019367/rams-the-first-feature-documentary-about-dieter-rams
Literaturtipps:
http://www.sammlung-design.de/literatur/
http://www.design-und-design.de/Top-Bestell-Frame.htm
Klaus Klemp: Design in Frankfurt 1920–1990
Hg. Matthias Wagner K für das Museum Angewandte Kunst Frankfurt a.M., Stuttgart, av edition, 2014
1 Kommentare
M. Kandziora
Es ist doch immer wieder schön solche Sammlungen zu sehen.