KI-Design – Macht Künstliche Intelligenz den Kreativen überflüssig? Zumindest vorläufig, eher nicht – dennoch lässt sich mithilfe von Machine Learning, Big Data oder generativen Algorithmen ‘neues’ schaffen, das sich vielerorts nützlich machen und bisweilen sogar ästhetisch befriedigen kann. Totalitäre Staaten indes nutzen KI zur totalen Kontrolle.
KI: längst allgegenwärtig im ‘System’.
Dank grundstürzender technologischer Entwicklungen hat die IT Unschuld verloren, die sie wahrscheinlich nie hatte. Die Informationstechnologie greift nämlich aus einer zuvor relativ hermetischen digitalen Sphäre nach unser aller beruflichem, privatem und staatsbürgerlichen Leben. Diese Durchdringung wurde inzwischen zu einem essentiellen Element der lebenswichtigen Systeme wie der Versorgung z.B. mit Trinkwasser und Strom, Währungen und Finanzen wie auch von politischem Diskurs und demokratischer Willensbildung.
Alltagsdinge, wie zum Beispiel unsere Kleidung liefern wertvolle Daten, die von anonymen Interessenten intransparent genutzt und ausgewertet werden können. Maschinen entscheiden schon seit längerem auf Schlachtfeldern und bei Einsätzen von Ordnungskräften über Leben und Tod. Dass die Künstliche Intelligenz schon bald den Menschen dominieren werde, davon sind Singularitäts-Propheten wie Ray Kurzweil überzeugt. Der US-Forscher schluckt angeblich tagtäglich Unmengen von Nahrungsergänzungspillen, um möglichst so alt zu werden, dass er den Tag X noch erlebt, an dem er seinen Geist in eine Maschine verpflanzen kann, um so unsterblich zu werden.
‘Neue’ Kunst dank Big Data
Forscher der niederländischen Universität Delft haben schon 2016 346 Rembrandt-Gemälde mittels 3D-Scans digitalisiert. Anschließend wurden die Daten einem „Deep-Learning“-Algorithmus anvertraut. Die Aufgabe: schaffe aus dem Datenfutter einen „weißen, mittelalten Mann mit Gesichtsbehaarung“ „schwarzer Kleidung, mit weißer Halskrause und Hut“. Dazu musste ein Algorithmus auch winzigste Details der echten Rembrandts registrieren und zueinander in Beziehung setzen. Duktus, Farbauftrag, Grundierung, Reflexe, Farbpalette u.v.m. Aus 148 Millionen Pixeln und 150 Gigabyte Daten entstand schließlich das ‘neue’ digitale Bild ‘The Next Rembrandt’, ein Porträt, das von einem 3D-Drucker ausgedruckt wurde. Die digitale Nachschöpfung des niederländischen Meisters aus dem 17. Jahrhundert, wirkte derartig ‘echt’, dass sogar Experten es für ein bis dato noch unentdecktes Gemälde von Rembrandt hielten.
Aber kann man deshalb schon von digitaler ‘Kunst’ sprechen? Ist das Bild wirklich ein Produkt von ‘Kreativität? Im Grund genommen handelt es sich bei diesem KI-Produkt um digital remixte Werke des Alten Meisters und kein genuin von Grund auf neu geschaffenes Bild.
KI-Design und die neue Rolle des Designers
Zweifellos hat KI das Potenzial, um schöpferische Prozesse im Design, vielleicht auch in der Kunst, zu revolutionieren. Denn, wo immer ein Algorithmus entwirft, komponiert oder Text kreativ formuliert, verändert er die Rolle kreativer Berufe. In einem Artikel im Digital-Magazin t3n rät der Berliner Designer Andreas Läufer in Sachen KI-Design zur Gelassenheit „Warum freuen wir uns nicht über die Zeit, die wir dank Programmen wie der 3D-Software Dreamcatcher gewinnen? Macht es am Ende nicht viel mehr Spaß, Konzepte zu entwickeln, die Emotionen auslösen, statt 50 Schriftarten durchzuprobieren?“ Und glaubt man dem Apple-Boss Tim Cook, dann wird KI-Design es den Kreativen erleichtern, sich auf ihre Kernaufgaben zu fokussieren.
Bionics meet Algorithms
Im Produktdesign von u.a. Möbel, Fahrzeuge oder auch Drohnen wird längst mit KI- Unterstützung gearbeitet. Unter dem Buzzword „Generative Design“ entwickeln Designer und Ingenieure mithilfe von fleißigen KI-Algorithmen und datenmächtigem Cloud-Computing in no time schier endlos viele Alternativlösungen für komplexe Problemstellungen.
Bei Airbus kommt generatives KI-Design zum Einsatz, wenn es darum geht, eine Kabinen-Trennwand für den A320 zu entwickeln. Nachdem die Abmessungen und Lastvorgaben eingegeben wurden, entstehen mittels intelligenter Software machbare Design-Optionen. Dazu prüft das generative System endlose Variationen und Materialkombinationen durch, die von Menschenhand in einem Leben nicht zu schaffen gewesen wären. Mit fortschreitender Tätigkeit, sozusagen ‘on the Job’, wird der Algorithmus smarter und erkennt immer schneller die technische Machbarkeit, ja sogar die Kosteneffizienz der entwickelten Varianten. Das Resultat war eine um 45% leichtere Trennwand, die aber ebenso stabil wie ihre konventionelle Vorgängerin war. Damit hilft KI-Design, Kerosin einzusparen und damit weniger Schadstoffe in die Atmosphäre auszubringen.
Generative Gestaltung von Automobilen
Generatives Design macht sich inzwischen auch im Automobil- und Industriedesign nützlich. Die BMW-Tochter Designworks nutzt es bei der integrierten Konstruktion und Formgebung von Felgen und Sitzen. Dazu wird ein lernfähiges Programm mit technischen und Gestaltungsparametern gefüttert, und erarbeitet auf dieser Datenbasis eine Vielzahl von Alternativlösungen.
Doch ist dies alles schon wirkliche Kreativität? „KI hilft uns in diesem Fall eher bei der Effizienz als der Entwicklung vollkommen neuer Designs“, so ist auf der Website der BMW-Entwicklungsfirma zu lesen. Der Designer würde zwar zum Dirigenten, gäbe aber die Richtungen vor, und träfe die Entscheidungen. (Quelle: Designworks)
Hier drängt sich der Eindruck auf, dass Künstliche Intelligenz dem schöpferisch tätigen Menschen zwar eine Menge Fleißarbeit abnehmen, ihn aber als Spritus Rector noch nicht völlig und gleichwertig ersetzen kann.
Totale staatliche Kontrolle – KI als Spitzel
China ist fest entschlossen, in der Erforschung und im Einsatz von künstlicher Intelligenz weltweit die Führung zu übernehmen. Intelligente, selbstlernende Technologie hilft schon längst dabei, ein Punktesystem zu unterstützen, welches das soziale Verhalten eines jeden der knapp 1,4 Milliarden chinesischen Staatsbürger zu bewerten. Im ganzen chinesischen Riesenreich wurde dazu ein digitales Überwachungssystem installiert, das enorme Echtzeitdaten über schlichtweg jeden Menschen im Lande einsammelt, intelligent mit anderen Datensammlungen verknüpft und nie mehr vergisst. Standorte, Bewegungsmuster, Shoppingverhalten, Angewohnheiten, Informationen von Behörden, Mobilfunkdaten, Selfies und Bilder aus Überwachungskameras erlauben die lückenlose Überwachung und das Tracking von Pendlern, Spaziergängern, Reisenden, Handy- und Internetnutzern und kalkuliert ganz kühl mithilfe von Künstlicher Intelligenz wie systemkonform sich die Staatsbürger verhalten. Bei Fehlverhalten, wie zum Beispiel in Sozialen Medien geäußerter Kritik am System, folgen unweigerlich Strafen: So wurden wegen zu geringem Sozialkredit 2018 angeblich 17,5 Millionen Anfragen nach Flugtickets und 5,5 Millionen Mal Bahnfahrkarten nicht bewilligt. (Quelle: Die Welt)
Glaubt man den Umfragen, so findet die Mehrheit der Chinesen dieses System übrigens völlig okay.
Doch nicht nur im Inland, auch global will China dominieren und KI-gestützt die mächtigste Nation werden. Schon 2016 hatte die chinesische Regierung unter von Staatspräsident Xi Jinping deshalb ein Programm verabschiedet, bei dem KI den Ton und die Richtung vorgibt.
Von US-Software im GO geschlagen – Chinas „Sputnik-Moment“ Mit diesem spektakulären Schritt reagierte das Reich der Mitte auf ein von Google finanzierte Software, gegen die ein junger Crack des chinesischen Nationalspiels ‘Go’ nicht gewinnen konnte. Der chinesische Großinvestor Kai Fu Lee nannte dieses Fiasko einen Chinas „Sputnik-Moment“: Die Schmach, im identitätsstiftenden Go von einer US-Software, zudem noch aus dem Google-Stall, geschlagen worden zu sein, konnte nur so beantwortet werden.
In Europa wird KI kritisch gesehen
Forscher sind der Ansicht, dass sich die Voreingenommenheit von Algorithmen, der ‘Algorithmic Bias’ – in Form von Diskriminierung und der Rassismus – zu einem gravierenden gesellschaftlichen Problem entwickeln könnte. Stichwort: ‘Racial Profiling’: Niemand soll schließlich nur aufgrund seiner Hautfarbe als potenzieller Straftäter identifiziert werden dürfen.
Wohl auch vor diesem Hintergrund befindet der Europarat, dass KI-Entwickler neben den Konsequenzen für individuelle Rechte auch Gefahren für die Gesellschaft berücksichtigen sollten. Gemäß den neuen Empfehlungen des Vertragskomitees der Datenschutzkonvention des Europarats ist Prinzip “Human Rights by Design” zu berücksichtigen. Unterzeichnet wurde diese Datenschutzkonvention von den 47 Mitgliedsstaaten des Europarates sowie neun Nicht-Mitgliedern.
Fazit
Künstliche Intelligenz verdrängt nicht etwa den Gestalter und Ingenieure (wer weiß, vielleicht auch Mediziner und Philosophen), sondern verändert zunächst mal ‘nur’ deren Rollen und Arbeitsweisen. Die menschlichen Anwender von bienenfleißiger, smartem KI-Design können sich ggf. noch intensiver auf die Kernkompetenzen fokussieren, die – vorläufig – noch nicht von digitalem Hirnschmalz bewältigt werden können und dies mit Emotionen und Kreativität. Damit können die gefühlsbegabten menschlichen Anwender mittels KI sehr originelle Lösungen, in großem Variantenreichtum finden, die dem bis dato Bekannten und Machbaren in vielerlei Hinsicht überlegen sein könnten. Damit wäre die Angst vor einer Dominanz Künstlicher Intelligenz – wenn man mal von den Möglichkeiten totaler staatlicher Kontrolle absieht – zumindest vorerst noch zu relativieren.
Stock Photos:
Titel: Phonlamai Photo / Shutterstock.com
Generative Design: Andrey Suslov / Shutterstock.com
Smart Speaker: Andrey Suslov / Shutterstock.com
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