Negativ-Preis Plagiarius rückt geistigen Diebstahl ins öffentliche Licht.
Dem chinesischen Philosophen Konfuzius schreibt man das Zitat zu: “Wer große Meister kopiert, erweist ihnen Ehre.” Leider ist dieser Spruch für viele, vor allem chinesische Produzenten, zugleich Leitbild für illegales unternehmerisches Handeln.
Beim schmutzigen Geschäft mit Plagiaten und Fälschungen reicht die Front der Übeltäter vom ideenlosen Wettbewerber über ruchlose Händler bis hin zur organisierten Kriminalität. Internethandel und digitale Kommunikation, arglose Onlineshopper und milde Strafen begünstigen das Geschäft. Da sind intensive Aufklärung der Konsumenten und härteres Vorgehen gegen Produzenten und Händler von Plagiaten wichtiger denn je, auch weil es gilt die Konsumenten vor Schaden zu bewahren.
Der vor 42 Jahren vom Designer Prof. Rido Busse ins Leben gerufene Negativ-Preis „Plagiarius“ wurde am 9. Februar 2018 auf der Frankfurter Konsumgütermesse „Ambiente“ im Rahmen einer Pressekonferenz verliehen. Schon seit 1977 ‘ehrt’ die Aktion Plagiarius e.V. mit dem Preis Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen. Der Verein will damit Industrie, Politik und Verbraucher für die Plagiatproblematik sensibilisieren und der Öffentlichkeit die skrupellosen Praktiken von Produkt- und Markenpiraten bewusst machen. Doch auch die Wahrnehmung für Bedeutung und Wirksamkeit gewerblicher Schutzrechte soll gesteigert und die Wertschätzung für kreative Leistungen soll geschärft werden. Die Aktion Plagiarius will Unternehmern und Konsumenten die Einzigartigkeit des Originals deutlich machen und demonstrieren, wie viel Zeit, Geld und Innovationskraft die Entwicklung eines Produktes von der Idee bis zur Marktreife kostet. Die Trophäe, ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, steht symbolisch für den unredlichen Reibach, den die einfallslosen Trittbrettfahrer zu Lasten der deutschen Industrie ergaunern.
1:1 Nachahmungen: Plump, einfallslos und unmoralisch
Die Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ bedeutet nicht, dass eine Produktkopie juristisch rechtswidrig ist. Die Aktion Plagiarius spricht kein Recht, will aber auf Unrecht aufmerksam machen. Vor dem Spruch der alljährlich wechselnden Jury werden potenzielle Plagiatoren über eine mögliche Nominierung informiert und können Stellung nehmen. Eventuelle Reaktionen fließen ggf. mit in die Bewertung ein. So manche Nachahmer haben schon aus Furcht vor dem Zwerg mit der güldenen Nase die Einigung mit dem Originalhersteller gesucht, Plagiate vom Markt genommen, Unterlassungserklärungen unterschrieben oder Lieferanten preisgegeben.
Produkt- und Markenpiraterie – keine Kavaliersdelikte
Allein 2016 haben die EU-Zollbehörden mehr als 41 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 670 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt. (Quelle: EU-Kommission) China ist zwar einerseits Herkunftsland Nr. 1 für Fälschungen, gleichzeitig entwickeln sich aber immer mehr chinesische Firmen zu ernsthaften Mitbewerbern auf den Weltmärkten. In Auftrag gegeben bzw. vertrieben werden Nachahmungen häufig in Industrieländern, z.B. von einfallslosen Mitbewerbern oder Ex-Produktions- bzw. Vertriebspartnern. Für eine bestmögliche Abwehr setzt die Aktion Plagiarius deshalb auf einen Strategiemix aus juristischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen.
Nachgemachte Waren gibt es in allen Preis- und Qualitätsabstufungen, von gefährlichen Billigfälschungen bis hin zu qualitativ hochwertigen Plagiaten, kaum günstiger als das Originalprodukt. Die Beispiele umfassen Parfums und Kosmetika, minderwertige Unterhaltungselektronik, gepanschte Lebensmittel, kopierte Schneid- und Haushaltswaren, Sanitärprodukte, Spielzeug, Werkzeug, gefährliche Motorsägen und Autofelgen, fehldosierte Medikamente und sogar funktionsunfähige Medizintechnik.
Organisierte Kriminalität dealt mit Markenfälschungen
Begünstigt durch Internet, Globalisierung und digitale Kommunikation agieren globale kriminelle Netzwerke projektbezogen, flexibel und professionell. Um das Verfolgungsrisiko zu minimieren und Gewinne zu maximieren integrieren sie risikoärmere, aber dennoch lukrative Aktivitäten wie Zigarettenschmuggel und Markenpiraterie und nutzen dabei bereits etablierte Strukturen von Drogen-, Waffen und Menschenhandel. Für den weltweiten Absatz setzen die Finstermänner auf Internet, Social Media, Smartphones.
Online-Marktplätze müssen zum Kampf gegen illegale Waren gesetzlich verpflichtet werden
Leider werden auf den weltweiten eCommerce-Plattformen auch massenweise illegale Plagiate und Fälschungen angeboten. Drittanbieter wechseln dazu je nach Bedarf ihre ‘Identitäten’ und tarnen sich in der Anonymität des Internets. Die Praxis zeigt leider, dass freiwillige Verpflichtungen und vollmundige Versprechen der Plattformbetreiber zur stärkeren Bekämpfung des Problems nicht ausreichen. Technisch wäre das aktive Aufspüren und Löschen von potentiell rechtswidrigen Angeboten zwar möglich, würde aber zusätzliche Kosten verursachen und den Gewinn schmälern. Es wäre deshalb sinnvoll, die Marktplatzbetreiber gesetzlich zu mehr Verantwortung und Engagement zu verpflichten.
Zweierlei Maß: Faire Arbeitsbedingungen für Verbraucher nur beim Original
Die Konsumenten wünschen in immer kürzeren Intervallen neue Produkte von höchster Qualität und in attraktivem Design. Für die Entwicklung sind neben Know-how und Erfahrung auch Talent, Kreativität, Mut und Unternehmergeist, Durchhaltevermögen und Leidenschaft gefragt. Diese Eigenschaften fehlen den Plagiatoren. Sie kopieren eiskalt ein fertiges Produkt, sparen sich die zeit- und kostenintensive Entwicklung und dafür nötigen Investitionen, schmücken sich skrupellos mit fremden Federn und produzieren überwiegend unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Wer bewusst gefälschte Produkte erwirbt, erliegt der Illusion, dass ein Plagiat das gleiche Markenerlebnis verschafft wie das begehrte Markenprodukt. Doch weder hat die plumpe Fälschung die Aura des Originals noch löst sie das Markenversprechen ein. Gleiches Design bedeutet eben nicht auch gleiche Qualität, Funktionalität, Präzision und Sicherheit.
Original und Plagiat: Ähnlich nur auf den ersten Blick
Jeder Verbraucher sollte sich, so die Veranstalter, statt für Ramsch mit dem Label von Kriminellen, lieber für die unglaubliche Vielfalt legaler Produkte entscheiden und diese wertschätzen. Besonders beim Internetshopping sollte man genau hinsehen, auf den gesunden Menschenverstand hören und nicht voreilig und kritiklos auf „buy“ klicken. Auch lohnt es sich, Impressum, Zahlungsbedingungen, Widerrufmöglichkeiten unter die Lupe zu nehmen, denn hochwertige Marken gibt es nun mal nicht für ‘Noppes’.
Die zweifelhaften ‘Preisträger’ des Plagiarius-Wettbewerbs 2018
Die Jury vergab am 13. Januar 2018 drei Hauptpreise und ‘ehrte’ sieben weitere Produkte aus insgesamt 24 Einsendungen:
1. Preis
Küchen-Schneidgerät „Nicer Dicer Plus“
Original: Genius GmbH, Limburg, Deutschland
Fälschung: Pingyang County Leyi Gift Co., Ltd., Zhejiang, VR China
Der Fälscher kopiert unzählige Genius-Produkte – jeweils inkl. der Marke „Genius“ und dem jeweiligen Produktnamen – und bewirbt diese Online, auf Messen, auf Märkten und per Katalog. Die Schneidklingen der Fälschung sind stumpf und brechen leicht, der verwendete Kunststoff enthält gesundheitsschädliche Substanzen.
2. Preis
Aufblasbarer Wasserpark „Wibit Sports Park XL“
Original: Wibit Sports GmbH, Bocholt, Deutschland
Plagiat: Sunny Kingdom, VR China
Der Nachahmer kopiert das Produkt, d.h. den kompletten Sports Park mit allen Details (inkl. Rettungswesten) und benutzt die Original „Wibit-Hand“-Bildmarke. Zudem hat er Konzept und Musik vom Original Wibit-Werbevideo übernommen.
3. Preis
Rutscher „PUKY Racer“
Original: PUKY GmbH & Co. KG, Wülfrath, Deutschland
Plagiat: Hersteller: Xingtai Kurbao Toys Co., Ltd., Hebei, VR China
Vertrieb: Online, u.a. über alibaba.com
Design und Technik wurden 1:1 vom Original übernommen. Die billigen Materialen (Gehäuse, Räder, Lenkrad) und schlechte Verarbeitung (Oberflächen) spiegeln die minderwertige Qualität wider.
Weitere „Auszeichnungen“ wurden verliehen:
Rahmenprofil „e-X 14”
Original: inditec GmbH, Bad Camberg, Deutschland
Plagiat: Herstellung / Vertrieb: raminkus Inh. Guido Minkus, Lindlar, Deutschland
Vertrieb: Karthäuser-Breuer GmbH, Köln, Deutschland
Ursprünglich hat Karthäuser-Breuer die Original-Rahmenprofile von inditec vertrieben; seit Mitte 2017 stellt die Einzelfirma raminkus optisch identische Rahmenprofile her und vertreibt diese selbst sowie über Karthäuser-Breuer.
Vorratsdose „Hot Stuff“
Original: Koziol ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland
Plagiat: Vertrieb: Glocalize SPA, Santiago, Chile
Produktdesign, Produktname, Werbe-Banderole sowie Koziol-Schrifttypo wurden 1:1 kopiert; lediglich der Firmenname „Koziol“ wurde nicht übernommen.
Käsereibe „Kasimir“
Original: Koziol ideas for friends GmbH, Erbach, Deutschland
Plagiat: Vertrieb über ein spanisches Warenhaus / Geschenkeläden mit Onlineshop
Seit Jahren werden unterschiedlichste Plagiate des Koziol-Bestsellers „Kasimir“ vertrieben (Asien, Spanien, Türkei). Jetzt wurden auch das Top-Schild inkl. Foto und die Gummibefestigung kopiert. Der spanische Distributor hat die Plagiate aus Läden und Internet entfernt und eine Unterlassungserklärung unterschrieben.
Silikonförmchen „Amorini“
Original: SILIKOMART S.r.l., Mellaredo di Pianiga, Italien
Plagiat: Vertrieb: Ningbo Globalway Industry & Trade Co., Ltd., Ningbo, VR China
Das Produktdesign ist 1:1 kopiert. Verpackungsdesign und der Name “Siliko” sind ebenfalls nahezu identisch und damit irreführend.
Schaltschrank-Heizgerät „CS 06020.0-00“, Heizleistung 150 W
Original: STEGO-Holding GmbH, Schwäbisch Hall, Deutschland
Plagiat: Wenzhou Natural Automation Equipment Co., Ltd., Zhejiang, VR China
Das Produktdesign, welches nicht technisch bedingt ist, wurde 1:1 kopiert, ebenso wurden STEGOArtikel-Nr., STEGO-Zertifikate sowie die Bedienungsanleitung übernommen, so dass irreführende Verwechslungen unausweichlich sind. Qualität und Leistungsstärke sind geringer als beim Original. Essentielle Sicherheitsstandards der Elektroindustrie werden durch die Kopie verletzt.
Schweizer Taschenmesser „SwissChamp“ (33 Funktionen)
Original: Victorinox AG, Ibach-Schwyz, Schweiz
Fälschung: Vertrieb über das Internet
Die Identitäten der Online-Händler sind schwer zu ermitteln, eine Verfolgung oft schwierig. Das Victorinox-Markenzeichen (Kreuz und Schild) verführt zum Kauf. Das mit der Originalmarke einhergehende Qualitätsversprechen wird aber von den extrem billigen Fälschungen nicht gehalten (stumpfe Messer, nicht funktionierende Lupe etc.).
Die Jury des Plagiarius-Wettbewerbs 2018:
Dr. Stefanie Dathe, Direktorin Museum Ulm
Ulrike Freund, Geschäftsführende Gesellschafterin Brauerei Gold Ochsen GmbH, Ulm
Katja Häußer, Geschäftsführerin Scratch Advanced Advertising GmbH, München
Harald John, Leiter Lokalredaktion / Mitglied Chefredaktion der Südwest Presse, Ulm
Stefan Reichmann, Geschäftsführer Reichmann & Sohn GmbH, Weißenhorn
Max Ruhdorfer, Albert Ziegler GmbH, Direktor Ziegler Gruppe, Produkt Strategie, Design und Innovation, Giengen a. d. Brenz
Harald Schultes, Geschäftsführer FoodVision Deutschland GmbH / Geschäftsführer Initiative LifeCare, München
Tim von Winning, Bürgermeister der Stadt Ulm, Fachbereich Stadtentwicklung, Bau und Umwelt
Prof. Dr.-Ing. Michael Weber, Präsident der Universität Ulm
Ausstellung in Solingen
Die Plagiarius-Preisträger 2017 und 2018 wurden im Rahmen der Sonderschau „Plagiarius” vom 09. – 13. Februar 2018 im Foyer 5.1 / 6.1 ausgestellt.
Plagiarius-Preisträger 2018 ab 16. Februar im Museum Plagiarius in Solingen
Das Museum Plagiarius präsentiert die Sammlung der Plagiarius-Preisträger von 1977 bis heute. Die Ausstellung umfasst mittlerweile mehr als 350 Produkte der unterschiedlichsten Branchen und zeigt Originale und Plagiate im Vergleich.
Vom Zoll beschlagnahmte Fälschungen ergänzen die Sammlung
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