Homeoffice, Remote Work und dezentrales Arbeiten sind zwar in der Designbranche keine Seltenheit mehr, doch scheuen sich viele Agenturen noch vor den Herausforderungen, die diese mit sich bringen. Wie komme ich an meine Daten? Wie kann ich mich mit meinen Kollegen verständigen? Finde ich in meiner Wohnung überhaupt die nötige Konzentration? Aufgrund der aktuellen Corona-Krise haben viele Agenturen nun sehr kurzfristig auf Homeoffice umgestellt. Diese Maßnahme ist in dieser Situation natürlich vollkommen richtig, jedoch wurden viele Mitarbeiter ins kalte Wasser geworfen und mussten sich erstmal zurecht finden und organisieren. Da ich auch persönlich mit diesen neuen Herausforderungen konfrontiert bin, habe ich beschlossen, mir Rat bei den TypeMates einzuholen. Die TypeMates arbeiten gemeinsam von drei unterschiedlichen Standorten aus. Seit ihrer Gründung vor etwa vier Jahren, gehört Remote Work und dezentrales Arbeiten also längst zu ihrem Alltag.
DESIGNBOTE Redakteur Julien Fincker sprach mit den TypeMates:
Liebe TypeMates, Ihr arbeitet als Dreiergespann von unterschiedlichen Standorten aus zusammen. Von Kiel, über Hamburg bis nach München habt Ihr wohl den längsten Schreibtisch Deutschlands. Viele fragen sich sicher, wie man das im Alltag bewerkstelligen kann. Strukturell sicher sehr herausfordernd, doch das dezentrale Arbeiten ist für Euch bereits Alltag. Welche Herausforderungen hattet Ihr zu Beginn zu meistern? Und wie seid Ihr damit umgegangen?
Nils: Bei uns ist es eher anders rum, wir mussten uns umstellen zusammen zu arbeiten und da Strukturen zu entwickeln. Ich selbst habe mit meiner Selbstständigkeit anfangs nur von Zuhause gearbeitet. Mit der Gründung von TypeMates und der Zusammenarbeit mit Jakob und Lisa haben wir uns erst einmal daran gewöhnen müssen uns abzusprechen. Klar kannte ich den klassischen Arbeitsalltag aus der Agentur, aber da waren Strukturen vorgegeben. Bei Selbstständigen ist es zum Glück der Fall, dass man sehr strukturiert ist, sonst würde man den Schritt nicht gehen. Anfangs wurden natürlich viele Sachen per Telefon oder Skype abgesprochen. Mittlerweile sind über vier Jahre vergangen und unser liebstes Tool ist Slack, sowie Google Docs/Tabellen.
Lisa: Da ich später dazu gekommen bin, musste ich anfangs viel nachfragen, um zu sehen, gibt es dazu schon Strukturen, oder schaffen wir diese gerade neu. Dazu war regelmäßiges Telefonieren und die Erreichbarkeit der beiden anderen für mich essentiell. Sie waren sehr geduldig, und mittlerweile pendeln sich Abläufe schneller ein.
Habt Ihr feste Zeiten im Homeoffice, zu denen Ihr täglich zueinander findet? Kommuniziert Ihr per Telefon, Chat oder Videochat? Was hat sich für Euch am Besten bewährt?
Jakob: Wir telefonieren alle 1-2 Wochen. Am liebsten über Telefonkonferenz, weil leider das Netz für Video oft nicht stabil gut genug ist und ich finde, dass Kopfhörer und Telefon auch besser sind um einfach mal vor die Tür zu gehen, da wir ja schon genug am Rechner sitzen.
Hinzu kommt, dass jeder durch sein Homeoffice einen ganz eigenen Tagesrhythmus hat. Bedingt durch Kinder, Partner und Familie kann dieser ja auch recht spontan durcheinander geraten. Wie geht Ihr hier mit zeitlichen Differenzen um? Habt Ihr Eure Rhythmen aufeinander abgestimmt?
Nils: Grundsätzlich ist zu sagen, dass aktuell nur Jakob im Homeoffice arbeitet, Lisa arbeitet meist im BetaHaus in Hamburg und hin und wieder mal von zuhause. Ich habe auch einen Platz in einem Coworking Space, den ich täglich aufsuche. Da wir alle Strukturen wichtig finden, arbeiten wir auch alle fast zeitgleich zwischen 8 bis 19 Uhr. Familiär bedingt haben wir eingesehen, dass der Feierabend auch frei sein sollte.
Durch die aktuelle Corona Situation, bin ich im Homeoffice und nicht im Coworking Space. Und das stellt sich wirklich als Herausforderung dar. In einer kleinen Wohnung mit 2 Zimmern und dazu einem Kleinkind, welches ziemlichen Bewegungsdrang hat und dazu gern die Aufmerksamkeit auf sich zieht, bleibt eigentlich nur das Schlafzimmer oder die Küche als Büro. Da scheint mir ein Arbeitszimmer mit verschlossener Tür eine sinnvolle Idee. In drei Wochen ist der Umzug in eine größere Wohnung, inkl. Arbeitszimmer!!!
Habt Ihr vielleicht auch so etwas wie feste Kernarbeitszeiten vereinbart?
Wir kommen alle aus der freiberuflichen Tätigkeit und haben uns als GbR zusammengeschlossen, um weiterhin frei zu sein. Wir haben gegenseitige Verantwortung und führen ein Zeitarbeitskonto. Allerdings ist jedem selbst überlassen wann und wieviel er arbeitet. Ein gewisses Maß haben wir festgelegt, was erreicht werden soll. Wir besprechen einmal im Monat wer Telefondienst hat und Emails beantwortet. Außerdem ist klar definiert, wer welche Aufgaben hat und gibt nur Bescheid, wenn Hilfe benötigt wird.
Im Homeoffice und remote lungern an jeder Ecke viele Möglichkeiten zur Ablenkung. Welche Tricks wendet Ihr an um diesen zu entgehen? Ist ein eigenes Büro-Zimmer für Euch enorm wichtig?
Nils: Ein fester Platz ist wichtig, um die Basis-Struktur zu haben. Ob ein eigenes Zimmer, oder im Coworking Space ist natürlich Geschmackssache. Ich glaube die Ablenkung ist auch Einstellungssache. Im Büro hat man die Kollegen und Sitznachbarn, dazu einen kleinen Small- oder Deeptalk an der Kaffeemaschine und zuhause gibt es immer was zu tun, zu helfen. Ich persönlich werde zuhause weniger abgelenkt, sofern mich kein Familienmitglied aus der Arbeit reißt. Im Coworking Space sitze ich, um mehr Kontakte und eine frische Abwechslung, neben der oft einsamen Arbeit als Schriftgestalter, zu haben.
Ich glaube der beste Trick ist, sich viele kleine Ziele zu setzen, sodass man eine Art To-do Liste hat, wo man oft durchstreichen kann. Das macht stolz und man sieht, wie weit das große Ziel noch weg ist.
Lisa: Wenn es klare Termine und Aufgaben gibt, ist es für mich egal wo ich sitze, dann ist die Konzentration da. In den freien Momenten in denen nicht alles ganz geregelt ist, hilft es mir eine Alltagsroutine im Coworking Space zu haben. Wenn um mich herum gearbeitet wird, motiviert es mich auch etwas zu tun.
Jakob: Es ist sicherlich auch Typfrage. Mich lenkt nichts ab, weil ich absolut Bock auf Schriftgestaltung habe, da lenkt mich eher das Räuspern der Sitznachbarn im Coworking Space ab.
Vor Kurzem habt Ihr die Halvar Schrift-Großfamilie veröffentlicht. Nun ist es ja schon herausfordernd, alleine den Überblick über eine solch umfangreiche Schriftfamilie zu behalten. Doch Ihr habt sogar bis zu Viert parallel daran gearbeitet. Wie habt Ihr hier den Überblick behalten können? Habt Ihr feste Aufgaben verteilt? Standet Ihr dabei in stetigem Kontakt zueinander?
Nils: Anfangs haben wir die Schrift jeden Monat zum Nächsten geschoben und jeder durfte seine Details optimieren. Ganz am Anfang hat einer die Kleinbuchstaben entwickelt, der Nächste die Versalien und dann hat der Nächste das was schon da ist wieder nach seinem Geschmack optimiert. Es gab immer ein Protokoll für den Nächsten, damit man weiß wo wieder etwas geändert wurde.
Lisa: Als der Stil dann gefunden war, und es mehr um die Umsetzung ging, haben wir an Halvar viel über unsere Abläufe gelernt: an welchen Schritten es sinnvoll ist eine Schrift-Datei zu übergeben und wann dann doch besser einer alleine etwas zu Ende bringt, bevor der Nächste weiter macht. Letztlich haben wir bei der Erstellung des „Halvar-Systems“ immer wieder Ausgangspunkte geschaffen, an den alle Drei auf dem gleichen Stand gebracht wurden, noch einverstanden mit Entscheidungen waren etc., um dann individuell an unterschiedlichen Ecken des Projektes weitermachen zu können.
Ganz wichtig ist hierbei natürlich auch der Zugang zu den Daten. Wie könnt Ihr bewerkstelligen, dass jeder auf die aktuellsten Daten zugreifen kann, oder auch nicht zwei Personen gleichzeitig an der gleichen Datei arbeiten?
Jakob: Hierzu gibt es es ja nun Cloud Speicher, die sich darum kümmern, dass alles immer wieder aktualisiert wird. Backups und Absprachen retten uns dann vor Katastrophen. Zusätzlich teilen wir sehr genau auf, wer für welche Projekte oder Aufgaben zuständig ist. So wird eine Datei nicht geöffnet, wenn der andere daran arbeitet – auch hier sind klare Meilensteine, wann ein Projekt übergeben werden kann, und “To-Do” und “Done” Listen wichtig.
Welche Tools nutzt Ihr und helfen Euch zu kommunizieren, Daten auszutauschen etc? Welche kleinen Alltagshelfer haben sich für Euch bewährt?
Slack, Google Drive/Docs/Tabellen, Telefonkonferenz.
Gibt es aus Eurer Sicht auch Nachteile des Homeoffice, des dezentralen Arbeitens? Fehlt Euch der persönliche Kontakt zueinander? Trefft Ihr Euch regelmäßig?
Nils: Wie man so schön sagt, es gibt immer Vorteile und Nachteile. Wir treffen uns zweimal im Jahr, da besprechen wir alles was wichtig und eventuell sensibel ist. Für manche Projekte wäre es sicherlich schön sich öfter zu sehen, aber wir teilen die Jobs durch die unterschiedlichen Standorte von Anfang an so auf, dass es Hauptverantwortliche gibt. Für uns ist das Ganze ein großer Vorteil, da wir sonst nicht als Firma zusammen arbeiten würden. Keiner wollte seinen Standort aufgeben, um TypeMates zu gründen. Wir haben dadurch volle Bewegungsfreiheit und Wohnort-Wahl. Auch haben wir uns mittlerweile so an die Kommunikation via Slack gewöhnt, dass man seltener zur gleichen Zeit am Rechner sein muss, da Gesagtes nun geschrieben wird und eben auch konzentriert später nochmals gelesen werden kann.
Lisa: Type Design ist schon ein guter Beruf, um ihn dezentral auszuüben. Im Projekt versunken braucht man oft nicht viel Input. Die Korrektur PDF’s kann dann jeder durchschauen, wenn die Zeit dafür gerade passt. Ich weiß nicht, ob es so digital auch in anderen Branchen möglich wäre. Wir sehen uns manchmal auch zusätzlich zu den TypeMates-Treffen auf Veranstaltungen/Konferenzen und dann ist es schön die anderen auch einfach mal privat zu treffen. Der Deeptalk an der Kaffeemaschine wird dann im persönlichen Kontakt doch eher aufgeholt, als über Chat oder Telefon.
Nachdem die Halvar, und vor Kurzem auch die Pensum Sans nun veröffentlicht wurden, auf was können wir uns als nächstes freuen? Gibt es ein neues Projekt, an dem Ihr gemeinsam arbeitet?
Gerade konzentriert sich jeder auf die nächste eigene Schrift, Nils hat immer was in der Schublade, Lisa bringt ihre Abschluss-Schrift aus Reading auf Vordermann und Jakob fokussiert sich auf das nächste übergeometrische Design. Aber eine Schrift zu dritt wird sicherlich wieder folgen, sobald wir mal wieder ein kollektives „Ja, den Style brauchen wir sofort!“-Gefühl haben.
Vielen Dank Euch für die tiefen Einblicke hinter die Kulissen und in Euren Alltag! Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf Eure nächsten Projekte.
Weitere Informationen zu den TypeMates findet Ihr hier.
Fotos: Timo Wilke (Teamportraits), TypeMates Archiv
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