Mit Design Consulting zum Erfolg – Für Unternehmen und Institutionen ist ein visueller Auftritt, der im Einklang mit den eigenen Werten steht, wichtiger denn je. Doch auch intern wächst die Bedeutung von Design – »Design Thinking« heißt das Stichwort, das längst in aller Munde ist. Viele Unternehmen beginnen, ihre alten Denkmuster zu überdenken. Sie geben alternativen, querdenkenden Methoden, wie denen der Designer, mehr Raum und Wertschätzung. Ein gesamtes Unternehmen in dieser Hinsicht neu aufzustellen, kann jedoch eine Herausforderung sein. Wie bringt man einem BWL-studierten und –denkenden Vorstand das Umdenken der Firmenphilosophie nahe? Bei welchen Abteilungen und Mitarbeitern setzt man an? Wie lassen sich Workshops am besten gestalten? Und zu welchem Zeitpunkt sollten sich Unternehmen Beratung zu Branding und Design ins Haus holen? Wir haben jemanden getroffen, der das wissen muss. Johannes López Ayala ist Branding- und Design-Consultant, führt Workshops durch und berät Unternehmen sowie Institutionen. Worauf es beim Design Consulting genau ankommt und vor welche Herausforderungen auch er gestellt wird, hat er uns ausführlich erzählt.

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Johannes López Ayala

Hallo Johannes, Du berätst Unternehmen bei Branding-, Design- und Design-Thinking-Fragen und führst auch Workshops mit ihnen durch. In welcher Ausgangssituation befinden sich die Unternehmen, wenn sie auf Dich zukommen?

Hallo Julien! Das stimmt, du nennst da gleich eine ganze Bandbreite von Themen, zu denen ich Auftraggeber berate. Meist entsteht der Beratungsbedarf aus solchen Fragen heraus: Wie sind wir gestalterisch aufgestellt? Treten wir zeitgemäß genug auf? Sprechen wir dieselbe Sprache wie unsere Kunden? Kommt das, was wir vermitteln wollen, auch bei unseren Zielgruppen an? Hat sich zwischenzeitlich etwas an unserem Selbstverständnis geändert, während die Methoden unserer visuellen und verbalen Kommunikation gleich geblieben sind – oder vielleicht umgekehrt?

Manchmal geht es schon um konkretere Anliegen, zum Beispiel: Was taugt unser 20 Jahre altes Erscheinungsbild heute noch, wo wir doch inzwischen ganz andere Märkte bedienen? Wie sorgen wir dafür, dass unser neues Produkt schon vom Entwicklungsbeginn an zur Design-Identität des Unternehmens passt?

Diese Fragenvielfalt ergibt sich aus völlig unterschiedlichen Ausgangslagen: Auftraggeber können zum Beispiel Unternehmen sein, die durch Zukäufe, Fusionen, Abspaltungen und andere Veränderungen einen betrieblichen Kurswechsel eingeschlagen haben. Für viele stellt sich dann die Frage, ob und wie sich so etwas in der Kommunikation und dem Auftritt des Unternehmens widerspiegeln sollte. Andere Kunden nehmen die Einführung einer neuen Marke, die Erschließung eines neuen Marktes oder einen Zielgruppenwechsel zum Anlass, um die eigene Unternehmensidentität und das daraus resultierende Erscheinungsbild auf den Prüfstand zu stellen. In solchen Fällen kann ich helfen.

Muss ein komplett neues Erscheinungsbild her oder reicht es, ein paar Stellschrauben am aktuellen zu drehen? Wenn es das Rebranding sein soll, wen beauftragen wir? Worauf müssen wir achten? Wie schaffen wir ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis? Das ist auch für Firmen interessant, die Designprojekte ausschreiben wollen oder müssen.

Aus welchen Bereichen kommen diese Unternehmen? Gibt es zum Beispiel auch Unterschiede beim Design Consulting, je nachdem ob Du ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen oder eine kulturelle Institution berätst?

Ich bin als Gestalter und als Berater sowohl in der Industrie als auch im Kulturbereich tätig. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen einem Automobilzulieferer und einem kleinen Kunstmuseum – das kannst du dir sicher vorstellen. Diese Unterschiede werden sich auch in den Ergebnissen und im Grunde schon in der Zielsetzung einer Beratung oder eines Workshops niederschlagen.

Was aber viel interessanter ist, ist das, was beide gemeinsam haben: sie müssen ein übergeordnetes Ziel und eigene Werte entwickeln. Nur dadurch können sie die Richtung angeben, in die sie sich bewegen. Und nur das kann die Basis für eine gelungene Marken- oder Unternehmensidentität, für ein starkes Design sein. Wer kein Ziel hat, kann schließlich auch niemals dort ankommen – und wer kein Bild eines Unternehmens im Kopf hat, kann dieses eben auch nicht in die Welt setzen. »Geld verdienen« ist in diesem Zusammenhang übrigens kein Ziel, sondern eine Methode. Deswegen unterscheidet sich in diesem Punkt eine öffentliche Institution auch gerade nicht von einem profitorientierten, etablierten Industrieunternehmen.

Hinter allen Entscheidungen, die getroffen wurden oder getroffen werden sollen, muss also das »Warum« gefunden werden. Der Autor und Unternehmensberater Simon Sinek hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, »Frag immer erst: warum«. Er vermerkt darin treffend: Menschen kaufen nicht das, was du tust, sondern sie kaufen, warum du es tust. Ein Lebensgefühl, eine Wertebasis, eine Identität. Und das gilt auch nach innen! Dein Team arbeitet mit dir nicht unbedingt wegen der Aufträge, die du bekommst – sondern wegen der Beweggründe, die dich dazu antreiben. Das bestätigen auch immer wieder Umfragen, in denen Arbeitnehmer die Kultur ihres Unternehmens für wichtiger befinden als ihre eigenen Aufgaben in diesem Unternehmen.

»Unsere Meinungen sind die Haut, in der wir gesehen werden wollen« – das stammt von Nietzsche. Es drückt ganz gut aus, worauf eine Branding- und CI-Beratung hinausläuft: die Meinungen und noch viel mehr die dahinter liegenden Werte sind untrennbar mit dem Unternehmenskörper verbunden und nach außen sichtbar wie eine Haut. Sie müssen jede Faser dieses Körpers durchtränken und können nicht austauschbar sein wie ein alter Mantel.

Grundsätzlich kann man sagen, dass sich eine designorientierte Unternehmensberatung teilweise mit anderen Beratungsarten überschneidet, wie Strategie- und Marketingberatungen. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass man Design nicht berechnen kann. Es gibt dazu zwar einige löbliche Ansätze der großen Unternehmensberatungen, aber um guter Gestaltung und Kommunikation den Weg zu bahnen und sie auf diesem Weg auch in die Tat umzusetzen, braucht es letztlich immer ein geschultes Auge und Erfahrung. Kein noch so prall mit Daten gefüttertes Dashboard kann das ersetzen, kein noch so gut gemeinter A/B-Test dir eine gestalterische Entscheidung abnehmen. Nicht auf absehbare Zeit.

Dass Design nicht gut in Zahlen auszudrücken ist, heißt jedoch nicht, dass es sich hier um eine »rein gefühlte« Sache handelt. Ein gutes Design ist immer logisch aus einer vorausgehenden Analyse hergeleitet. Gutes Design wirkt darum auch oft mühelos, wirkt selbstverständlich – so, als hätte es sich zwingend ergeben, als wäre es gar nicht anders möglich gewesen. Ein guter Designer kann diese Herleitungen natürlich intuitiv vollziehen, in kürzester Zeit. Das kommt mit der Erfahrung. Ein guter Berater hingegen muss vielmehr den Prozess dahinter nachvollziehbar machen und den Auftraggeber mit einbeziehen. Das dauert natürlich länger – aber das Ziel ist dabei ohnehin zunächst einmal ein anderes. Es geht um das Verständnis, auch das Selbstverständnis. Worum es noch nicht geht, ist das gestalterische Ergebnis, also Konzept und Entwurf.

An welchem Punkt würdest Du einem Unternehmen empfehlen, sich beratende Unterstützung zu diesen Themen einzuholen?

Bei Gründungen: von Anfang an! Noch immer kommt es vor, dass Gründer so vorgehen, dass eine Geschäftsidee in Prozesse umgesetzt wird und am Ende kommt ein Designer und malt das Ganze bunt. Diese Art von »aufgesetztem« Design wird dann allerdings auch genau so wahrgenommen: nämlich aufgesetzt.

Edgar Faure schrieb: »Wenn die Werbung keinen Erfolg hat, muss man die Ware ändern.« Indem Design Thinking als Prozess verankert wird, ändert man die erfolglose Ware einfach schon, bevor es zur Werbung kommt – und diese Werbung wird dann auch Erfolg haben, weil sie sich ganz natürlich aus der Markenidentität (die sich nahtlos in die Unternehmensidentität einfügen wird) und dem Mehrwert des Produktes ergeben wird.

Für etablierte Unternehmen sind Situationen wie eingangs beschrieben ein guter Zeitpunkt für eine Beratung. Genauso, wenn Fragen ähnlich den genannten aufkommen; entweder, weil das Management sie selbst in den Raum stellt, oder weil sie von außen an Mitarbeiter der Firma herangetragen werden (das letztere geschieht meist eher bei informellen Anlässen). Eine Beratung ist dann erst einmal ein weniger starker Eingriff in das Tagesgeschäft, als wenn man direkt ein ganzes Rebranding projektiert.

Der Anlass dafür, sich zu einer Beratung oder einem Workshop zu entscheiden, muss also gar nicht dramatisch oder historisch ausfallen. So eine Maßnahme ist zu fast jedem Zeitpunkt sinnvoll.

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Aus welchen Bereichen/Abteilungen kommen die Mitarbeiter, mit denen Du Workshops durchführst?

Bisher war bei praktisch allen Workshops die Geschäftsleitung in irgendeiner Weise beteiligt – zumindest stellenweise. Das ist wichtig, weil alles, was die Identität eines Unternehmens betrifft, zwar nicht von oben verordnet werden kann, aber in jedem Fall von oben mitgetragen werden muss. Wenn es Marketing- und Kommunikationsabteilungen gibt, sind diese in der Regel auch auf die eine oder andere Weise eingebunden. Am effektivsten wird das Ganze, wenn alle internen Stakeholder vertreten sind, wie man so schön sagt.

Was versuchst Du den Mitarbeitern zu vermitteln? Wie sieht Design Consulting oder ein Workshop mit Dir aus?

Starten wir wieder mit den eingangs aufgezählten Fragen, die am Beginn einer Beratung oder eines Workshops stehen können. Dann sehen wir, dass diese einen jeweils ganz unterschiedlichen Bedarf an Unterstützung aufzeigen. Aus diesem Bedarf ergibt sich dann die Methode, mit der wir eine Zusammenarbeit beginnen:

Workshops zu Design Thinking etwa sind bei Produkt-Neuentwicklungen gefragt. Indem man schnell Prototypen in vielen Iterationen testet und diese jeweils auf Basis konkreter Nutzer-Rückmeldungen weiterentwickelt, verringert man das Risiko und erhöht die Nutzerfreundlichkeit.

Eine Beratung speziell zu Fragen des Corporate Design dagegen, also der visuellen Kommunikation des Unternehmens, kann gerade in Situationen des Wachstums notwendig sein. Reicht das aktuelle Design, das einstmals ein Mediengestalter oder ein interner Mitarbeiter eigentlich nur für eine regionale Verwendung entwickelt hat, für einen heute weltweit agierenden Hidden Champion noch aus?

Eine Session basiert also immer auf einem von verschiedenen thematischen Modulen, die den groben Rahmen vorgeben. Doch natürlich ist jede Beratung eine Leistung, die individuell auf die jeweiligen Rahmenbedingungen und Akteure eingeht – genau wie ein Designkonzept oder -entwurf. Und alle meine Module haben eines gemeinsam: sie lassen den Auftraggeber stark selbst aktiv werden (dazu gleich mehr). Der eigentliche Designprozess, den dann natürlich die entsprechenden Experten übernehmen sollten, hängt davon ab, wie gut der Auftraggeber in diesen Prolog eingebunden wird.

Übrigens: ein leicht angepasster Design Thinking-Workshop kann auch eine fantastische Maßnahme zur Teambildung sein! Es geht dann weniger um konkrete Neuentwicklungen als darum, das kreative Selbstvertrauen aller Teammitglieder anzufachen. Die Methoden des Design Thinking lassen sich auf viele Bereiche übertragen und helfen nicht nur dabei, mehr Empathie und eine nutzerzentrische Sicht zu gewinnen, sondern sie senken auch die Hemmschwelle, eigene Ideen in die Tat umzusetzen. Und das ist für jedes Team praktisch uneingeschränkt empfehlenswert. David Kelley und sein Bruder Tom haben dazu ein ganzes Buch geschrieben, das ich sehr empfehlen kann, »Creative Confidence«. Und die beiden müssen sich damit auskennen, schließlich ist David Kelley als ehemaliger Leiter von IDEO und Stanford-Professor ein Gigant in Sachen Design Thinking. Die Methoden des Human Centered Design Kit von IDEO haben übrigens auch mich stark beeinflusst und viele Aspekte davon finden sich auch in meinen Workshops wieder.

Zurück zu den Inhalten: ich setze mich bei solchen Beratungen in erster Linie mit meinen Auftraggebern zusammen, um gemeinsam mit ihnen das »Warum« hinter gestalterischen Entscheidungen zu definieren. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um später zu einem ebenso klar definierten »Was« und »Wie« zu kommen – und weg von einem »Irgendwas« und einem »Irgendwie«.

Schnell sollte dabei deutlich werden, dass es nicht um Geschmack geht. Mal ein (selbstverständlich vollkommen fiktives) Beispiel: wenn ich mir eine Jacke kaufe, die mir im Laden auf Anhieb richtig gut gefällt, und Freunde, Familie oder vertraute Kollegen mir später taktvoll mitteilen, dass ebenjene Jacke überhaupt nicht meinem Typ entspricht und an mir komplett daneben aussieht – dann habe ich selbst einer dieser Situationen erlebt, in denen es auf mehr ankommt als das Kriterium »Gefällt mir«. Erschwerend hinzu kommt, dass ein Corporate Design weniger mit einer schnell zu wechselnden Jacke gemeinsam hat als mit einem langlebigen Tattoo. Dass da besser kein Fehler passieren sollte, leuchtet jedem ein.

Dennoch: oft kann in den Session auch einiges festgestellt werden, woraus sich sofort implementierbare Lösungen ableiten lassen. So kann in einem Workshop mit einem Elektronikhersteller darüber, ob ein Redesign notwendig ist und was es dazu brauchen würde, vielleicht folgendes zu Tage treten:

Der Kunde verfügt zwar durchaus bereits über eine taugliche Corporate-Design-Leitlinie. Die wurde irgendwann einmal professionell erarbeitet. Trotzdem wirkt die Kommunikation, die bei den Kunden ankommt, wie Kraut und Rüben. Warum? Zum Beispiel, weil durch eine Softwareumstellung der Zugriff auf Schriften und Vorlagen erschwert wurde. Ab diesem Zeitpunkt wählten die verantwortlichen Personen solche Gestaltungselemente plötzlich nicht mehr nach den Leitlinien, sondern nach Gefühl aus: eine vermutlich zuerst als provisorisch angenommene Situation, die aber bald vom Tagesgeschäft überlagert wurde und darum nie behoben wurde. In so einem Fall kann das Ergebnis einer Beratung oder eines Workshops eben sein, dass gerade kein Redesign notwendig ist, sondern nur behutsame Anpassungen und Nachrüstungen. Das reicht schon, um das Corporate Image wieder auf die rechte Bahn zu bringen. Und spart am Ende natürlich eine Menge Geld.

Ähnlich verhält es sich, wenn die gestaltungstechnischen Arbeitsabläufe miteinander inkompatibel sind oder wenn Spezialfälle aufgedeckt werden, wie beispielsweise ein unzureichender Zeichensatz von Schriften oder Schwierigkeiten mit deren Lizenzen. Derartige Fälle kann ich präzise erfassen und – wenn der Änderungsbedarf nicht tiefer liegt – mitunter schnell beheben. Ein Unternehmensberater, der nicht selbst aus der gestalterischen Praxis kommt, könnte das nicht.

Prinzipiell kann so eine Evaluation auch die verantwortliche Branding-Agentur vornehmen. Ich komme ins Spiel, wenn der Ersteller des Corporate Designs nicht verfügbar ist oder nicht mehr existiert – oder wenn noch gar kein Corporate Design systematisch erstellt wurde. Auch wenn ein internes Team für den Auftritt des Unternehmens verantwortlich ist oder sein soll, kann ich als Außenstehender mit neutralem Blick hinzugezogen werden.

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Wie reagieren die Mitarbeiter in der Regel? Stehen sie Dir anfangs auch mal skeptisch gegenüber? Wie gehst Du damit um?

Bisher kann ich in dieser Hinsicht nur Gutes zu meinen Auftraggebern berichten! Alle Beteiligten waren dem Thema und meiner Herangehensweise gegenüber immer ziemlich aufgeschlossen. Ich habe generell den Eindruck gewonnen, dass die Menschen in den letzten Jahren eine größere Sensibilität für gute Gestaltung entwickelt haben – und ein stärkeres Bewusstsein über die Relevanz von Design für den Erfolg eines Unternehmens.

Und: ein wenig gesunde Skepsis ist doch gar nicht falsch, wenn jemand von draußen in ein Unternehmen kommt und womöglich erst einmal den Eindruck erweckt, Dinge verändern zu wollen, von denen die Manager und ihre Mitarbeiter mehr verstehen als er. Solche Vorbehalte gehören zur normalen Interaktion im Geschäftsleben und legen sich schnell, sobald man sich erst einmal kennen gelernt hat. Gründliche Arbeit ohne Hokuspokus, dafür analytisch und empathisch, wird schnell als solche erkannt und positiv aufgenommen. Dann wird rasch klar, dass es nicht darum geht, einen Menschen oder ein Team zu bevormunden. Im Gegenteil! Allen Beteiligten wird durch solche Workshops zu größerer Handlungsfähigkeit verholfen.

Dafür, dass man so eine Beratung auf dem richtigen Fuß beginnt, kann man natürlich einiges tun – oder auf dem falschen! Möglicherweise kennst du die folgende Anekdote von Otl Aicher. Kurz zusammengefasst: der Geschichte nach sucht 1984 der Geschäftsführer des Türklinkenherstellers FSB den damals bereits weltbekannten Otl Aicher in Rotis auf, um von ihm einen »neuen Katalog mit anständigen Bildern und gutem Grafikdesign« gestalten zu lassen, darin sei Aicher doch der Spezialist. Aicher bürstet ihn daraufhin schroff ab: »Junger Mann, ich bin doch kein Firmenanstreicher! Jetzt fahren Sie erst einmal nach Hause, und denken Sie über Ihr Tun nach. Wenn Ihnen dazu etwas eingefallen ist, dürfen Sie sich wieder bei mir melden.«

Nun war Otl Aicher natürlich auch zu seiner Zeit ein besonderer Charakter – aber trotz der Abfuhr: in der Sache hatte er schon Recht. Design funktioniert nicht als letzter Anstrich, sondern muss am Grundgerüst des Ganzen mitbauen. Im Gegensatz zu Aicher bin ich jedoch der Ansicht, dass Gestalter wie ich die Auftraggeber für diese Wertedefinition nicht nach Hause schicken, sondern den Prozess selbst begleiten sollten. Das ist mein Ziel für die Workshops und Beratungen. Und zwar durch eine Art von Leitung, die auf Erfahrung aufbaut – und auf die richtigen Fragen. Die sind nämlich viel wirkungsvoller und nachhaltiger als schnelle Antworten oder Patentrezepte. Ich habe mit Professoren, Mentoren und Coaches die Erfahrung gemacht, dass es extrem förderlich ist, die richtigen Fragen gestellt zu bekommen. Mir hat das oft einen regelrechten Schub verliehen.

Der Grund dafür ist einfach. Wenn ich die Antwort auf eine Frage deshalb nachvollziehen kann, weil ich es selbst bin, der antwortet, kann ich damit ungleich effektiver arbeiten als wenn ich dieselbe Antwort einfach von jemandem vorgesetzt bekomme. Die Qualität der Unternehmenskommunikation, ob visuell oder mit Worten, hängt davon ab, wie präzise die Ziele, Visionen, Strategie und Werte des Kommunizierenden definiert sind – das kann ich den Auftraggebern und ihren Mitarbeitern nicht abnehmen. Wie gesagt, sie kennen ihr Unternehmen besser als ich und als jeder andere Berater! Also stelle ich Fragen.

Abgesehen von Deiner beratenden Tätigkeit, was machst Du sonst so? Hast Du einen bestimmten Schwerpunkt in Deiner Tätigkeit als Designer?

Mein Büro Tipogris Books and Brands ist spezialisiert auf Firmen- und Markenidentitäten sowie besondere Bücher und Publikationen, wie Ausstellungskataloge, Künstlerbücher, Jahresberichte, Image-Publikationen und so weiter. Wie vorhin erwähnt: ich bewege mich damit vor allem in High-Tech-Industrie und Handwerk sowie im Kulturbereich; die Beziehungen sind aus vorherigen Jobs und Projekten erwachsen. Die Projekte sind in der Regel sehr schriftlastig und ich arbeite gerne eng mit Type-Designern und Foundries zusammen.

Ich habe davor tatsächlich einige Jahre als eine Art »Freelancer für alles« gearbeitet – ganz klassisch von Webdesign bis Visitenkarte, von Leitsystem bis zur Verpackungsgestaltung, und das quer durch alle Branchen. Es hat mich dann ein gutes Stück weitergebracht, in die Spezialisierung auf Bücher und Marken als meine Kernkompetenzen zu investieren und gezielt in den Bereichen zu arbeiten, in denen ich das größte Potenzial für diese Spezialisierung sah. Und ganz klar: den eigenen Rebranding-Projekten, beispielsweise des Rheinischen Landestheaters im letzten Jahr, geht immer auch ein Workshop voraus, wie ich sie auch einzeln als Beratungsleistung anbiete.

Daneben fertige ich auch Druckgrafiken und Installationen in kleinen Auflagen an. Auch hier: alles mit starkem Augenmerk auf Wort und Schrift. Diese Grafiken haben in den letzten Jahren stetig mehr Präsenz in Ausstellungen und Museen bekommen und inzwischen wird auch die Nachfrage von Sammlern größer. Dadurch besteht für mich auf diesem Feld mittlerweile Ausbaubedarf in puncto Kommunikation – so gesehen muss also auch ich meine »Markenidentität« neu aufstellen! Aber wie heißt es so schön: andere berät man immer besser als sich selbst.

Vielen Dank für Deine Zeit und Deine ausführlichen Informationen, Johannes. Wir sind gespannt, was sich auf dem Gebiet des Design Consulting und Thinking weiterhin tun wird und wünschen Dir dabei viel Erfolg.

Weitere Informationen zu Johannes López Ayala findet man unter:
https://lopez-ayala.eu/
https://tipogris.de/

Autor:

Das Interview führte unser freier DESIGNBOTE-Redakteur Julien Fincker, der immer auf der Suche nach interessanten Projekten und Persönlichkeiten ist. Hast Du ein spannendes Projekt oder Thema über das Du gerne sprechen möchtest? Dann melde Dich gerne unter redaktion@designbote.com

Stock Photos:
Titelbild: Johannes López Ayala
Porträt auf Treppe: Johannes López Ayala
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Sticky Notes: aporlo / Shutterstock.com