Am 7. Juni 1905 gründeten die vier Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner (*1880, + 1938, Freitod), Erich Heckel (*1883, +1970), Karl Schmidt-Rottluff (*1884, + 1976) und Fritz Bleyl in Dresden die Künstlergruppe „Brücke“. Die vier wollten, alternativ zum damals gängigen Akademiestil, in ihrem künstlerischen Ausdruck neue Wege beschreiten.

Damit ist die Künstlergruppe „Brücke“, neben der 1908 gegründeten Münchener Gruppierung „Der Blaue Reiter„, eine der ältesten deutschen Künstlergruppen, welche die klassische Moderne durch den von ihnen entwickelten Deutschen Expressionismus entscheidend geprägt haben. Nachdem deutsche Künstler Bilder der Impressionisten gesehen hatten, fühlten sie sich durch die damals aktuelle französische, u.a. von Vincent van Gogh, Henri Matisse, Edvard Munch und Paul Gauguin der 1906 in Dresden ausgestellt hatte, vertretene ‚fauvistische‘ Malereiauffassung inspiriert, die sich an der Kunst der Naturvölker orientierte. Beflügelt von Gauguins Reisen nach Tahiti sollten auch Nolde und Pechstein die Südsee bereisen und Palau besuchen.

Anfangs dominierten Zeichnung und Holzschnitt, vorwiegend mit Motiven wie Figur, Portraits und Selbstbildnisse, Stadtansichten und Akten. Eine beliebte Zeichenübung war der ‚Viertelstundenakt‘, bei dem ein nackter Körper zügig, mit wohlgesetzten Strichen erfasst werden sollte.

Taufpate des Namens der Künstlergruppe „Brücke“ war angeblich Karl Schmidt-Rottluff, der mit ihr eine Verbindung zwischen den verschiedenen Stilen in der Bildenden Kunst zum Ausdruck bringen wollte. Kirchner verfasste ein Programm, das in Form eines Holzschnittes von Kirchner überliefert ist. Auf einem damals in Dresden kursierenden Flugblatt war zu lesen:

„Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Geniessenden rufen wir alle Jugend zusammen. Und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen, älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“

Ein Jahr nach der Gründung schlossen sich auch Max Pechstein (*1881, +1955), der Niederländer Lambertus Zijl und der Schweizer Cuno Amiet der „Brücke“ an. Es wurde eine erste Jahres-Edition von insgesamt sieben Mappen mit Holzschnitten von Fritz Bleyl, Heckel und Kirchner aufgelegt. Es sollte eine ganze Reihe von Wanderausstellungen folgen. 1910 trat Otto Mueller als Letzter der Gruppe bei.
Emil Nolde und Kees van Dongen waren jeweils nur ein Jahr Mitglieder der Gruppe; Henri Matisse war nicht interessiert und auch Edvard Munch lehnte eine Mitgliedschaft in der Künstlergruppe Brücke ab.

Georg Tappert initiierte eine Ausstellung in Berlin, die als „Neue Secession“ bekannt werden sollte: Pechstein, Kirchner, Schmitt-Rottluff, Otto Mueller und Erich Heckel u.a. waren von der ‚Berliner Secession‘ abgelehnt worden und zeigten ab 15. Mai 1910 ihre Arbeiten im ‚Kunstsalon Maximilian Macht‘, nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Der knallrot gestrichene Salon wurde von der entsetzten Presse als „Schreckenskammer“ tituliert. Auch das Publikum war ob der Heftigkeit des Gezeigten schockiert, spuckte auf die Arbeiten, beschmierte die Rahmen und schlug gar einen Nagel in einen Pechstein-Akt.

Anfang 1912 stellte die Künstlergruppe Brücke in der Münchener Galerie Goltz im Rahmen einer zweiten Ausstellung des Blauen Reiters aus und nahm im Sommer auch an der Sonderbundausstellung in Köln teil. Kurz danach schloss man Pechstein aus der Gruppe aus, weil er unerlaubt in der von Max Liebermann begründeten  Berliner Secession ausgestellt hatte. Die schon produzierte Jahresmappe erschien nicht mehr und er kehrte der Neuen Secession geschlossen den Rücken.

Der ‚wilde‘ Fauvismus inspiriert den Deutschen Expressionismus

Der Expressionismus der Künstlergruppe „Brücke“ sucht formal und in seiner Farbpalette nach dem ‚reinen Ausdruck‘. In Motiven wie z.B. Akten oder Landschaften kam ein ‚inneres Erleben der Welt‘ und damit auch sehr subjektives, spontanes Fühlen der autodidaktisch arbeitenden Künstler zum Ausdruck.

Bildthemen der Künstlergruppe Brücke waren das großstädtische Leben (vor allem in Berlin), Varieté und Zirkus sowie in Bewegung befindliche Menschen, TänzerInnen und Akte. Um das Thema Landschaft zu erforschen, organisierte man Exkursionen aufs Land und in die freie Natur des Dresdner Umlandes. Beim Stöbern in einem Atlas stieß Heckel 1907 auf das friesische Dorf Dangast, das in der Folge oft als ländliches Motiv dienen sollte. Andere Exkursionen führten die Künstlergruppe Brücke oder einzelne Mitglieder auch nach Fehmarn, an die Flensburger Förde oder nach Nida (früher Nidden) auf der Kurischen Nehrung. Der ausgeprägte soziale Zusammenhalt und die Sehnsucht nach dem Naturerlebnis der ‚Brücke‘-Künstler wurde in den Sommern 1909, 1910 und 1911 in unkonventioneller Nacktheit an den Teichen von Moritzburg bei Dresden gelebt, wo auch zahlreiche Akte vor Naturkulisse entstanden.

Die stark auf das Wesentliche reduzierte Bildsprache wollte diesen subjektiven Ausdruck malerisch umsetzen. Man verzichtete auf die traditionell übliche Perspektive und akademisch ‚korrekte‘ Proportionen, um den sehr direkten, unverstellten Ausdruck noch zu unterstreichen. Die Auseinandersetzung mit der Kunst der Naturvölker sorgte – ausgelöst durch den in Frankreich gesehenen Fauvismus – für zusätzliche starke Impulse. Schnell entfernte sich die Farbwahl von den Vorbildern der Natur und wurde genutzt, um mit spontanem Gestus starke Gefühlslagen effektvoll in Szene zu setzen. Neben der Malerei drückte man sich in schwarz-weißen Holzschnitten und farbkräftigen Aquarellen aus.

Die Auflösung der Künstlergruppe Brücke

Wie auch dem Blauen Reiter so war auch der Künstlergruppe Brücke kein langes Leben beschieden. Schon 1913, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, kam es zu Zwistigkeiten. Kirchner hatte sich im Jahresbericht der Gruppe, so der Vorwurf, als einflussreiches Supertalent inszeniert und sogar unter einem Pseudonym Rezensionen über Arbeiten der eigenen Gruppenmitglieder veröffentlicht, in denen er sie des Plagiats verdächtigte. Kirchner schmollte daraufhin und machte sich rar. Die restlichen Mitglieder der Brücke beschlossen im Mai 1913 die Gruppe aufzulösen.

Die Zeitschrift ‚Der Sturm‘

Intellektuellen Ausdruck suchten die deutschen Expressionisten in der Zeitschrift „Der Sturm„. Herausgegeben von Herwarth Walden bot das mehrfach im Jahr erscheinende Blatt bildenden Künstlern, Schriftstellern und Literaten wie Kurt Hiller, Arno Holz, Jacob van Hoddis, Alfred Döblin, Paul Scheerbart sowie Else Lasker-Schüler (Waldens erste Gattin) ein Forum. Walden (eigentlich Georg Lewin) 1931 war Galerist, Kunsthändler und Verleger in Berlin. 1932 zog er angesichts des sich ankündigenden Nationalsozialismus als Sprachlehrer nach Moskau, wurde dort 1941 verhaftet und starb im selben Jahr im Straflager Saratow an der Wolga.

Alle ehemaligen Mitglieder der Gruppe blieben ihrem Stil auch noch nach dem Ersten Weltkrieg treu. 1933 erklärten die Nationalsozialisten die Kunstauffassung der ehemaligen Brücke-Künstler für ‚entartet‘. Soweit ihre Werke in Museen hingen, wurden sie entweder öffentlich verbrannt oder ins Ausland verkauft. Mit dem Ziel der Diffamierung und Stigmatisierung wurden Werke der Künstlergruppe Brücke 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt.

 

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Ernst Ludwig Kirchner, by Houses in Dresden: Everett – Art/ Shutterstock.com
Briefmarke Hermann Max Pechstein: Sergey Goryachev/ Shutterstock.com