Das ‚Buzzword‘ begegnet uns immer häufiger. Seitz untersucht sehr detailliert das aktuell so heiße Phänomen des ‚Design Thinking‘. Der Verdacht erhärtet sich, dass es sich hier um ein unreflektiertes, unwissenschaftliches Verfahren zum Anfachen kreativer Glut handeln könnte. Die verdächtige Zielsetzung: Heuchlerisches Einfühlen in die Gemüter der Beteiligten, um ihnen dann schnellstmöglich die originelle Lösung für ein Problem zu entringen, die sodann den nötigen, aber leider sehr flüchtigen Vorsprung im gnadenlosen globalen Wettbewerb sicherstellen soll.

Ach, Brainstorming ist ja so Siebziger … – ‚Design Thinking‘

‚Design Thinking‘ als Kreativtechnik eilt der Ruf einer interdisziplinären, geradezu allmächtigen Problemlösungsmethode für alle Anlässe und Problemstellungen voraus. Ihre Anwender sollen sich, im überlegenen Bewusstsein der eigenen Hipness, in die möglichen Nutzer der geplanten Dienste oder Produkte hineinversetzen, sich in sie einfühlen – um solchermaßen eingegroovt, deren ‚wahre Bedürfnisse‘ quasi selbst zu erleben und schließlich perfekt befriedigen zu können. Wenn sie so eine Welt verändern wollen sollten, dann wäre es, so ist zu vermuten, eine der übersättigten Märkte, in welcher der alles vereinnahmende Kapitalismus in einem finalen Reduzierbrand noch ein letztes Mal aufglühen soll.

Die Verlagsinfo verrät, dass sich Tim Seitz als Ethnograph in einer Innovationsagentur mit Wissenspraktiken und Transformationsversprechen gleichermaßen konfrontiert sah. Er schildert das dort Erlebte und Gehörte sehr eindringlich. In der Analyse der dort angewandten Praktiken und Diskurse führt ihn seine theoretische Suche von der Praxistheorie zum Pragmatismus und erklärt so ‚Design Thinking‘ als Gegenwartsphänomen, als ‚Symptom eines neuen Geistes des Kapitalismus‘. Altbekannt ist indes die zeitsparend geradlinige Verwertungslogik. Was in den Achtzigern ein seriöser Gegenstand der Forschung war, scheint inzwischen von den Verfechtern seines marktkonformen Clones zum Zwecke umstandslos monetarisierbares Produkt gekidnappt worden zu sein. Dem Leser drängt sich bisweilen das Gefühl auf, Zeuge eines hermetischen Okkultismus zu werden, was das längst gekeimte Misstrauen in die hier kritisch betrachtete Version des ‚Design Thinking‘ nur vertieft.

Seitz‘ Studie wurde als herausragende Masterarbeit von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie ausgezeichnet.

 

Autor: Tim Seitz

Titel: DESIGN THINKING der neue Geist des Kapitalismus – Soziologische Betrachtungen einer Innovationskultur

Verlag: [transcript] Kulturen der Gesellschaft

Auch lesenswert ist das Das Buch:NOMAD 4: Wie Nachhaltigkeit unsere Welt verändert‚, die vierte Ausgabe des vielfach prämierten Design- und Gesellschaftsmagazins

Bildquelle: DESIGN THINKING