„Design ist unsichtbar“, schrieb der Soziologe Lucius Burckhardt vor fast 40 Jahren. Denn Design bezieht sich nicht nur auf Gegenstände, Grafiken, Benutzeroberflächen oder Räume, sondern auch auf gesellschaftliche Prozesse und komplexe Systeme. Demokratie ist ein solches System – sie ist nicht naturgegeben, sondern ein gestalteter Prozess. Die fünfte Ausgabe der Ausstellungsreihe Design Display untersucht dieses Zusammenspiel von Design und Demokratie. Anhand von zwei unterschiedlichen demokratischen Prozessen zeigt die Ausstellung ein Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten auf: von Partizipation und Wunschproduktion im Rahmen von Stadtentwicklung bis hin zu digitalen Prozessen, die virtuell Gesellschaft gestalten und Demokratie von Grund auf verändern können.

Wie Partizipation und eine von den Menschen selbst gestaltete Lebenswelt möglich ist, zeigt Design Display #5 anhand der PlanBude aus Hamburg: einer Gruppe von Gestaltern, die gemeinsam mit den Bürgern von St. Pauli die Planung eines Neubauareals mitbestimmten. Ihr Anliegen war es, das Wissen, die Wünsche und Interessen der Anwohner sichtbar und zur Grundlage des Entwurfs für den Neubau zu machen. Sie entwickelten Werkzeuge, mit denen Laien in die Stadtplanung eingreifen und ihre Vorstellungen einbringen konnten. Gemeinsam mit den Anwohnern und in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und dem Investor entstand ein Konzept der Mischnutzung mit kleinteiliger, abwechslungsreicher Architektur und vielen Sozialwohnungen. Die Design Display Vitrine gewährt Einblick in den Partizipationsprozess, den die PlanBude entwickelt und gestaltet hat: in zehn Schritten und anhand von Texten und Objekten wird Partizipation als Austausch zwischen Anwohnern und Stadtplanern, Architekten und Investoren veranschaulicht.

Das zweite Themenfeld Blockchain ist im virtuellen Raum angesiedelt und stellt die neue technologische Entwicklung der Blockchains, sowie deren Nutzbarmachung für demokratische Prozesse vor. Blockchains speichern Informationen in kleinen Einheiten, in Blocks, die nicht auf einem, sondern auf vielen verschiedenen miteinander verbundenen Servern gespeichert sind. Diese Form der Speicherung ist extrem sicher gegen Hackerangriffe und Manipulationen und somit für demokratische Prozesse nutzbar. Mögliche Anwendungen veranschaulicht die Ausstellung anhand von fünf Projekten: so wird mit der neuen Technologie unter anderem vorstellbar, bei einer geheimen Wahl seine Stimme über das Internet abzugeben, Verwaltung transparent zu gestalten oder Tools zur Verfügung zu haben, die direkte Demokratie oder wirtschaftliche Eigenständigkeit vorantreiben. Erstmals verlässt Design Display dafür den Ort der Vitrine als Ausstellungsplattform: Beispiele und Erläuterungen zu den neuen technologischen Entwicklungen werden anhand dreier Audiofeatures präsentiert, welche die Besucher anhören können.

 

Fotos: Michael Jungblut

Über die Ausstellungsreihe Design Display
Design Display vertritt einen erweiterten Designbegriff, der nicht nur Produkt- und Industriedesign umfasst, sondern auch experimentelle und interdisziplinäre Formen aktueller Designpraxis einbezieht. Die Ausstellung will zeigen, welche Rolle Design in unserem Alltag spielt und Diskussionen über die gesellschaftliche Dimension von Gestaltung anregen. Über die Dauer von jeweils vier Monaten werden Objekte in einer fokussierten Präsentation gezeigt: Angeordnet in einer 20 Meter langen, 2,40 Meter hohen, dreieckigen Glasvitrine stehen sich jeweils zwei Exponate gegenüber.

In dem die Ausstellung begleitendem Magazin On Display wird das Thema weiter vertieft: Die Mitarbeiter von PlanBude verdeutlichen in einem Interview, wie wichtig Kunst für ihr Projekt war, der Kulturjournalist Till Briegleb berichtet über zwei weitere Projekte, die nach der Methode „Wunschproduktion“ Bürgerpartizipation erfolgreich umgesetzt haben, und die amerikanische Designtheoretikerin Elizabeth B.-N. Sanders analysiert verschiedene Formen demokratischen Designs. Verena Dauerer, Redaktionsleiterin der Digital- und Internetkonferenz re:publica in Berlin, stellt Beispiele vor, wie die Blockchain-Technologie für demokratische Prozesse nutzbar gemacht werden kann. Die Vor- und Nachteile elektronischer Demokratie wie E-Petition, E-Referendum oder E-Voting erläutert die Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer in ihrem Beitrag.

Für die Bildstrecke wurde der Schweizer Fotograf Nicolas Polli eingeladen, die PlanBude portraitierte Frank Egel und das unsichtbare Design der Blockchains macht Jochen Schievink mit seinen Illustrationen sichtbar. Das Magazin erscheint in Deutsch und Englisch und ist in der Ausstellung kostenfrei erhältlich, zudem kann es über den Medienpartner, die Designzeitschrift form, bestellt werden. Ausgewählte Inhalte sind digital auf www.designondisplay.de verfügbar.
Die Autostadt kuratiert die Ausstellungsreihe gemeinsam mit Friedrich von Borries, gestaltet wird die Ausstellungsreihe von dem Designteam Konstantin Grcic (Konstantin Grcic Industrial Design), Kooperative für Darstellungspolitik (Jesko Fezer, Anita Kaspar, Andreas Müller) und Nicolas Bourquin (onlab).