Der ‚Social Decay‘ von Facebook & Co.

Der rumänische Grafikdesigner Andrei Lacatusu sorgte in diesen Tagen für Aufsehen, als er fotorealistisch wirkende Social Media Logos auf Behance und anderswo im Netz präsentierte. Die Schriftzüge und Logos in Form von Neonreklamen zeigten jedoch deutliche Verfallserscheinungen. Stolze Weltmarken wie Facebook, Tinder, Google, Instagram oder Twitter scheinen in Lacatusus Interpretationen den Gipfel ihrer Ausstrahlung und Macht überschritten und ihren Abstieg vollzogen zu haben. Obwohl sich der Rumäne über zahlreiche Veröffentlichungen freuen konnte, nicht zuletzt auch via einige der zuvor erwähnten Social Media, blieben die Hintergründe seiner Arbeit ‚Social Decay‘ und das Schicksal der gezeigten Marken bisher weitgehend unterbelichtet.

DESIGNBOTE Redakteur Wolfgang Linneweber wollte mehr erfahren über den Designer und ‚Social Decay‘:

Andrei, was war der Anlass für die Illustrationen? So viel Realismus macht ja auch ne Menge Arbeit?

Da ich im Bereich des Grafikdesigns tätig bin, versuche ich immer an Ideen zu denken, die illustriert werden können, und die eine Bedeutung haben, eine Botschaft, etwas zum Nachdenken, die nicht nur ein schönes Bild sind. Dies ist hier der Fall, Social Decay, ist ein persönliches Projekt, das gestartet wurde, sobald es in meinem Kopf klick gemacht hat. Es ist eine Menge Arbeit, meistens indirekt, denn die Zeit, um das Know-how zu erwerben, um diese Art von Material zu produzieren, ansonsten sind solche Bilder nicht so schwer zu machen, wenn man erst einmal die nötigen Skills hat. Das Hauptproblem bestand darin, Zeit für die Fertigstellung des Projekts zu finden.

Du schilderst die aktuellen Herrscher über enorme Nutzerdaten, Know-how und Marktmacht als rostige, windzerzauste Lichtreklamen. Sie erinnern an verlassene Hotels entlang aufgelassener Highways, an postsozialistische Tristesse und eine Zeit nach dem letzten Aufflackern des Kapitalismus. Was musste in deiner Phantasie passieren, damit diese großen Marken so runterkommen konnten?

Diese Idee kam mir, als ich über so eine alte, heruntergekommene kommunistische Reklametafel in meinem Land recherchiert hatte. Ich erkannte dann, wie jede Epoche ihre hellen, umwälzenden, mächtigen Aktivitäten und Industrien hatte, und viele von ihnen fanden ein jähes Ende. Und ich dachte an unser Zeitalter der Information, der Kommunikation. Und dann fing meine Phantasie an zu arbeiten.

Aber wenn ich darüber nachdenke, war das, was ich eigentlich darstellen wollte, eher eine Metapher. Und der Titel „Social Decay“ versucht, die Verbindung herzustellen. Ich wollte den Zustand der traditionellen, natürlichen Zivilisation des Menschen darstellen, der durch den Einfluss von Social Media zum Niedergang gebracht wurde. Das war die versteckte Botschaft, die ich mit dieser Botschaft zu vermitteln versuchte.

Meinst Du, Deine Visionen könnten einmal Wirklichkeit werden und Milliarden von Nutzern sich von Facebook und Co. abwenden? Gibt es einen Trend?

Wie schon gesagt, hatte ich dieses Projekt persönlich anders gedacht. Aber viele Menschen haben das so gedeutet, wortwörtlich. Also, um diese Übung zu machen … Ja. Warum nicht? Es gab so viele riesige Unternehmen, Reiche, Konzepte, die verschwunden sind. Warum nicht auch diese Firmen? Besonders in dieser sich ständig verändernden Zeit. Wenn man darüber nachdenkt, haben selbst diese Social Media Dienste andere Dienste, die irgendwann einmal sehr dominant waren, ersetzt.

Welche Techniken und Tools hast Du eingesetzt und wie hoch war der Arbeits-/ Zeitaufwand?

Das sind CGI-Bilder, sie werden digital, mit Hilfe von 3D-Software, von fotografischen und sogar 3D gescannten Texturen und natürlich dem guten alten Photoshop erstellt. Es hat eine Weile gedauert, weil ich nicht durchgehend daran arbeiten konnte, aber unter normalen Bedingungen konnte ich ein solches Bild in maximal zwei Arbeitstagen erstellen. Die Idee zu diesem Projekt hatte ich eigentlich schon vor zwei Jahren, aber wenn man angestellt ist und so viele andere Projekte hat, dann hat das, was nur eine Woche Arbeit hätte sein können, viel länger gedauert. Aber ich wusste, dass es ein gutes Projekt werden würde, also wollte ich es unbedingt fertig stellen.

Arbeitest Du auch noch mit ‚analogen‘ Skizzen und Entwürfen?

Manchmal, aber in diesem Fall war das nicht so nötig. Nur ein paar gute Recherchen und dann direkt an die Arbeit. Ich wollte den Zeitaufwand für das Projekt auf ein Minimum reduzieren, um so geradlinig wie möglich zu arbeiten.

Was macht Andrei  Lacatusu wochentags von 9 bis 17 Uhr? (bzw. davor und danach?)

Eher vor und nach 9 bis 5 Uhr, denn ich arbeite nach einem ziemlich geregelten Zeitplan. Normalerweise gehe ich morgens ins Fitnessstudio, und abends gehe ich mit meinen Freunden ein Bier trinken, arbeite an solchen persönlichen Projekten, sehe Sport, recherchiere alles mögliche. Klingt ziemlich langweilig, jetzt, wo ich es auf den Punkt bringe. 🙂

Streaming oder Vinyl? Elektronik oder Gitarren?

Streaming, eigentlich stehe ich auf Vinyl, habe mich aber nie in diese Richtung engagiert. Bin eher der Gitarrentyp.

Hast Du in letzter Zeit Interessantes gelesen?

The Psychopath Test von Jon Ronson. Frag mich nicht, warum:).

Was sind für Dich die wichtigsten Trends im Grafik Design 2018?

Generell denke ich, dass es ziemlich genau in die gleiche Richtung wie in den Vorjahren gehen wird. Viel sauberes, minimalistisches, flaches Design. Persönlich würde ich mir wünschen, dass der Trend wieder zu einem eher retro-kreativen Avantgarde-Stil zurückfindet. Ich habe übrigens keine private Website, sondern nutze hauptsächlich Behance um zu promoten: be.net/andreilacatusu

Vielen Dank für Deine Zeit!

Andrei Lacatusu

Pinterest: Out of the Picture?

facebook: Loss of Face?