Lesen ist in Deutschland eine Grundvoraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Für etwa 6,2 Millionen Erwachsene, die Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen kurzer Texte haben, müssen daher seitens der Behörden und Unternehmen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Informationen allgemein zugänglich zu machen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung kommt der Ratgeber »Leichte Sprache«, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) herausgegeben wird, nur unzureichend nach. Das gilt insbesondere für die Frage der Gestaltung von Texten.

In einer Stellungnahme hat sich der Deutsche Designtag als Dachorganisation der Designorganisationen in Deutschland daher mit dem Ratgeber auseinandergesetzt. Die dort vertretenen Empfehlungen widersprechen teilweise eklatant dem aktuellen Stand der Lesbarkeitsforschung und sogar Ergebnissen von Studien des eigenen Hauses.

So wird etwa in dem Regelwerk eine uniforme Gestaltung gefordert. In der Studie zur Leichten Sprache in der Arbeitswelt des BMAS (LeiSa), die von 2014 bis 2018 unter Anderem mit Beteiligung von Designforschern durchgeführt wurde, wird stattdessen eine genretypische Gestaltung mit unterschiedlichen typografischen Elementen empfohlen. Auch die Festlegung des Regelwerks auf die Verwendung der Arial in einer Schriftgröße von 14 Punkt lässt sich vor dem Hintergrund aktueller Lesbarkeitsforschung nicht aufrecht erhalten. Ebenso sind auch die Empfehlungen zum Einsatz von Bildern überaus lückenhaft.

Der Deutsche Designtag fordert daher eine Überarbeitung des Ratgebers »Leichte Sprache« mit Einbeziehung aktueller Forschungsergebnisse sowie einer Beteiligung von Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Bereich der visuellen Kommunikation. Künftige Leitfäden müssen die Kompetenzen von Expertinnen und Experten aus den Bereichen Typografie, Schriftgestaltung, Lesbarkeitsforschung und Illustration nutzen.

»Die Verwendung von leicht verständlicher Sprache ist ein wichtiger Schritt, um alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen,« betont der Präsident des Deutschen Designtags, Boris Kochan, »aber es ist wahrlich nur der halbe Weg. Es bedarf der Professionalität entsprechend ausgebildeter Designerinnen und Designer, um gerade für diese Zielgruppen die gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten: Inklusives Kommunikationsdesign leistet hier einen wertvollen Dienst, der im Übrigen erheblich mehr Beachtung auch bei der Vergabe von Forschungsgeldern verdient. Wer glaubt mit Arial 14 Punkt eine Art Universal-Dübel gefunden zu haben, ist auf dem kompletten Holzweg!«

Der Deutsche Designtag e.V. (DT)

Der DT ist die Dachorganisation der bundesweit ausgerichteten Fach- und Berufsverbände sowie Institutionen des Designs in Deutschland und wirkt an der Schnittstelle zwischen Design, Politik und Ökonomie. Er repräsentiert 360.000 Designerinnen und Designer und 60.000 Designunternehmen in Deutschland mit rund 20 Mrd. Euro Umsatz gegenüber der Regierung und der Verwaltung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union in allen übergreifenden designpolitischen Angelegenheiten. Der DT vertritt die Branche Design in politischen Gremien, zum Beispiel als Sektion Design im Deutschen Kulturrat sowie gegenüber der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft. Er fördert Designverständnis und steht für den Wert, den Design für den Fortschritt von Unternehmen und Organisationen, von Gesellschaft und Kultur leistet.

Der Deutsche Designtag erarbeitet Positionen, Empfehlungen und Stellungnahmen, die design-, medien-, wirtschafts-, gesellschafts- und kulturpolitische Handlungs- und Problemfelder analysieren, bewerten und Perspektiven aufzeigen. Diese werden in elf Arbeitskreisen (AK Arbeit & Soziales, AK Urheberrecht, AK Bildung, AK Europa & Internationales, AK Designkultur/Designerbe, AK Medien und Kommunikation, AK Wirtschaft, AK Digitalisierung und KI, AK Nachhaltigkeit, AK Kulturelle Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt, AK Vergaberichtlinien und Ausschreibungen) und nach Bedarf zusätzlichen Projektgruppen erarbeitet und vom Vorstand verabschiedet.

Der Deutsche Designtag ist ein vitales Beispiel für gelebte Demokratie und bürgerschaftliches Engagement. Seine Arbeit basiert auf der ehrenamtlichen Tätigkeit der Delegierten seiner Mitgliedsorganisationen. Wer sich designpolitisch einbringen möchte, muss Mitglied in einem der zwölf Mitgliedsverbände des Designtags sein (Stand 2020): Allianz deutscher Designer (AGD) e.V., BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner e.V., Deutscher Werkbund e.V. (DWB), Forum für Entwerfen e.V. (FfE), Forum Typografie e.V. (FT), HACE-Stiftung, Illustratoren Organisation e.V. (IO), Internationales Design Zentrum Berlin e.V. (IDZ), Netzwerk für Mode-, Textil-, Interieur- und Accessoire-Design e.V. (VDMD), Typographische Gesellschaft München e.V. (tgm), Universal Design Forum e.V. (UDF), Verband Deutscher Industrie Designer e.V. (VDID).

www.designtag.org
Quelle Designtag – Photo by Jeremy Bishop on Unsplash

DESIGNBOTE – Die Neuerscheinung zu 100 Jahren Kommunikationsdesign in Deutschland