Wer anno Heute das Verschwinden der Tonträger bedauert, ist meist schon etwas älter. Denn verdammt lang ist’s schließlich her, dass die jungen Babyboomer mit drei Schallplatten unterm Arm bei Freunden klingelten um gemeinsam die neuen Schätze anzuhören. Nach den großen Zeiten des schwarzen Vinyls folgten Dekaden in denen viel zu teure, silberglänzende und dennoch billig anmutende Compact-Disks den Ton angaben. Anno jetzt flutet die jeder Stofflichkeit entledigte Musik die Welt als gestreamter ‚Track‘, derweil die Erinnerung an die bunten Hüllen aus bedrucktem Karton zusehends verblasst. Ihre sinnliche Materialität im Format 31,5 x 31,5 cm indes ist längst Gegenstand nostalgischer Betrachtungen und Publikationen geworden. Und doch erleben diese Projektionsflächen ein Revival, wenn sich Vinyl-Liebhaber trotzig dem Trend entgegen stemmen und jeder Vernunft zum Trotz fleißig Schallplatten- und Spieler kaufen.

Der Kölner TASCHEN-Verlag kommt da mit seinem über 6 kg schweren Folianten im Plattencover-Format grade richtig:

ART RECORD COVERS präsentiert – sozusagen als ‚Nuggets‘ aus insgesamt 3.000 gesichteten Covern – auf 448 Seiten mehr als 500, von teils weltbekannten Künstlern gestaltete Plattencover von den 1950er-Jahren bis heute.

Angereichert wird das bibliophil gestaltete Schwergewicht durch interessante Informationen zu 270 Künstlern und Bands bzw. Musikern sowie aufschlussreichen Interviews mit Sonic Youth’s Kim Gordon, dem Maler Albert Oehlen und dem US-Künstler Raymond Pettibon mit persönlichen Erlebnissen und Einsichten zur Interaktion zwischen zeitgenössischen bildenden und musizierenden Künstlern.

Die Chancen der zur Gestaltung verfügbaren 992cm2 nutzten Künstler so verschiedener Richtungen wie zum Beispiel Pop-Art, Konzeptkunst, der abstrakten, der psychedelischen Kunst oder des Surrealismus. Via das Trojanische Pferd der Plattenhülle infiltrierten damit eher elitäre künstlerischen Botschaften eine Öffentlichkeit, die ein Museum sonst vielleicht selten von innen sah. Die Künstler nutzten zugleich aber auch eine Chance den Beschränkungen des Kunstbetriebes zu entrinnen.

ART RECORD COVERS ist ein super Geschenk für Plattensammler und bietet auf fast 450 Seiten bildgewaltigen Lesestoff für Musik- und Kunstinteressierte aller Couleur! Am Besten mit der jeweils passenden Hintergrundmusik vom physischen Tonträger nach Wahl oder Stream genießen.

 

Gerhard Richter – Daydream Nation/ Sonic Youth

„I can’t see anything at all“ singt Lee Ranaldo (in Anspielung auf einen Filmtitel von Andy Warhol) in der Nummer „Erics Trip“ auf Sonic Youth’s legendärem Doppelalbum „Daydream Nation“. Das Cover des vor 25 Jahren erschienenen Noise-Rock-Werkes zeigt ein Ölbild des Malerstars Gerhard Richter.

Gerhard Richter - macht Sonic Youth eine Kerze an

Gerhard Richter – macht Sonic Youth eine Kerze an

 

Damien Hirst – The Hours/ All In The Jungle

Wenige Künstler verstehen die kaufmännische Seite ihres Metiers so profitabel zu spielen wie dieser Brite. Der legendäre ‚Shark in a tank‘, ein Hai in einem Formalin gefüllten Aquarium fand für 9,3 Mio Pfund einen Käufer. Hirst’s Faible für Vanitas-Symbolik, wie zum Beispiel verchromte Schädel und totes Getier, ist schon fast sein Markenzeichen. Bei diesem Cover für ‚The Hours‘ hört man die Uhr schon fast ticken.

Mark Ryden – Tyler, The Creator/ Wolf

‚Lowbrow‘ nennt sich das Genre eines in stilistischer ‚Cuteness‘ daherkommenden surrealistischen Illustrationsstils, der bei näherem Hinsehen jede Menge Nihilismus und Weirdness offenbart. Mangasüße Kindergestalten, Bäume die aus wässrigen Augen starren, und alptraumhafte Kirmeskulissen sorgen bei zart besaiteten Betrachtern für unruhigen Schlaf bevor sie überhaupt den ersten Ton des Albums gehört haben. Kein Wunder hat sich doch Byden seine Sporen in der angstfreien Hotrod-Szene und dem Punk-Underground von L.A. verdient.

Mark Ryden - illustriert eine böse Märchenwelt für Tyler The Creator

Mark Ryden – illustriert eine böse Märchenwelt für Tyler The Creator

 

Albert Oehlen – The Red Crayola/ LIVE 1967

Der Krefelder Maler und Punkmusiker, Zeitgenosse von u.a. Martin Kippenberger und Mike Kelly, gelangte als Neuer Wilder zu frühem Ruhm. Er verstand sich auch als Cover-Artist aufs Schocken und kombinierte mit Vorliebe ekelhaft, skandalös und irgendwie verlockend pervers anmutende Versatzstücke. Billige Pulp-Literatur, Exploitation- und Horror-Movies waren die Steinbrüche für seine alptraumhaften Bildwelten.

Albert Oehlen - erst Punkt dann Junger Wilder

Albert Oehlen – erst Punk dann Junger Wilder

 

 

Art Record Covers

Francesco Spampinato, Julius Wiedemann (Hrsg.)

Hardcover, 29,3 x 29,3 cm, 448 Seiten

€ 49,99

ISBN 978-3-8365-4029-2

(Deutsch, Englisch, Französisch)

ART RECORD COVERS