In unserem Exklusivinterview erörtert Tom Foley, UK Type Director beim Monotype Studio, was ihn zum Type-Design gebracht hat und wie er auf neue Ideen kommt.
Tom, wie genau erfolgte dein Einstieg ins Schriftentwerfen?
Ich hatte schon immer Interesse an der geschriebenen Sprache. In jungen Jahren nervte ich meinen Vater damit mir beizubringen, wie man eine verbundene Handschrift schreibt. Auch die Formen gedruckter Lettern hat mich als Kind fasziniert. Der Bruder meines Vaters war Schildermaler, sein Großvater Steinmetz, spezialisiert auf Inschriften für Grabsteine. So wurde mir schon in jungen Jahren klar, dass die Beschäftigung mit Schrift ein echter Beruf sein kann, ja ein ehrenhaftes Handwerk.
Das Interesse an Schrift setzte sich in der Schule fort. Als ich schließlich einen Typografiekurs an der Kunstschule absolvierte, war ich komplett aus dem Häuschen. Der erste ernst zu nehmenden Schriftentwurf entstanden während meines Masterstudiums Kommunikationsdesign an der Londoner Hochschule für Kunst und Design „Central Saint Martins“. Die daraus resultierende Schrift, die ich Nib (deutsch: Feder) taufte, wird heute für die öffentlichen Gedenktafeln der Stadt Dublin verwendet. Zu wissen, dass mich diese Schrift überdauern und fester Bestandteil des kulturellen Erbes unserer Hauptstadt wird, ist ziemlich cool und ergreifend.
Auf welche Projekte bist du am meisten stolz?
Die Projekte, auf die ich am meisten stolz bin, sind jene, mit denen ich eine starke persönliche Verbindung habe. Mein Hintergrund ist Kommunikationsdesign, was ich immer noch betreibe, zwischen Typografie und Schriftgestaltung. Und deshalb bin ich besonders stolz auf ein Albumcover, das ich für den Musiker und guten Freund JP Hartnett entworfen habe. Das Album trägt den Titel „Don’t Forget Everything“ und die vier Songs heißen –, ––, ––– und –––– … übersetzt in gesprochene Wörter also „Strich“, „Strich Strich“, „Strich Strich Strich“ und „Strich Strich Strich Strich“. Es hat Spaß gemacht das Cover zu inszenieren, und ich bin immer noch stolz auf das Ergebnis: ein rein typografisches Design, eine spannende Mischung aus Abstraktion, Verspieltheit und Strenge … was übrigens auch den musikalischen Stil von JP widerspiegelt.
Ein anderes Projekt, an das ich mich gerne erinnere, ist das Human-Nature- Poster, das ich vor zehn Jahren entwarf, als ich Irland bei den Delphischen Spielen vertrat, dem Äquivalent der Olympischen Spiele in der Kunstwelt. Es ist sicherlich kein weltbewegendes Design, aber es spiegelt die atemberaubende Erfahrung wider, die ich beim Wettbewerb auf der koreanischen Insel Jeju erleben durfte.
Wenn es ums reine Schriftdesign geht, faszinieren mich natürlich vor allem die Projekte für große Unternehmen. Aber mein erstes kommerzielles Projekt für die Foundry Dalton Maag, Gelo, hat immer einen besonderen Platz in meinem Herzen.
An welchen Projekten arbeitest du derzeit?
Wir arbeiten gerade an mehreren vertraulichen Projekten für globale Marken. Parallel dazu liegen auch Konzepte für unsere Monotype Library auf meinem Schreibtisch … zu beidem kann ich inhaltlich nicht viel sagen. Rein organisatorisch sind wir ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, alle Komponenten unseres Handelns zu verbessern und besser zu verzahnen, vom Designprozess über die Weiterbildung bis hin zur Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Hierbei ist die Rolle des Type Directors vielleicht der spannendste Posten. Ich habe die Möglichkeit, mit allen Bereichen des Monotype-Business in Kontakt zu kommen, was bedeutet, dass ich jederzeit an Vertrieb, Marketing, Prozessen, Projektmanagement und Branding beteiligt bin. Das ist zu gleichen Teilen aufregend, stressig und lohnend, und so sollte es auch sein.
Welches sind deine Designhelden?
Meine Lieblingsschriftentwerfer sind Adrian Futiger und Bram De Does. Wenn es um Buchdesign geht, steht Irma Boom für mich an erster Stelle. Aktuell habe ich für mich die ITC-Schriftbibliothek wiederentdeckt. Doch die einflussreichsten Menschen in meiner Karriere waren immer diejenigen, mit denen ich eng zusammenarbeiten durfte: Ron Carpenter, Bruno Maag, die verstorbene Freda Sack, Frau Caroll (meine Kunstlehrerin in der Schule), der österreichische Typograf Paulus Dreibholz… ich könnte da noch ein bisschen weitermachen. Sie sind die wahren Helden meines Berufslebens, weil sie mir den Weg ins Type-Design ebneten. Ohne sie wäre ich heute nicht hier.
Wo holst du deine Inspirationen her?
Schon früh in meiner Kreativkarriere wurde mir klar, dass ich kein Naturtalent bin. Ich muss hart arbeiten, um gute Ergebnisse zu erzielen. Es war nicht einfach für mich, das zu akzeptieren; aber es war wichtig. In der Folge beschloss ich, mit so vielen Menschen wie möglich zu arbeiten, die talentierter und erfahrener sind als ich, stets mit dem Ziel zu lernen und ein besserer Designer zu werden. Am Anfang war das ein befremdlicher Prozess, aber im Laufe der Jahre habe ich gelernt, ihn zu akzeptieren. Heute fühlt sich das ganz natürlich an; Kooperation inspiriert mich auf breiter Ebene.
Und noch was: Bei kundenspezifischen Schriftprojekten ergibt sich für mich die Inspiration aus der Herausforderung, eine eigenständige Schrift innerhalb der engen Grenzen zu entwickeln, die das Kundenbriefing vorgibt. Dabei habe ich stets im Auge, eine Marke besser zu machen, indem wir eine Schrift entwickeln, die der Marke hilft, besser mit ihren Kunden zu kommunizieren. Hier den Königsweg zu finden und diese Art von Fragen zu beantworten, das inspiriert mich enorm.
Bei persönlichen Projekten dagegen kommt die Inspiration oft langsam und manchmal schmerzhaft. Normalerweise nähere ich mich einer Lösung mit vielen Skizzen und Nachdenken, gefolgt von vielen Fragen … dann wieder Nachdenken. Das ist hart, ein unbequemer, aber lehrreicher Prozess.
Was ist deiner Meinung nach der neueste Trend im Schriftdesign?
In der Regel werden hier die Trends nicht von Schriftentwerfern ausgelöst. Meist sind es große Unternehmen wie Google oder Netflix, oder eine einflussreiche Kulturinstitution wie die Metropolitan Opera New York, die durch ein spektakuläres Rebranding einen Trend anstoßen. Bisweilen geben auch Designphilosophien eine neue Richtung vor, zum Beispiel aus dem Bereich des UX-Designs, wo sich prägende Stile der benutzerorientierten digitalen Kommunikation verselbständigt haben. Wenn so etwas dann auf breiter Ebene diskutiert wird, entstehen manchmal Trends, die alles beeinflussen, vom Layout über die Werbesprache bis hin zu Farbe und Typografie.
Meiner Ansicht nach sind Trends wichtige Treiber, weil sie auch dem Durchschnittsdesign eine neue Richtung geben. Der Versuch, solche Phänomene zu verstehen, ist etwas, womit ich ständig zu kämpfen habe: mit dem Tempo der Entwickelung, dem Wachstum oder zum Beispiel der ästhetischen Sprache, die von Social Media angetreten werden.
Einem Trend zu folgen ist eine menschliche Eigenschaft. Wenn man „im Trend“ ist geht das mit Bestätigung und Akzeptanz einher, also Gefühlen, die wir alle anstreben. Die Trends selbst interessieren mich weniger als die Mechanismen, die sie auslösen. Faszinierend ist auch die Lebensdauer von Trends. Sie haben einen Endpunkt: auf einmal werden sie irrelevant. Bis dahin reist ein großer Teil unserer Kultur und Industrie auf dem Trendzug mit. Ich verurteile das gar nicht, weil ich ebenfalls Teil der Reise bin. Sich einem Trend aus Trotz zu widersetzen, ist in meinen Augen keine Leistung. Mich interessiert, wie ein Trend entsteht, wie man ihn originell nutzt oder aushebelt. Manchen Designern gelingt das ohne nachzudenken, den Glücklichen. Der Rest kämpft damit, Trends zu folgen, zu hinterfragen und unangenehme Kundenpräsentation auf die Beine zu stellen.
Danke sehr Tom das du Zeit für uns hattest.
In der Serie „Inside The Monotype Studio” hat der DESIGNBOTE bereits sieben lesenswerte Interviews geführt. Jedes einzelne ist inspirierend, manchmal erstaunlich, teilweise bewegend und gibt immer wieder aufs Neue einen spannenden Einblick in die Faszination des Schriftdesigns.
Bisher haben sich folgende Monotype-Kreative unseren Fragen gestellt:
Jan Hendrik Weber, Type-Designer
Alexander Roth, Schriftdesigner
Akira Kobayashi, Schriftdesigner
Marianna Paszowska, Font Engineer
Charles Nix, Type Director
Tom Rickner, Leiter von Monotype Studio Design
Emilios Theofanous, Schriftdesigner
Bilder: Monotype
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