Der Industrial Designer verbindet Ingenieurwissen mit einer ausgeprägten Fähigkeit zum Gestalten von industriell hergestellten Konsum- und Investitionsgütern. Ziel des Industrial Design ist nicht etwa nur die attraktive Verpackung von technischen Funktionen, sondern vielmehr die Integration von attraktivem Erscheinungsbild, gutem Handling und einer möglichst kostengünstigen und technisch optimalen Produktion. Inzwischen spielen zunehmend auch Umweltaspekte eine Rolle.
Die Ursprünge des Industrial Designs sind im Übergang von handwerklicher Fertigung zur industriellen Serienproduktion zu finden.
Anfang des 19. Jahrhunderts sorgte die Erfindung der Dampfmaschine durch den Briten Watt für einen Produktivitätsschub. Die bis dahin üblichen Manufakturen, in denen die Produktivität durch die rationell organisierten, vereinten Anstrengungen vieler spezialisierter Handwerker gesteigert wurde, wurden noch leistungsfähiger, weil sie viele dampfgetriebene Maschinen einsetzen konnten.
Wollte man die technischen Chancen für einen profitablen Produktionsbetrieb im vollen Umfang ausschöpfen, dann mussten die so hergestellten Produkte nicht nur ästhetisch, sondern auch hinsichtlich ihrer schnellen, kostensparenden Produzierbarkeit optimal geplant werden. So sollten Maschinen, Gerätschaften, Werkzeuge und Konsumgüter in großen Stückzahlen entstehen, mit denen die gestiegene Nachfrage des aufstrebenden Bürgertums wie auch der arbeitenden Bevölkerung befriedigt werden konnte. Ein Beispiel sind die seriell gefertigten Bugholzmöbel des Michael Thonet die schon ab 1830 weite Verbreitung fanden.
Als Vermittler zwischen den so gegensätzlichen Konzepten von Kunst und Industrie entwickelten sich Angewandte Kunst, Kunstgewerbe und Kunsthandwerk in jeweils spezifischen regionalen, nationalen Ausprägungen.
In England kam zum Beispiel in Reaktion auf die aufkommende mechanisierte Massenproduktion vorwiegend technischer Produkte wie z.B. Maschinen und Fahrzeuge Mitte des 19, Jahrhunderts die Arts and Crafts-Bewegung auf, die sich der Versöhnung von Kunst und Kunsthandwerk verschrieben hatte, um die kreativen Potenziale des Kunsthandwerks zu reanimieren und sich vom ‘seelenlosen’ Historismus der viktorianischen Ära zu emanzipieren. Bis etwa 1920 sollte diese künstlerisch geprägte Richtung den Stil britischer Konsumgüter wie Möbel, Leuchten, Innenausstattungen und Stoffe prägen.
Industrial Design international
In den USA führten die neuen, mechanisierten Produktionsmethoden zu einem geradlinigeren und pragmatischeren Stil, der aber immer noch Raum für verspielte Details und Linienführung ließ. Hier fand Thonet, über hundert Jahre nach Gründung, ideale Produktionsbedingungen und einen wachsenden Markt für seine Bugholzmöbel, die doch eigentlich aus einer ganz anderen frühindustriellen Epoche stammten. Die enorme Nachfrage des US-Binnenmarktes resultierte in einer schnell wachsenden Produktion, die durch Marketing und die parallel entstehende Werbeindustrie noch befördert wurde. Henry Ford’s am Fließband montiertes, und deshalb für breite Käuferschichten erschwingliches Model T wurde zu einer Ikone der Industrieproduktion und läutete eine Ära der ungebremsten Mobilität, auch von Arbeitskraft, ein. Das US-Automobildesign sollte die dem New Deal folgende wirtschaftliche Aufbruchstimmung auch formal verkörpern: Dank billigem Benzin sollten bis in die späten Fünfziger Jahre opulente bis schwülstige Blech-Ungetüme mit schlichter Technik und später auch dekorativen Haifischflossen über die Highways rollen. Ikonisch für diese Epoche seien hier nur der Verkaufsflop Ford Edsel und der 1959 Cadillac Coupe de Ville mit seiner exaltierten Linienführung genannt.
Form Follows Function
In der US-amerikanischen Architektur, auch ein Spielfeld des industriellen Gestaltens, finden sich zunächst noch aus früheren Epochen übernommene Ornamente, die aber bei den Wolkenkratzern immer weiter nach oben, und damit aus dem menschlichen Blickfeld rutschen. Gleichzeitig gerät die Stilistik der schnell zu errichtenden Bauten aus Stahl und Beton nüchterner und ist schließlich nur noch von ihrem Zweck und ausgeprägtem Repräsentationsstreben getrieben.
Das Aufkommen des aus Erdöl gewonnenen Kunststoffs sollte dem Industrie Design, vor allem in den USA, einen entscheidenden Schub verleihen. Der neue Werkstoff konnte, anders als sein Vorgänger Bakelite, jedwede Farbe oder Form annehmen und erlaubte damit ungezählte kostengünstig produzierbare Produkte für einen Massenmarkt. Unsterbliche Designklassiker sind die formgespritzten Fiberglass Chairs von Charles Eames.
Industrial Design, viel mehr als nur schöne Hülle
In Deutschland und international wirkt bis in die Gegenwart das von dem Architekten und Mitglied des Deutschen Werkbund Walter Gropius gegründete Bauhaus nach, das in den nur 14 Jahren seines Bestehens Kunst und Handwerk zusammenführen wollte, bevor es von den Nazis 1933 aufgelöst wurde. Sowohl in der Architektur, dem industriellen Bauen wie auch im Industrie bzw. Produkt Design und der Grafischen Gestaltung prägen seine ihm typische Geradlinigkeit und nüchterne Linienführung zahllose Produkte. Dass Deutsches Design international so gefragt ist, daran sind Gestalter wie Dieter Rams (20. Mai 1932, Wiesbaden), bei dem die Geradlinigkeit des Bauhaus in typisch deutscher Gründlichkeit mit solidem Ingenieurwissen verschmelzen. Legendär wurden Rams’ von radikaler Reduktion auf das Wesentliche gekennzeichnete Entwürfe, vor allem für die Marke Braun. Eine wichtige Rolle in der Geschichte des Deutsches Design spielte die unter anderem auch mit Mitteln aus US-amerikanischen Stiftungen gegründete Hochschule für Gestaltung Ulm, die 1953 ihren Lehrbetrieb aufgenommen hatte. Bis heute haben Rams’ 10 Thesen für gutes Design nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt.
Industrial Design Studieren
In Deutschland werden an etwa 50 Hochschulen Studiengänge in Produkt- bzw. Industrial Design, meist als Bachelorstudium, angeboten. In der Schweiz und Österreich kann das Fach an 10 bzw. 6 Hochschulen studiert werden. Vermittelt werden analog zum Berufsbild Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Entwurf, Ergonomie, Produktentwicklung, Betriebswirtschaft, Management, Konstruktion, Produktionstechnologie, Materialkunde, User-Experience und Brandbuilding. Viele deutsche Industriedesigner sind im Verband Deutscher Industriedesigner als Berufsständischer Vereinigung organisiert.
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