Drei Grafikdesignerinnen aus Hamburg und Berlin haben sich unter dem Projektnamen „notamuse“ zusammengeschlossen, um die nach ihrer Ansicht fehlende Sichtbarkeit von Grafikdesignerinnen in der Designöffentlichkeit kritisch zu beleuchten. Herausgekommen ist ein Buch namens „notamuse – A New Perspective on Women Graphic Designers in Europe“, das die Arbeiten von etwa 50 herausragenden Designerinnen zeigt. Das Werk enthält außerdem 22 Interviews über Design, das Arbeitsleben und Feminismus sowie ein Vorwort von Sarah Owens (Fachrichtungsleiterin Visuelle Kommunikation an der ZHdK).
Ausschlaggebend für die Initiierung des Projekts war die Enttäuschung über die Art und Qualität der Vorträge, wie sie an Hochschulen und auf Konferenzen gehalten werden. Endlose Portfolioshows von vor allem männlichen „Designgrößen“, die kaum über ihre tatsächliche Tätigkeit informieren, sondern hauptsächlich der Selbstdarstellung zu dienen scheinen, seien aktuell eher die Regel als die Ausnahme, so das Empfinden der drei notamuse-Initiatoren. Orientierung suchenden Studierenden werde so eine sehr einseitige Perspektive vermittelt. Berufliche Vorbilder auszumachen falle schwer, so die Ansicht der Designerinnen.
Diese Vorträge und die Events darum herum seien doch aber gleichzeitig eine der verbreitetsten Möglichkeiten, sich in der Designöffentlichkeit auszutauschen. Dies warf für notamuse die Frage auf, wieso dieser Diskurs eigentlich so stark männlich dominiert sei und wie es um die vielen Frauen steht, die in der Designbranche arbeiten. Es rief außerdem den Wunsch nach mehr weiblichen Vorbildern hervor, an denen sich Frauen besonders in der Zeit nach dem Studium orientieren können.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wurden 22 Interviews mit Designerinnen sowie mit Soziologinnen, Genderforscherinnen und Netzwerk-Gründerinnen geführt. Themen wie die neue Arbeitswelt und Frauen in „Männerberufen“, die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gestalter_innen und Sexismus im Berufsalltag, gestalterische Haltung, Arbeitsabläufe und persönliche Erfahrungen in der Designwelt sind nur einige der interessanten Themen aus den Interviews.
Diese Interviews werden nun im Buch „notamuse – A New Perspective on Women Graphic Designers in Europe“ veröffentlicht, begleitet von ca. 416 Seiten, auf denen außergewöhnliche Arbeiten von etwa 50 Designerinnen aus Europa präsentiert werden. Es ist der Ansatz von notamuse, den öffentlichen Designdiskurs zu diversifizieren, indem es ein Gegengewicht zu all den Publikationen bildet, die ausschließlich oder vorrangig Männer vorstellen.
DESIGNBOTE bietet hier einen kleinen Einblick mit Auszügen aus zwei der Interviews.
notamuse: Wie gleichberechtigt arbeiten wir heute?
Jasmin Müller-Stoy, Art-Direktorin Zeitmagazin: Auf den ersten Blick geht es sowohl in meinem privaten als auch im beruflichen Umfeld ziemlich gleichberechtigt zu. Doch bei genauerer Betrachtung sind es natürlich auch in meinem Freundeskreis doch häufiger die Mütter, die sich mehr um die Kinder kümmern und auch bei uns in der Redaktion sitzen mehr Männer in den Chefpositionen.Viele Männer treten laut und selbstbewusst auf, wohingegen Frauen häufig zurückhaltender agieren, bedingt durch gesellschaftliche Normen und Erziehung. Wenn Frauen sich heutzutage ähnlich in den Vordergrund spielen wie Männer, finde ich das zunächst oft irritierend. Gleichzeitig denke ich aber, dass es eigentlich ein gutes Zeichen für die Weiterentwicklung der Gleichberechtigung ist. Trotzdem finde ich es sympathischer, wenn Dinge mit einem gewissen Understatement passieren, egal ob bei einem Mann oder einer Frau. Ich bin in meine Stelle hineingewachsen, weil ich mein Umfeld auch ohne lautes Auftreten von meinen Fähigkeiten überzeugen konnte.
Für die Gleichberechtigung ist vor allem die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sehr wichtig. Hier kann sich gesellschaftlich noch viel tun. Länder wie Schweden zeigen, dass das gut funktionieren kann: dort ist es zum Beispiel völlig normal, dass nachmittags um vier keine Geschäftstermine stattfinden. Nicht jede Frau wünscht sich eine Familie, aber sollte sie diesen Wunsch haben, ist es natürlich auch hilfreich, einen Partner zu haben, der sie dabei unterstützt und zum Beispiel auch bereit ist, reduziert zu arbeiten. Einige Männer behaupten, dass sei in ihren Berufen oder Positionen nicht möglich, ich denke ihnen fehlt einfach der Wille.
notamuse: Gibt es zu wenige weibliche Vorbilder?
Amanda Haas, Berliner Designerin: Wir alle können bestätigen, dass es in unseren Geschichtsbüchern kaum Frauen gibt, denen eine aktive Rolle zugeschrieben wird. Meist werden sie nur als Ehefrauen berühmter Männer erwähnt, deren Rolle nicht explizit herausgestellt wird. Dasselbe gilt auch im Grafikdesign. Die Bücher, die wir haben, sind voller Männer, die Wunderbares erreicht haben, aber es kann gar nicht sein, dass die Frauen alle immer nur zuhause am Herd waren und Kinder geboren haben. Früher war ich sehr wütend darüber und habe es als meine persönliche Mission angesehen, dafür zu kämpfen, dass es weitergeht und dass ich – wie man so schön sagt, meinen Mann stehen kann – meine Frau stehen kann. Das ist inzwischen nicht mehr so. Es geht weniger um den Geschlechterkampf, aber es bleibt eine gesellschaftliche Auseinandersetzung. Wir tun oft so, als läge das schon lange hinter uns, aber es ist jetzt immer noch ein aktuelles Thema. Es gibt noch überhaupt keine Gleichberechtigung, denn sonst wären die Bücher bereits umgeschrieben.
„Notamuse – A New Perspective on Women Graphic Designers in Europe“ wird voraussichtlich im Frühjahr 2019 beim Schweizer Verlag niggli erscheinen. Am 30. Oktober wurde eine Kickstarter-Kampagne gestartet, die noch bis zum 29. Novmeber 2018 laufen wird.
Details zum Buch:
• zeigt grafische Arbeiten von 53 Grafikdesignerinnen aus ganz Europa
• beinhaltet 22 Interviews zu Themen wie Design, Arbeitsleben und Feminismus
• Vorwort von Dr. Sarah Owens (ZHDK Zürich)
• 22 x 31 cm groß, ca. 416 Seiten
• Hardcover, in englischer Sprache
• VVK-Preis: 35 Euro (+ Versand) anstatt 50 Euro Ladenpreis 2019
Bilder: notamuse.de
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