In unserer digital geprägten Welt ist der Fokus in vielen Arbeitsbereichen auf Effizienz und Zeitersparnis ausgerichtet. Informationen sollten so kurz und pointiert wie möglich übermittelt werden. Das papierlose Büro ist schon lange keine Illusion mehr. Wer heute noch Notizen in einer hübschen Kladde notiert, erntet bestenfalls einen verständnislosen Blick. Selbst die kreativen Dienstleister, seien es Grafiker, Designer, Architekten oder Illustratoren, sollten doch heutzutage bitte mit einem Tablet oder Laptop zum Meeting erscheinen und die besprochenen Ideen protokollarisch festhalten. Wem ist heutzutage noch das Scribbeln ein Begriff?
Das eingedeutschte Wort „Scribbeln“ stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum. „Scribble“ bedeutet so viel wie „Gekritzel“ oder „Schmiererei“, und so etwas will man doch heutzutage nicht mehr an einem sauber aufgeräumten Arbeitsplatz. Oder vielleicht doch? Dürfen Designer und Grafiker oder gar Architekten heute noch scribbeln? Eines vorweg: Wer auf sein papierloses Büro nicht verzichten möchte, Scribbeln funktioniert auch ohne Papier und Stift …
Warum das Scribbeln die persönliche Kommunikation unterstützt
Viele Grafik- und Webdesigner sehen sich tagtäglich mit der Herausforderung konfrontiert, die Wünsche und Visionen von Kunden punktgenau umzusetzen. Wer beim Kundengespräch lediglich Stichpunkte aufschreibt, die er am nächsten Morgen visuell umsetzen möchte, stößt rasch an seine Grenzen. Denn das textliche Formulieren von visuellen Vorstellungen fällt Gestaltern in der Regel schwerer als die direkte kreative Umsetzung während des Gesprächs.
Das Scribbeln kann entsprechend eine Art visuelles Brainstorming im Kundengespräch sein. Während der Auftraggeber über seine Visionen philosophiert, hält der aufmerksame Gestalter direkt seine Ideen als Zeichnung und Skizze auf Papier fest. Im besten Fall liegen Papier und der bevorzugte Stift bei Gesprächsbeginn offen auf dem Tisch. Eine kurze Erläuterung über das Scribbeln schadet zu Anfang nicht. Denn beim Kunden könnte sonst der Eindruck entstehen, der Designer würde nicht zuhören.
Die Vorteile dieses offenen Skizzierens liegen auf beiden Seiten. Für den Designer selbst ist es hilfreich, auch Tage nach dem Gespräch anhand des Scribbles einen „echten“ Gestaltungsentwurf zu erstellen. Denn häufig lassen sogar eigene schriftliche Notizen eine große Bandbreite an Interpretationsspielraum zu und es fällt schwer, sich an den genauen Wortlaut des Kunden zu erinnern.
Auch für den Kunden ist ein Scribble hilfreich. Gibt er beispielsweise ein neues Firmenlogo in Auftrag, hat er sich bestimmt lange Zeit vor dem Ersttermin mit dem Logo-Designer Gedanken über die passende Gestaltung gemacht. Weil der Kunde aber kein Designer ist, sind seine Vorstellungen über die Möglichkeiten des neuen Logo-Designs höchstwahrscheinlich begrenzt. Beim Erzählen und gleichzeitigen Zuschauen des Scribbelns entstehen im Idealfall ganz neue Ideen und ein gemeinsames Entwickeln des zukünftigen Logos.
Scribbeln – ohne Papier und Stift?
Die meisten Designer, egal welcher Spezialisierung, arbeiten heute am Computer. Grafik und Design entstehen digital, werden digital bearbeitet und häufig auch digital publiziert. Natürlich ist gerade die Umsetzung von grafischen Elementen und Designs mit Software und Tools eine Kunst für sich, die einer Menge Erfahrung und auch technischem Know-how bedarf. Doch alleine die erste Umsetzung von Ideen auf dem Bildschirm kann den kreativen Prozess kurzzeitig hemmen.
Scribbles sollten impulsiv entstehen, ohne jedweden Anspruch an Perfektion. Auch wer beispielsweise als Webdesigner den Auftrag für die Erstellung einer Website-Struktur erhält, kann beim Scribbeln seinen Ideen freien Lauf lassen. Mit textlich erstellten Notizen oder ersten Layouts am Bildschirm gehen rasch erste Ideen und Impulse verloren. Beim Scribbeln hingegen wird die kreative Arbeit angekurbelt und die Ideen fließen bestenfalls vom Kopf in den bevorzugten Stift und aufs Papier.
Natürlich gibt es heute auch Kreative, die das Arbeiten am Bildschirm oder auf Displays bevorzugen. Das Scribbeln ist keine veraltete Disziplin vergangener Tage, die einzig und allein auf dem Zeichenblock stattfinden muss. Einige Hersteller bieten spezielle Grafiktabletts an, die mit einem speziellen Stift (Stylus) bedient werden und das Scribbeln ebenso ermöglichen wie analog auf Papier. Auch für Tablets von Microsoft und Apple gibt es funktionale Tools und Apps für digitales Scribbeln. Hier bietet Adobe mit Photoshop Sketch beispielsweise tolle Möglichkeiten, ebenso wie Paper von FiftyThree. Die Zeichen- und Kreativ-App Procreate für iOS-Geräte erhielt sogar den Apple Design Award.
Fazit
Scribbeln unterstützt den kreativen Denkprozess und fördert die Ideenfindung. Im direkten Kundengespräch sorgt das Scribbeln für die Präzisierung von Gedanken und Vorstellungen. Der offene Gedankenaustausch hilft in Verbindung mit der gleichzeitigen Visualisierung beim gemeinsamen Entwickeln eines Designentwurfs. Scribbeln inspiriert, präzisiert und unterstützt die persönliche Kommunikation. Kurzum: Das Scribbeln ist keine Nostalgie, sondern vielmehr ein zeitloses Handwerkszeug für Kreative.
Bilder: pixabay
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