Marion Pinaffo & Raphaël Pluvinage sind die geistigen Eltern vonPapier Machine’ einem Heft, bestehend aus 13 elektronischen Spielereien aus dünnem Karton. Wer mit ihnen spielen will, muss sie ausschneiden bzw. entlang der Perforationen reißen, kann sie bunt malen, falten, zusammenbauen oder was auch immer. Die vorperforierten Ausschneidebögen sind mit speziellen Siebdruckfarben bedruckt, die verschiedene elektrische Eigenschaften aufweisen. Die Spielzeuge, die aus den Bögen entstehen, laden zu einem Blick hinter das Papier ein: Da wartet nämlich eine ganze Welt von Materialien, Formen, Farben und Stories, ja sogar Gerüchen auf den Spieler.  

 

“In the electronic tropics, paper mutates. On this printed land, we stride along the silkscreened silver paths and their networks of batteries and connected roots, we pick bunches of metamorphosis and plant a projection space where intuition leads the game. Rules are simple: developing spontaneous shapes, a free and fictional act, in order to set new linguistics between machine and paper.”

 

Was ist Euer beruflicher/ akademischer Background. Würdet Ihr Euch selbst ‘Designer’ nennen?

“Wir haben 2013 bzw. 2015 unsere Abschlüsse an der Hochschule Ensci Les Ateliers in Paris gemacht. Ensci – Les Ateliers ist in Frankreich eine wichtige Designschule. Vorher hatte Marion an der Hochschule ‘Ensaama in Olivier-de-Serres’ im Fach Metallbearbeitung abgeschlossen. Raphaël hat ein Ingenieur-Diplom von der Université de Technologie in Compiègne.

Weil wir ganz klar in den Grenzbereichen verschiedener Disziplinen arbeiten, fällt es manchmal schwer, uns als irgendwas zu bezeichnen. Je nach dem, an welchem Projekt wir grade arbeiten, können wir Designer, Künstler oder Forscher sein.”

 

Woher kommt diese Affinität für Karton und Papier?

“Wie der Titel des Projekts schon sagt, besteht ‘Papier Machine’ hauptsächlich aus Papier, einen vertrauten Material das auch mal einen Fehler verzeiht. Papier kann geschichtet, gefaltet, geknittert, gebogen, geschnitten, zerteilt, ausgefranst, gebügelt, an Wände geklebt, zu Büchern gebunden werden: diese schlichten Handlungen ermöglichen interaktive Erfahrungen mittels Super Low-Tech.”

 

Was hat Euch dazu inspiriert, Siebdruck, Papier und Elektronik zu ‘Papier Machines’ zu kombinieren?

Diese Kombination hilft uns, eine hohe Qualität des Siebdrucks, leichte Materialverfügbarkeit dank der Wahl von Papier und eine hohe Komplexität durch die elektrisch leitenden Druckfarben zu erreichen.

Unsere grafische Inspiration beginnt mit der technischen Vorbedingung für eine elektrische Schaltung für die Spielzeuge, nämlich die silberbasierte Druckfarbe. Wir wollen ja, dass die Spielzeuge sowohl funktional wie auch dekorativ sind. Der Spieler muss die Schaltung nicht unbedingt verstehen, um Spaß daran zu haben. Aber wenn er neugierig wird, dann kann er anfangen sich die Schaltung genauer anzuschauen, sie zu analysieren und schließlich zu verstehen.

Wir nutzen ein geometrisches, abstraktes Alphabet von Formen um Raum für die persönliche Wahrnehmung des Benutzers zu lassen. Jeder kann, wenn er will Monster, Städte, Sportplätze oder auch Rennstrecken in unseren Spielzeugen sehen. Genau so kann man auch die verschiedensten Dinge betrachten, wenn man sich die Elektronik unserer Mobiltelefone unter dem Mikroskop ansieht. Und genau solche Bilder haben uns inspiriert.

Aber wir haben uns auch von elektronischen Spielautomaten für unsere Spiele inspirieren lassen. Mit unseren Ausschneidebögen aus Papier haben wir im Grunde versucht eine primitive Version dieser ‘Arcade Games’ zu schaffen.”

 

Hat Eure spielerische Beschäftigung mit ‘Papier Machines’ zu irgendwelchen kommerzielleren Anwendungen geführt, von denen man eventuell sogar leben könnte?

“Letzten Juni haben wir das Projekt, das bis dahin eigentlich nur eine Erkundung und nicht auf ein Produkt ausgerichtet war, abgeschlossen. Aber das Feedback war bis jetzt schon so positiv, dass wir darüber nachdenken es zu einem Produkt werden zu lassen. Wir verkaufen sie also noch nicht, sondern erkunden aktuell noch die möglichen Kanäle. Inzwischen verstärkt Agnes unser Team und wir planen eine Crowdfunding-Kampagne im Herbst 2017.”

 

Als Kind hing die Decke meines Kinderzimmers voll mit Flugzeugmodellen aus Ausschneidebögen. Hattet Ihr vielleicht ähnliche Schlüsselerlebnisse?

Raphaël: “Ich verbringe tatsächlich eine Menge Zeit damit verschiedene Flugzeuge in verschiedenen Techniken, Formen, Größen und mit unterschiedlichem Flugverhalten zu bauen. Das war und ist absolut das beste Spielzeug mit dem ich jemals gespielt habe.”

Marion: “Ich habe nicht so viel mit Flugzeugen gespielt. Aber ich habe mich sehr lange und intensiv mit den Charakteristika und Qualitäten von Papieren befasst. Meine Mustersammlung ist ziemlich umfangreich und meine Leidenschaft für Illustrationsbücher von Autoren bzw. Gestaltern wie Bruno Munari, Tomi Ungerer, Fredun Shapur, Claude Ponti und vielen anderen, die ich als Kind schon besaß, hält bis heute an.”

 

Habt Ihr konkrete Karrierepläne?

“Wir machen einfach auch weiterhin, was wir jetzt tun. Nur mit mehr Nachdruck und natürlich noch besser!”

 

POWER REVERSER

WIND SENSOR

WIND SENSOR

 

 

 

 

 

 

WRITING TRACK/ PISTE D’ÉCRITURE/ TONSPUR
Ein wenig Gekritzel mit dem elektrisch leitenden Graphitstift lässt gespenstische Töne und Rhythmen erklingen.

 

PLAYING TRACK/ PISTE DE LECTURE
Diese Tonspur wird von der zickzack erdwärts rollenden Kugel zum Erklingen gebracht. Morsezeichen, Sprachfetzen und Melodiefragmente…

TILT SWITCH

COLOR SENSOR

GYROSCOPE
Gar nicht so einfach, die Stahlkugel auf Spur zu halten. Wem es aber gelingt, der kann sich am munteren elektronischen Fiepen erfreuen.

Papier Machine

HUMIDITY SENSOR

MASS SENSOR

PHOTO RESISTOR

 

https://www.papiermachine.io/
helloworld@papiermachine.io
http://ensaama.net/site/
http://www.ensci.com/

Danke Marion und Raphaël

Mit Marion Pinaffo und Raphael Pluvinage sprach DESIGNBOTE Redakteur Wolfgang Linneweber

 

Marion Pinaffo
* 1987, Tarn/ F
Absolventin der renommierten Schule ‘Ensci – Les Ateliers’ als Designerin und der Kunsthochschule l’Ensaama Oliver de Serres im Bereich Metallbearbeitung. Sie erfindet grafische Systeme, mit denen das Publikum spielen kann. Ganz gleich wie groß der Maßstab oder das Material sind, von Räumen bis zu Objekten, sie verführt ihr Publikum zu sowohl intuitiven wie einmaligen Erlebnissen und vermittelt ihm Spaß und Begeisterung.

Marion hat bereits für das Londoner Design Studio Doshi Levien gearbeitet und kooperiert häufig mit dem bekannten französischen Illustrator Benoît Bonnemaison-Fitte und dem Graphikdesign- und Illustrationsstudio ‘Forme Vives’. Sie durfte sich unter anderem schon über Aufträge der renommierten Kulturinstitutionen ‘Centre Pompidou’, ‘La Villette’ und der ‘Biennale du Design in Saint Etienne freuen.

@marionpinaffo on instagram
http://www.pinaffo.li/

 

Raphaël Pluvinage
*1986, Montpellier/ F
Absolvent der renommierten Schule ‘Ensci – Les Ateliers’ und der  Technischen Universität Compiègne. Ganz gleich, ob es sich um ein Objekt, ein Spiel, eine Installation oder einen Film handelt, Raphaëls Projekte entstammen alle einer Welt in der die Technologie auf den Kopf gestellt wird. Er schafft eine Welt, in der Spaß am Spiel und Erlebnisse zu Werkzeugen werden, den Spieler zur kritischen Auseinandersetzung einladen und sein Verständnis von Technologie verändern.

Zu seinen Auftraggebern zählten das Theater ‘Gaité Lyrique’ und die ‘Biennale Internationale de Design’ in Saint-Etienne, seine Arbeiten werden in der ständigen Ausstellung der französischen FNAC (Fonds National d’Art Contemporain) wie auch international gezeigt. Neben seiner persönlichen Arbeit hat Raphael schon mit dem Londoner Designstudio ‘Superflux’ zusammengearbeitet und ist Mitbegründer und Chefdesigner des Startups ‘Smiirl’, das sich mit dem Internet der Dinge befasst.

Instagram: @raphael_pluvinage
https://www.instagram.com/raphael_pluvinage/