Auch im neuen Jahr gibt DESIGNBOTE exklusive Einblicke in die schöpferische Arbeit bei Monotype. In der Serie „Inside the Monotype-Studio“ über die kreativen Köpfe, die hinter den bekannten Monotype-Schriften stecken, wurden bisher drei Interviews geführt. Auf Type-Designer Jan Hendrik Weber und die Schriftdesigner Alexander Roth und Akira Kobayashi folgt nun die erste Frau im Bunde: Marianna Paszkowska, Font Engineer bei Monotype.

Marianna Paszkowska ist Font Engineer bei Monotype in Berlin. Sie hat an einer Reihe von Exklusiv-Schriften für Marken sowie für die Monotype Library mitgewirkt und ist auf die Entwicklung variabler Schriften spezialisiert.

Für DESIGNBOTE hat sie einige Fragen über sich und ihre Arbeit beantwortet. So spricht sie darüber, wann sie begann, sich für Schriftgestaltung zu interessieren und über die Herausforderung, Schriften gedruckt und auf jedem Screen gut aussehen zu lassen.

DESIGNBOTE: Frau, Paszkowska, wie vollzog sich Ihr Einstieg in die Bereiche Schriftgestaltung und Font-Engineering?

Ich denke, meine kreativen und einfallsreichen Eltern inspirierten mich. Mein Vater ist ein Maler, Experte für Radierungen und ein digitaler Medienkünstler, meine Mutter eine Bildhauerin. Mein Vater brachte mich bereits von klein auf mit grafischen Techniken und dem Druck in Berührung.

Also studierte ich später Design und Printhandwerk, aber irgendwann wurde mir die Arbeit mit dem Beitel zu mühsam. Die schwarz-weiße Welt der Schrift schien mir in vielerlei Hinsicht mit dem Linolschnitt und dem Gravieren verwandt … dann aber wieder so anders, dass ich sehr neugierig wurde, die Unterschiede zu erforschen.

Es war während meines Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in Danzig, als ich anfing, mich zunehmend für Typografie zu interessieren. Ich befasste mich zunächst mit Kalligrafie, um die Formen der Buchstaben und ihr Zusammenspiel besser zu verstehen. Und schon bald träumte ich davon, eine eigene Schrift zu entwerfen.

Kurz darauf traf ich die harte Entscheidung, meine Designausbildung an der Akademie der Bildenden Künste zu beenden, um autodidaktisch in die Welt der Schriftgestaltung einzutauchen. Ich reiste durch Polen und Europa und nahm an verschiedenen Konferenzen und Workshops teil. Bei diesen Gelegenheiten traf ich Kalligrafen und Designer, die ich bewundere, zum Beispiel Martin Majoor und Verena Gerlach. Es war für mich der einzig logische Weg, um zu prüfen, ob mir das Type-Design wirklich liegt und eine berufliche Perspektive für mich sein kann. Als ich dann anfing Buchstaben zu entwerfen, konnte ich nicht mehr aufhören. Mein Interesse für Technik und Programmierung führte mich dann zwangsläufig ins Font-Engineering.

Welche Projekte erfüllen Sie mit Stolz?

Vor allem auf meine Arbeit beim Meta-Variable-Font-Projekt. FF Meta war die erste digitale Schrift von Erik Spiekermann, inzwischen weltbekannt und eine meiner persönlichen Favoriten. Ich hatte die große Ehre, diese Schriftfamilie ins Variable-Font-Format zu überführen. Das war eine Menge Arbeit, eine echte Teamleistung. Und nun, wenn ich sie im Einsatz sehe, bin ich sehr stolz.

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Auch in den vergangenen Monaten habe ich mich intensiv mit der Erforschung und Entwicklung variablerer Schriften beschäftigt. Mich interessiert vor allem, wie Nutzer sie in ihren jeweiligen Umgebungen einsetzen können und welche Vorzüge die neue Technik bringt. Nebenbei wirke ich an den Entwicklungen von Neuentwürfen für die Monotype-Bibliothek und an Exklusivschriften für Marken mit.

In meiner Freizeit arbeite ich an einem Lettering-Projekt, in dem ich positive und motivierende Sprichwörter visualisiere: Balsam für die Seele. Meine Idee ist es, gute Inhalte in eine optisch ansprechende Form zu bringen.

Gibt es für Sie als Font Engineer auch echte Design-Helden?

Oh, es sind viele!

Ich bewundere Paola Antonelli sehr, die Kuratorin des New Yorker MoMA. Ihr ist es wie keinem anderen gelungen, das öffentliche Verständnis von Design in all seinen Variationen zu fördern. Sie veranschaulicht in fast allen ihren Projekten, wie raffiniert Design Wissenschaft, Technologie, Schönheit und Nutzen verknüpft. Design ist ständig im Wandel, und deshalb braucht es Kuratoren wie sie, die uns Experten den Weg weisen und uns helfen, Stereotypen im Design zu erkennen und zu hinterfragen.

Als Geek möchte ich die Mathematikforscherin Katherine Johnson erwähnen. Ihre Lebensgeschichte inspiriert mich sehr. Die Art und Weise, wie sie ihrer Leidenschaft folgte und schließlich die Berechnungen für die erste Mondlandung 1969 durchführte, ist spannend und lehrreich zugleich. Und ihr Kampf gegen Ungleichheit und Unrecht ist für mich ein Anreiz dafür, auch heute stets die Gleichstellung der Frauen im Auge zu behalten.

Im Bereich Lettering begeistert mich Martina Flor. Ich liebe ihre heiteren, farbenfrohen Buchumschläge, Poster und Pins. Ihr Schaffen motiviert mich zu regelmäßigen Übungen und der Arbeit mit Schriftstücken und typografischen Objekten.

In der Schriftgestaltung inspiriert mich Adrian Frutigers Schaffen … und seine Bücher darüber. Frutigers Meisterwerke zu studieren bereitet mir großes Vergnügen. Wann immer ich die Gelegenheit habe, im Rahmen meines Jobs bei Monotype an seinen Schriften zu arbeiten, erfüllt mich das mit Glück und Begeisterung.

Gerard Unger bewundere ich für seinen zielorientierten Weg im Schriftdesign. Die Details in seinen Schöpfungen sind beeindruckend, genauso wie seine theoretischen Ausführungen dazu. Sie helfen allen Type-Designern, seine Tradition fortzusetzen. Schade, dass er im November 2018 von uns gegangen ist. Für mich bleibt er ein Idol.

Wohin wenden Sie sich für Inspiration?

Für mich kann alles Inspiration sein. Beim Entwerfen von Schriften zum Beispiel ein Werkzeug, ein historischer Schriftzug oder eine technische Einschränkung, für die ich dann gerne eine Lösung entwickeln möchte.

Wenn ich im Alltag oder bei der Arbeit mal nicht weiterkomme, wende ich mich gerne der Natur oder der Kunst zu, um mich beflügeln zu lassen. Ein Nachmittag in einem botanischen Garten, einem Park oder ein Spaziergang am Ufer eines der vielen Berliner Seen bringt mich sofort auf andere Gedanken. Ich besuche auch gerne Kunstmuseen und Galerien. Der Kontakt mit der Kunst hilft mir, wieder eins mit mir selbst zu werden. Ich mag das, wie Kunst mich dazu bringt, nachzudenken, etwas zu hinterfragen, Veränderungen anzustoßen und eine emotionale Reaktion auszulösen.

Was ist für Sie als Font Engineer der wichtigste Trend im Schriftdesign?

Während des gesamten Jahres 2018 hat es mich gefreut zu sehen, wie sich variable Fonts von einer technologischen Neuheit in eine ausgereifte Technologie verwandelten, endlich einsatzbereit, um vielen Nutzern einen Mehrwert zu bieten. Für alle, die noch nicht damit vertraut sind: Ein variabler Font ist eine einzige Schriftdatei, in der alle Schnitte und Varianten einer Schriftfamilie enthalten sind. Alle Merkmale – von Breite über Strichstärke, Neigung, historische Formen oder optische Größen – sind in dieser Datei definiert, die ziemlich klein ist, weil keine einzelnen Fonts enthalten sind, sondern »nur die Spielregeln«, nach denen später das Schriftbild vor dem Auge des Betrachters entstehen soll. Faszinierend.

Inzwischen bieten die wichtigsten Grafikdesign-Softwares und alle gängigen Browser Unterstützung für variable Fonts. Es war wahrscheinlich die schnellste Feature-Implementierung in der Geschichte von CSS, weil sich die gesamte Industrie einig war, wie nützlich das ist. Aufgrund seiner Effizienz stößt das Format bei Webdesignern und Entwicklern auf großes Interesse. Und so verfolge ich mit Interesse, wie das neue Format auf Websites, in Brandings und bei Corporate Identities erste Spuren hinterlässt. 2019 wird das Jahr der Variable-Font-Aha-Erlebnisse.

Vielen lieben Dank für dieses informative Gespräch und den Einblick in Ihre Arbeit als Font Engineer bei Monotype, Frau Paszkowska!

Bilder „Meta Variable“: Anatole Couteau
Porträtfoto: Małgorzata Popinigis