In unserer Serie “Inside the Monotype-Sudio” bieten wir unseren Lesern in den nächsten Wochen einen kleinen Einblick in die Arbeit der Kreativen bei Monotype. Vom Werdegang der einzelnen Designer über die tägliche Inspiration bis hin zu den Herausforderungen bei der Schriftgestaltung, DESIGNBOTE hakt nach und zeigt die interessantesten Projekte der Type-Designer und Schriftgestalter. Den Anfang machte Type-Director Jan Hendrik Weber. Im zweiten Teil stellt sich Type-Designer und Schriftgestalter Alexander Roth unseren Fragen.

Geboren in der ehemaligen Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik (heute Tadschikistan) und aufgewachsen in Deutschland, war Alexander schon in jungen Jahren fasziniert von Sprache und von der Form der Buchstaben. Zunächst absolvierte er ein Studium in Videoproduktion, Animation, Grafikdesign, Typografie und Schriftgestaltung, bevor er als Praktikant bei dem weltbekannten Schriftverlag FontFont begann. In den folgenden Jahren arbeitete er als Grafikdesigner für FontFont, als Lead Graphic Designer für FontShop und als Marketingmanager für die Webshops von Monotype, darunter FontShop.com, FontFont.com, Linotype.com und MyFonts.com. Schließlich wechselte Alexander zum Type Team von Monotype und zur typografischen Markenberatung. Sein Portfolio umfasst Arbeiten für Verkehrsunternehmen, Automobilhersteller und Regierungsdienstleister.

Alexander hat einen Bachelor-Abschluss in Medienproduktion, einen Master-Abschluss in Schriftgestaltung von der Königlichen Kunstakademie (KABK) in Den Haag sowie eine handvoll Branding-Zertifikate und Auszeichnungen vom Type Directors Club in New York.

DESIGNBOTE: Wie kamen Sie zur Schriftgestaltung?

Alexander Roth: Wie vermutlich so oft beginnt eine ein Leben lang währende Leidenschaft ganz unbedacht. Bei mir war das ein unschuldiges Gebot auf eine Sammlung von drei Büchern auf Ebay. Eines war eine Sammlung der besten Anzeigen im Spiegel, ein anderes eine Art Jahrbuch prämierter Geschäftsdrucksachen und letztlich – ein Kollateral-Kauf – ein Buchtitel wie ein Benjamin-Franklin-Zitat: »type is money«. Dieser Begleiter zur TYPO-Konferenz sollte sich als Wegweiser zu einer mir bis dato verborgenen Welt erweisen. Der Herausgeber FontShop wurde Jahre später mein erster Arbeitgeber, die Veranstalter der TYPO Berlin wurden meine Kollegen und Freunde, einige der Autoren meine Lehrer und Mentoren an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag.SchriftgestalterAn welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?

Die Position eines Schriftgestalters bei Monotype erweist sich als Segen und Fluch zugleich. Man ist gesegnet durch eine Vielzahl spannender Projekte für unterschiedlichste Branchen in zahlreichen Geografien und verflucht durch Verschwiegenheitsklauseln, die wir zum Schutz unserer Auftraggeber einzuhalten geloben. Nur so viel: auf meinem Tisch befinden sich im Augenblick Entwürfe für die hauseigene Bibliothek, Projekte für die Automobil- und Kraftrad-Industrie sowie Auftragsarbeiten für öffentliche Institutionen.Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Es sind bei mir sicherlich die Erstgeborenen. Diejenigen Projekte, bei denen ich mich zum ersten Mal an einen bestimmten Sachverhalt oder eine Disziplin heranwagte. Dazu zählt Raketa, meine erste vollständig ausgebaute Schriftart und Schriftgestaltung im Rahmen meiner Bachelorarbeit. Uoma, meine ganz persönliche Hommage an Roger Excoffons Antique Olive, die ich als Abschlussarbeit an der Königlichen Kunstakademie in Den Haag zeichnete. SWARM, meine erste parametrische Schriftart und schließlich die Mini-Sites ffmark.com und ffkievit.com, mit denen ich gemeinsam mit den Kollegen von FontFont den Versuch unternahm, die Grenzen digitaler Schriftmuster neu zu zeichnen. Wer genau hinschaut, sieht auf FontShop.com auch heute noch unzählige Anleihen von den vergleichsweise winzigen Projekten.

Zeigen Sie uns ein paar Bilder dieser Projekte?

Ein paar meiner Arbeiten sehen Sie hier:

Wer sind Ihre Design-Helden?

Für mich persönlich gilt die Idee eines Grafikdesigners, der als Philanthrop die Informationsströme unserer „VUCA“-Welt* kartografiert, ordnet und für sein Gegenüber leicht verdaulich aufbereitet, als besonders attraktiv. Diese Art von Formgebung – maßgeblich durch Prinzipien der Ordnung bestimmt – finde ich äußerst gelungen umgesetzt in Arbeiten aus den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Gestalter wie Otl Aicher, Rolf Müller, Anton Stankowski und Bob Noorda bestechen durch eine aufs Grundlegende reduzierte Formensprache, die im Umkehrschluss den größtmöglichen kommunikativen Effekt nach sich zieht. Darüber hinaus kann ich mich neben Arbeiten einzelner Individuen wie Erik Spiekermann, Evert Bloemsma, Roger Excoffon, Adrian Frutiger, Artemy Lebedev, Galina Andrejewna Balaschowa und Flaminio Bertoni als auch an den Portfolios von Unternehmen wie Unimark, Wolff Olins, Saffron und Kontrapunkt nicht sattsehen.Wo finden Sie Inspiration für Ihre Schriftgestaltung?

Ich finde Karl Lagerfelds Ansatz mit »Appetit kommt beim Essen, Ideen kommen beim Arbeiten« besonders charmant. Bei mir heißt »Arbeit« dann, kleine bunte Tonpapierschnipsel zu Farbkollagen zusammenzuschieben, meine Reisen in fotografischen Broschüren oder Plakaten festzuhalten, zu siebdrucken und unentwegt zu skizzieren. Schließlich müsse ein guter Entwerfer trainieren wie ein Sportler, so Stankowski. Diese Art von intrinsischer Inspiration halte ich für besonders wertvoll und ertragreich. Abgesehen davon lasse ich mich sehr gerne von spannenden Persönlichkeiten berieseln, wie in der von Max Zerrahn und mir initiierten »At Home With«-Serie, dem einen oder anderen Buch und Instagram-Beitrag.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends im Schriftdesign und der Schriftgestaltung?

Variable Fonts – sei es als technisches/ästhetisches Gerüst für ein Erscheinungsbild, ein leicht zugängliches Rapid-Prototyping-Tool oder als Bandwidth-Schmeichler. Die Arbeit meiner beiden Kollegen Olli Meier und Bernd Vollmer für die jährliche Schrift-Technologie-Konferenz TYPO Labs 2018 ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie ein flexibles typografisches Konzept sich mittels eines Variable Fonts jeder starren Projektionsfläche anschmiegt.

Für die Feinjustierung von Auftragsarbeiten als auch bei internen Projekten für unsere Bibliotheken sind Variable Fonts ebenfalls unverzichtbar. Es kann auch mal vorkommen, dass der Auftraggeber selbst mit vorher von mir angelegten Interpolationsachsen spielt, so lange bis ihn der Entwurf anlacht. Das geht natürlich nur in Ausnahmefällen und nur mit Agenturen, die über ein reiches typografisches/schriftgestalterisches Verständnis verfügen. Trotzdem, diese Art von Zugänglichkeit ist erfrischend.

Kaum zu glauben, aber eine Verzögerung der Ladezeiten um eine Sekunde würde Amazon astronomische 1,6 Milliarden** US-Dollar jährlich an Umsatz kosten. Auch wer kein eCommerce betreibt, für den bleiben Ladezeiten ein Thema, schließlich ist das ein Google-Ranking-Faktor. Hier kommen ebenfalls Variable Fonts ins Spiel, die um bis zu 50 Prozent kleiner ausfallen als ihre klassischen auf einzelne Schnitte aufgeteilten Pendants.

Vielen Dank, dass Sie unseren Lesern einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit bei der Schriftgestaltung gegeben haben, Herr Roth!

Im dritten Teil unserer Monotype-Serie berichtet Schriftdesigner Akira Kobayashi über seinen kreativen Alltag der Schiftentwicklung.

*VUCA steht für volatility (Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit).

**https://www.fastcompany.com/1825005/how-one-second-could-cost-amazon-16-billion-sales

Bildmaterial: Norman Posselt (https://www.normanposselt.com/de)