Designer: So, ich hab’ die Seite fertig. Wie findest du sie?
Texter: Ähm…
Designer: Ja wie „Ähm…“?
Texter: Also, ich weiß nicht, das passt so nicht.
Designer: Das sieht doch gut aus, ich hab den Text ein bisschen gekürzt und die Reihenfolge verändert.
Texter: Ja, eben.
Gespräche dieser Art zwischen Design- und Text-Berufenen sind typisch. Wieso eigentlich? Dieser Text versucht’s abzubilden. Und bitte, liebe Designer, Grafiker und alle bildlich denkenden und arbeiten Kollegen: Starker Kontrast ist nicht nur ein Design-Prinzip, sondern gehört in Form von Übertreibung und Vereinfachung auch zum Handwerkszeug des Schreibenden.
1 Bild sagt mehr als 1000 Worte – je nachdem…
Schon, das Sprichwort mit dem Bild, das mehr sagt als Tausend Worte, ist ja nicht falsch. Im Gegenteil: Richtig angewandt, ist es sogar meistens richtig. Aber meine Erfahrung als Texter ist die, dass es wird oft als Totschlag-Argument verwendet wird. Es komme doch ausschließlich auf rein visuelle Dinge wie Design, Layout und Satz einer Seite an. So nach dem Motto „Ach Gottchen, da ist ja auch noch der Text. Den biegen wir uns zurecht und bringen ihn schon irgendwo unter.“
Grafik-Designer lesen (oft) nicht
Was folgt daraus? Texte, gerade diejenigen mit komplexen, z. B. technischen Inhalten, werden ungern bis gar nicht gelesen. Das soll NICHT heißen, dass Designer nicht in der Lage sind, komplexe Sachverhalte textlich zu erfassen. Es ist meiner Meinung nach vielmehr so: Vom Text-Kollegen geschriebene Zeilen interessieren eigentlich nur als das, wie sie das Designer-Auge sieht. Nämlich schlicht und einfach als: Zeilen. Zeilen, die einen Text formen, der wiederum eine bestimmte Länge hat. Der Text wird also zum Block, zum Bild, zum Etwas, was man herumschiebt, bis es passt.
Vorschriften statt Vorbilder
Es ist auch oft nicht einfach: Grafisch arbeitende Kollegen unterliegen ähnlichen formellen und inhaltlichen Zwängen wie der Texter in Form von Rechtschreibregeln: Er muss sich Gedanken machen und oft rigide Vorgaben beachten: etwa bei Format, Satzspiegel, Schrift, Grafik sowie Farbe. Und dann, ja dann kommt auch noch jenes Element Text daher, das der Texter bzw. Redakteur erstellt hat. Nun hat er zwar die Chance (oder Pflicht), Prinzipien wie Nähe, Ausrichtung, Wiederholung und Kontrast zu beachten, die für mehr Gliederung und/oder Aufmerksamkeit sorgen. Jedoch bleibt oft der Gestaltungsrahmen relativ eng – und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Kurz gesagt, der Text ist zu lang
Jetzt hat der Grafik-Designer den (Buchstaben-)Salat: Layout steht, Bilder sind drin, Farbe stimmt. Also alles passt, bis auf den Text. Der ist zu lang. Die Lösung ist denkbar einfach: Naja, eigentlich ja nur der letzte Absatz. Und wenn man ihn gegen den zweitletzten austauscht? Irgendwie steht ja doch das Gleiche drin. Super, dann sitzt alles. Und der Kollege vom schreibenden Gewerbe? Der soll sich mal nicht so haben. Schließlich erspar’ ich ihm Arbeit.
Es geht auch anders herum (nicht)
Wie alles, so hat auch diese Geschichte zwei Erzählweisen: Es gibt auch Texter und Redakteure, die die grafische Umsetzung einer Bild-Text-Idee oder eines Artikels mit Instant-Kaffee verwechseln und alle Design-Finessen in einem Aufguss erwarten. Viele Text-Kollegen halten sich für die wahren Macher, weil sie thematisch tiefer in der Materie sind. Aber woran liegt das? Das ist so, weil man es Texten schlicht und einfach anmerkt, wenn sie nur an der Oberfläche bleiben. Begleitende Bilder oder Grafiken wiederum werden selten vom Grafik-Kollegen angefertigt, sondern stehen bereits fertig zur Verfügung.
Die Lösung: Arbeit im Gespann
Jetzt könnte man sagen: Im Gespann arbeiten ist gut. Nur: Wer ist der Ochse? Aber das lässt eine Kooperation verschiedener Disziplinen wie Design/Grafik und Text wohl in etwas zu negativem Licht erscheinen. Es geht doch darum, dass man die Kompetenzen des anderen achtet und gemeinsam versucht, das Optimum herauszuholen. Dazu gehört die mehrstufige Abstimmung VOR der Finalisierung und eben die gegenseitige, gemeinsame Freigabe der Arbeit. Nur so wird aus Text und Bild EIN sinnstiftender Artikel. Mit einem Layout, das Verständnis und Aufmerksamkeit fördert. Mit einem Text, der Inhalte transportiert und/oder Emotionen transportiert. Wenn’s gut gemacht ist, machen sich die Leser sogar wirklich ein Bild vom Text und lesen den Text zum Bild.
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