Wertebasiertes UX-Design – Gutes Aussehen allein reicht nicht für eine lange Beziehung. Das gilt für Liebesbeziehungen ebenso wie für digitale Anwendungen.
Digitale Touchpoints – also unter anderem Webseiten, Apps oder TV-Anwendungen – hinterlassen beim Benutzer ganz automatisch und unterbewusst ein bestimmtes Bild einer Marke. Ob man will oder nicht: Digitale Produkte repräsentieren immer Werte, mit denen die Marke assoziiert wird. Das Risiko, dass User ein „falsches“ oder gar negatives Bild einer Marke bekommen, ist dann hoch, wenn der Markenwert seinen Weg in das Produkt nicht gefunden hat. Doch wie genau schaffen es diese Werte in digitale Produkte?
Das „mentale Konzept“
Markenverbundenheit entsteht, wenn Menschen sich mit den Werten einer Marke identifizieren können. Dies geschieht vor allem durch die emotionale Erfahrung, die ein Nutzer mit dem Produkt bzw. mit der Anwendung macht. Dementsprechend müssen positive Erlebnisse geschaffen werden, die perfekt auf die Markenwerte der Brand UND die Vorzüge der Zielgruppe zugeschnitten sind. Dazu zählt, dass die Anwendung reibungslos funktioniert und die Marke hinter dem Produkt wahrgenommen wird. Wenn das gegeben ist, kann der Nutzer eine emotionale Verbindung aufbauen.
Damit dies gelingt, müssen zunächst Eigenschaften definiert werden, die zur Marke passen. Zu wissen, was genau eine Brand auszeichnet und welche Attribute die Identität prägen, ist die Grundlage für ein wertebasiertes UX-Design. Das wird vor allem dann zur Herausforderung, wenn sich die eigenen Werte augenscheinlich nicht klar von den Konkurrenten abgrenzen lassen. Diese Gefahr besteht gerade bei weit verbreiteten, generischen Werten wie „innovativ”.
Sind die passenden Markenwerte definiert, müssen die Eigenschaften durch Designelemente ihren Weg in das Produkt finden. Dazu zählen neben den auffälligsten Elementen wie Schriftart und Farbgestaltung auch alle verwendeten Formen sowie Text-Tonalität, Bewegtbilder und Sound. Fröhliche Farben und organische Formen werden zum Beispiel unterbewusst mit Lebendigkeit und Vitalität assoziiert.
Unser Unterbewusstsein gleicht immer wieder ab, ob unsere Vorstellung über eine Marke mit der tatsächlichen User Experience im Produkt übereinstimmt. Das Bild, das diese Assoziationen in uns hervorrufen, wird als mentales Konzept bezeichnet. Es ist die Grundlage für die Entscheidung, welche Elemente die Markenwerte am besten repräsentieren und damit wertebasiertes UX-Design ausmachen sollten. Dabei gilt es, sämtliche Sinne zu berücksichtigen und abzuwägen, über welche Elemente ein jeweiliger Markenwert am besten transportiert werden kann.
Stolpersteine & Tipps
Bei der Konzeption von digitalen Anwendungen gibt es einige mögliche Hürden, die beachtet werden sollten. Dazu zählen zum Beispiel Werte, die sich auf den ersten Blick nur schwierig miteinander vereinbaren lassen, wie „traditionsbewusst” und „fortschrittlich”. Damit beide den Kunden emotional erreichen, braucht es ein smartes UX-Konzept. Ein weiterer Stolperstein können festgelegte CI-Elemente sein. Erschwert wird die Umsetzung, wenn DesignerInnen mit bereits festgelegten Farben oder Schriften arbeiten müssen, die aus UX-Perspektive nicht optimal sind. Nicht zuletzt müssen sie dann sinnvoll in das Design teilweise völlig unterschiedlicher Touchpoints gebracht werden: Hier gilt es, einerseits die einzigartigen Anforderungen jedes Touchpoints zu berücksichtigen und gleichzeitig einen Weg zu finden, die Markenwerte konsistent und wiedererkennbar zu transportieren.
Am wichtigsten ist jedoch, dass die Werte tatsächlich glaubwürdig sind: Gerade populäre Werte wie „nachhaltig” sollten sich schließlich auch in den Produkteigenschaften und den strategischen Schritten des Unternehmens wiederfinden. Des Weiteren sollten die Markenwerte stets spezifisch und eindeutig formuliert sein. Es ist hilfreich, sie möglichst prägnant in einem Wort auf den Punkt zu bringen, das heißt Begriffe wie „fortschrittlich” statt „an der Spitze der technischen Entwicklung” zu wählen. Positive Formulierungen und das Vermeiden von Verneinungen, wie etwa „nahbar” statt „unverschlossen”, reduzieren zudem Missverständnisse und Unklarheiten. Nicht zuletzt gilt es, Markenwerte auszuwählen, die für die eigene Produktwelt relevant sind und dabei durchaus je nach Branche variieren können: So eignet sich „dynamisch” etwa bei Automobilherstellern, „naturnah” bei Lebensmittelproduzenten.
UX als Teil der Brand Experience
Überzeugt eine digitale Anwendung, wie eine App, durch Funktionalität und auf die Marke abgestimmte ästhetische und emotionale Erlebnisse, wird sie einen erheblichen Beitrag zur Markenbindung leisten. UX-Design ist allerdings nur ein Teil der Brand Experience. Ein ganzheitliches Markenerlebnis umfasst alle Online- und Offline-Touchpoints, also auch TV- und Radiowerbung, Messeauftritte, Werbemittel, Social Media-Kanäle, Stores im Handel oder den Kundenservice. Um die Glaubwürdigkeit einer Brand sicherzustellen, müssen alle Touchpoints die betreffenden Markenwerte widerspiegeln, harmonisch aufeinander abgestimmt sein und ein einheitliches Bild der Marke vermitteln.
Über den Autor
Felix van de Sand ist Managing Director und Co-Gründer von COBE. Mit der User Experience Identity Methode hat die Digitalagentur einen eigenen Designansatz entwickelt, der aktuell in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Ingolstadt validiert wird. Auf dieser Basis entstanden bereits erfolgreiche digitale Produkte für Vodafone, Wirecard und MunichRe.
Bildquelle:
FunkyFocus / pixabay
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