Jaja, im Rückspiegel betrachtet, musste es ja so kommen: Visual Storytelling ist (noch immer) DER Trend in allen möglichen Kommunikationsbereichen: Redaktion, PR, Werbung, Social Media und, und, und. Damit eins klar ist: Auch ich will nicht unnötig viel (wenig- bis nichtssagenden) Text lesen und bin dankbar für Bilder oder Grafiken, die für sich sprechen. Nur gibt es hier – wie in jedem „Spiel“ – ein paar Regeln, die man kennen und beachten muss (um sie zu brechen).
Das Wichtigste zuerst: Auch bei bildlich oder grafisch Erzähltem sollte der Inhalt/die Botschaft rüberkommen. Hier gilt ebenfalls die alte Weisheit: Content is king. Aber das ist eigentlich eine so genannte Selbstverständlichkeit, die sich nicht automatisch von selbst versteht. Aber der Reihe nach:
Eine lange Geschichte: das Erzählen.
Anders als seiner journalistischen Form muss sich das Storytelling in Marketing und Werbung oft mit kürzeren, schneller erzählten Geschichten zufrieden geben. Hier kommt man schneller auf den Punkt. Leider. Andererseits will ich mir das grandiose, preisgekrönte Beispiel großen Storytellings „Snowfall“ von der New York Times auch nicht mit (versteckter) Werbebotschaft vorstellen. Eine Kunst ist es im wahrsten Sinne des Wortes, die klassische Geschichte der Heldenreise in eine solch kompakte Form zu bringen, dass sie als Werbebotschaft taugt. Ihr wisst schon: In der Fremde ruft den Helden das Abenteuer, er muss einen Kampf gewinnen und kehrt anschließend siegreich nach Hause zurück. Dennoch darf man diese personalisierte Form der Botschaft nicht aus den Augen verlieren.
Visuelles Storytelling ist keine Bildergeschichte
Ja: Ein Bild wird – wie gefühlte 1000 Untersuchungen beweisen – ca. 60.000 mal schneller aufgenommen als Text. Nochmal Ja: Ein Bild schafft Vertrauen. Wir glauben, was wir sehen (Seeing is believing). Und Nein: Das bedeutet nicht, dass erfolgreiches Storytelling nur aus Bildern besteht, also ausschließlich auf visueller Kommunikation beruht. Der entscheidende (Bild-)Punkt ist folgender: Wie muss ich meine bildlichen Elemente gestalten und sie in die Geschichte einfügen, damit sie erfolgreich sind, sprich eine bestimmte Aktion ausgelöst haben? Denn letztendlich ist diese bestimmte, gewünschte Aktion (Kauf, Download, Registrierung, Aufruf einer Internetseite etc.) das, worum es im Marketing geht.
Oft ein echtes Dilemma: Die Authentizität
Die Sache mit dem schwierig zu schreibenden und noch schwieriger auszusprechenden Wort: Authentizität. Als Storytelling-betreibende Firma zeigt man Personen, Szenerien und Fotos, die echt wirken, am besten echt sind. Das gilt ganz besonders für Testimonials – also für die Firma werbende reale Personen. Optimalerweise mit vollem Namen präsentiert, sollte es sich hierbei um Kunden handeln, denen man keine falsche Identität verpassen musste. Also, „Frank M. aus Berlin“ kommt dann nicht gut. Ein anderer Aspekt ist der Anschein, der Look: Viele Werbetreibende, wie z. B. Dove sind dazu übergegangen, authentische Personen (oder Models) für ihre Werbung zu nutzen. Also in Sachen BMI grenzwertige Mädchen gegen Frauen mit normalem Aussehen und hoher zweistelliger Anzeige auf der Waage auszutauschen.
Eine tolle Botschaft, aber für wen? Die Relevanz
Oft verstellt die Innensicht den Blick auf die Wünsche und Ansichten der Kunden. Betriebsblind wie man nun mal wird, lässt man sich von Kriterien leiten, die irgendwann nicht mehr dem entsprechen, was „die Leute draußen“ eigentlich interessiert. Das tollste Foto bzw. die schönste Geschichte nutzt nichts, wenn die Zielgruppe es/sie nicht als relevant, d. h. auf sich zutreffend betrachtet. Also wenn nicht genügend potentielle Kunden sagen: „Ach, genau das kenn’ ich auch.“ Also: Echt ist wichtig. Aber die Geschichte sollte auch Teil der Gefühlswelt der Angesprochenen sein.
Es geht auch ohne Verstand: Die Sinne ansprechen
Das kennen wir alle: Erstaunliche Reaktionen erzielen oft Bilder, Grafiken oder Filme, die einen besonderen Reiz bieten. Das kann eine ungewohnte Perspektive sein, Spiegelung, Doppelung, das Weglassen eines Bildelementes oder der Eyecatcher-Fokus auf einen bestimmten Punkt. Beim Bild oben mit der autofahrenden Frau werden unsere Augen von ihren eingefangen. Gleichzeitig könnte man sich viele Fragen stellen: Wo kommt sie her? Wo will sie hin? Wie sieht sie aus? Warum sitze ich bei ihr im Auto? Wie riecht der Duftbaum? Das Erstaunliche: Weil unsere Wahrnehmung in erster Linie auf dem Sehen basiert, lassen sich solche beeindruckenden, sinnlichen Effekte (die einen ganzen Gedankenzug in Gang setzen) mit relativ wenig Aufwand erzielen. Wie immer: Man muss halt wissen, wie.
Fazit: Es gibt (k)eine Geschichte, die noch nicht erzählt worden ist
Visual Storytelling ist kein Trend. Es ist eine alte Technik, die man (wieder) neu entdeckt hat. Dabei nutzt man die Lust aufs Hören von Geschichten und verbindet alte Erzählmuster mit moderner Technologie und intelligentem Marketing. Bei der Fülle der Dinge, die man schreiben und vor allem zeigen kann, muss immer im Fokus sein: Weniger ist mehr. Die Macher von visuellem Storytelling in der Werbung sollten nicht nur beim Text (den eh kaum einer liest) sparen, sondern auch bei visuellen Elementen. Auch eine Infografik kann – und muss – man „bereinigen“ wie eine Waschmittelpackung beim Packshot. So lässt sich immer wieder ein anderes Buch mit einer neuen Geschichte aufschlagen.
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