Wer von der grassierenden Smartphone-Sucht abkicken will, dem bieten sich derzeit ein paar spannende Alternativen. Die vermeintlichen Rückschritte in längst vergangen geglaubte technologische Zeitalter erfreuen bei aller Schlichtheit mit spannender Haptik, erfrischend naiver Optik und überhaupt wieder mit ein wenig komplexeren Oberflächen als die immer ähnlicher gewordenen Schlauphones.
Zurück in die Vernunft
Das Nokia 150 setzt auf so altmodische Features wie Akku-Ausdauer und physische Tasten. Multimedia-Inhalte, räusper, lassen sich auch irgendwie darstellen. Dafür gibt’s dann aber auch weder LTE noch WLAN geschweige denn ‘nen App-Store. Wie ein russischer Lada kommt das Nokia 150 nämlich daher, und ist verglichen mit dem Nokia 6 von eher schlichtem Gemüt. Das Plastikding dürfte dennoch nicht nur Einsteigern gefallen, sondern auch jenen, denen ihr aufdringlich schlaues Smartphone allmählich auf die Nerven geht. Das Tastending funzt unter OS 30+ und exklusiv im antiken GSM-Netz (im D- und E-Netz auf 900 bzw. 1800 MHz) aber erlaubt dank Dual-SIM zwei parallel nutzbare Rufnummern. Ein voller Monat Standby oder 22 Stunden nonstop quatschen sind mit einer Ladung des 1020mAh-Akkus drin. Sollte dabei mal das Treppenhauslicht ausgehen, dann kommt die LED-Taschenlampe wie gerufen. Und um eine Unfallstelle zu filmen reicht die urtümliche VGA-Kamera mit ihrer Minimalauflösung allemal. Der Entertainmentaspekt beschränkt sich auf ein UKW-Radio (ein paar Ohrplugs mit Klinke müssen doch noch irgendwo rumfliegen). Für den integrierten Videoplayer und das 2,4-Zoll-Winzdisplay (320×240 Pixel) sollte man indes ein wenig Humor mitbringen. Wer den hat, der darf sich dafür über ein Nokia 150 in fröhlichem schwarz oder weiß für schmale 39,99 € freuen.
Light in white und night
Wie die Kunst des Weglassens geht, das lebt das Lightphone vor. Nur vier Millimeter dünn und so klein wie eine Kreditkarte, beschränkt sich sein Funktionsumfang auf das Ermöglichen eines Ferngesprächs. Der Hersteller verspricht denn auch, dass ein solches ohne ‘unwanted rings, dings, and pings’ zustande kommt.
“Ganz gleich ob ein Spaziergang am Nachmittag, eine Kaffeepause, ein Abend in der Stadt, eine Verabredung zum Essen mit einer geliebten Person, die Beschränkung auf das Wesentliche verschafft uns den nötigen Raum um schöne Stunden, frei von Ablenkungen und Benachrichtigungen zu verbringen.”
Das von klar definierten Radien und ungegliederten Oberflächen definierte Äußere kommt mit drei Nadelstichen gleichen Löchleins zur Tonausgabe aus. Eine zart schimmernde Zeitanzeige im HH:MS-Format und ein auf neun Ziffern plus zwei Funktionen reduziertes Bedienfeld bieten dem vom visuellen Dauerbeschuss geschundenen Auge Erholung. Die stilbewussten Nutzer, glaubt man dem Hersteller, wählen ihre Worte mit Bedacht und nutzen ihr lightphone z.B. als Zweitphone, “as little as possible” und bekommen für schmale 150$ eine gesunde Dosis Minimalismus – in den Oberflächen ‘white’ und ‘night’.
Die stylische Verpackung kommt übrigens in der Form eines Bildbandes mit Naturfotos daher, in dessen hinterem Teil sich das Objekt der Begierde verbirgt:
Punkt.
Jenen, die schon verzweifelt ihren Uraltknochen aus der Elektronikschrottlade gegriffelt hatten, winkt Erlösung aus der Schweiz. Die findigen Tüftler aus Lugano haben erkannt, dass uns unsere Mobiltelefone um so mehr auffressen, je mehr sie können. Für den ersehnten Ausstieg aus dem vom multimedialen Trommelfeuer bietet sich das ‘Punkt. MP 01’ an, gestaltet vom bekannten Designer Jasper Morrison. Die geradlinig runtergefahrene Eleganz des Telefons gründet in stilistischen Anleihen an das protestantisch ernste Ulmer Design der Siebziger, als Geräte noch physische Bedienelemente zu haben hatten. Seinem Nutzer reicht es vollkommen, damit zu telefonieren und Texte zu verschicken. Das in ernstem Schwarz, Reinweiß und ja, Sie lesen richtig, Braun (sic!) gehaltene ‘Werkzeug’ schmeichelt dem Griff mit seiner hautähnlichen anmutenden, rutschfesten und ähnlich einem Golfball genoppten ‘Softtouch’-Oberfläche. Sinnlich linsenförmige Knöpfe verschaffen Zugang zu Adressen und Message-Funktionen und man kann Erinnerungen, Alarme und einen Kalender – alles blöderweise nicht verknüpft – nutzen. Statt synthetischem Tüddelütt erfreuen dafür aber von einem norwegischen Klangkünstler geschaffene Laute von Vögeln und balzenden Fröschen das wunde Ohr.
Mit USB-Ladekabel, Bluetooth und leicht zugänglicher SIM-Karte ausgestattet, verspicht das ‘MP 01’ innere wie auch äußere Schönheit und spart sich Apps, Animationen und Special Effects. Seine Schöpfer preisen das ernste Kommunikationsgerät dank grundsolider Materialien und dem bruchsicheren und getönten ‘Gorilla-Glas als nachhaltigen Gegenentwurf zur grassierenden Wegwerfmentalität. Es versteht sich von selbst, dass so viel Reduktion als Luxus abgerechnet wird. Die Kargheit eines MP 01 gibt es schon für freundliche zwohundertfünfundneunzig Euro. Auch die Preise fürs Zubehör (wie z.B. das edle, italienische Lederetui) sind gesalzen, doch wer sie nonchalant hinblättert, weiß sich in der exklusiven Gesellschaft bewusst konsumierender Connaisseurs.
https://www.punkt.ch/de/produkte/mp01-mobiltelefon/#null
https://jaspermorrison.com/projects/electrical
Lesetipp:
Greg McKeown
Essentialism – The Disciplined Pursuit of Less
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