Shop-Design nach Corona – Wie sehen die Umfelder aus, in denen Einkaufen auch nach Corona wieder zum Erlebnis werden könnte? Wie digital werden sie? Welche Effekte hat die Pandemie auf das Erscheinungsbild unserer urbanen Einkaufsmeilen? DESIGNBOTE hat Meinungen, Erwartungen und Prognosen abgefragt.
DESIGNBOTE sprach mit Maik Drewitz – Shop Consult Director der Lifestyle Division von umdasch The Store Makers
“Herr Drewitz, im Duisburger Innovationshub erarbeiten Sie Seite an Seite mit den Kollegen von umdasch Digital Retail innovative Store-Konzepte. Wie kann man sich das vorstellen?
“Hier können wir sämtliche Gewerke als One-Stop-Shop konzipieren – vom ersten Scribble für ein neues Storekonzept über die Integration smarter digitaler Tools bis zur Umsetzung auf der Fläche. Dafür arbeiten wir in praxisnahen Workshops gemeinsam mit unseren Kunden wie auch intern in interdisziplinären Teams zusammen. Wir analysieren den Ist-Zustand, definieren Ziele und denken Store-Auftritte. Erlebnisorientierte Konzepte kommen nicht von ungefähr, sondern durch die enge Abstimmung unserer Design- und Digital-Experten. Und zwar von Anfang an. Unter anderem untersuchen unsere Experten bereits bestehende Retail Lösungen und denken dabei stets effizienz- und erlebnissteigernde Digitalanwendungen für die Fläche mit. Aus den Antworten auf Fragen wie „Lässt sich ein schon bestehender Online-Shop evtl. integrieren?“, „Wie lassen sich Social-Media-Aktivitäten auf die Fläche bringen?“ und „Wie können Kunden individuell angesprochen werden?“ definieren wir mit dem Kunden die Projektziele.”
Welche Projekte haben die interdisziplinären Teams in Duisburg schon realisiert?
“Wir arbeiten mit der Digital-Unit umdasch Seen Media seit eineinhalb Jahren zusammen. Eines unserer jüngsten Projekte ist der neue Globetrotter Store in Berlin-Steglitz. Auf vier Etagen mit rund 4.000 Quadratmetern haben wir hier ein Erlebniscenter der besonderen Art gestaltet – und das interdisziplinär als Designer, Einrichter, Digital Retail-Experten und General Contractor.”
Eine der umdasch-Stärken ist ja das Store Design.
“Genau. Entsprechend den Markenwerten und Zielen des Kunden präsentieren wir erste Designs. Die Store Makers arbeiten hier völlig individuell, lassen unter Berücksichtigung der individuellen Kundenwünsche ihre Expertise einfließen und zeigen schließlich mittels lebensechter Renderings, wie die Atmosphäre im Laden aussehen kann und wie die Corporate Identity verkörpert wird. Wichtige Aspekte sind Visual Merchandising, Warenbilder und die Integration digitaler Lösungen am PoS. Hier kommen unsere Digital Experten ins Spiel: Es geht um dynamisch gestaltete digitale Tools, deren Inhalte zielgruppenspezifisch ausgespielt werden. Weil unser Fokus dabei auf Inhalten und Erlebnissen liegt, entsteht eine einheitliche und lückenlose Customer Experience. Erst dann übersetzen unsere Ladenbauer das Store Design in eine funktionierende Ladenbau-Planung.”
Also ein durchgängig interdisziplinärer Ansatz …
“Unsere Kunden schätzen, dass wir die gesamte Projektabwicklung vom Ladenbau, über Digital Signage samt Content Creation bis zur elektronischen Preisauszeichnung übernehmen. Auf Wunsch verantworten wir als Generalunternehmer auch den Innenausbau. Viele Kunden möchten sich jetzt auf einen Partner verlassen, der sie abseits ihres Kerngeschäfts maßgeblich unterstützt. Die Retailer haben die Wahl, nur die Einrichtung, ausgewählte digitale Ergänzungen – oder das volle Leistungsspektrum zu buchen. Ist der Plan abgesegnet, dann planen unsere Ladenbau- und Digital-Projektmanager die Ausführung, erstellen Inhalte für die Marke, programmieren den Content für die Digitallösungen. Neben dem Prototypen realisieren sie auch den Ladenbau. Unsere Monteure und das General Contracting-Team setzen die Pläne schließlich zügig und routiniert um – bis zur pünktlichen Eröffnung. Auch danach sind wir immer für den Kunden da: Mit Service und Wartung, 24/7-Support-Hotline für digitale Anwendungen, Trainings in der hauseigenen Shop Academy und vielem mehr.”
Ein Paradebeispiel für gelungenes Shopdesign unter der Omnichannel-Prämisse ist das 1600m2 große ‘Warema Sun Forum’ in Wertheim. In und um ein ‘Dorf’ aus stilisierten ‘Häusern’ herum präsentiert sich das Sortiment des Sonnenschutzherstellers. Alle Anwendungsbeispiele der gezeigten Produktgattungen werden auch praktisch z.B. als Küche oder als Büro für die Berater genutzt. Zentrales Element ist der ‘Dorfbrunnen’ auf dessen interaktive Screens die Kunden sich über die Produkte informieren können. Alle in den Häusern gezeigten Produkte werden per App digital unterstützt, und laden in emotional aufgeladenen, lebensnahen Kontexten zum interaktiven, spielerischen Entdecken ein.
Bilder: umdasch
Bricks & Clicks, ‘Retailtainment’ und sinnstiftender Konsum?
Im Ladeninneren könnte die Retail Experience ganz anders aussehen: Das Geschäft der Zukunft integriert Social Media, Webseite/ Shop, gedruckte Kataloge (z.B. mit QR-Codes), physische Mailings und E-Mail-Newsletter, datengetriebener Warenwirtschaft und wird so die Kundschaft viel stärker zum Entdecken einladen. Die physisch vorhandenen Produkte sind attraktiv präsentiert und können visuell und haptisch geprüft werden. Das Mobile Endgerät der Kunden gewährt den Zugriff auf Bilder der Waren und Detailbeschreibungen. Die Waren können auch am persönlichen Mobilgerät ausgewählt und bezahlt werden. Sie können entweder sofort mitgenommen, an einer Warenausgabe abgeholt und eingeladen oder nach Hause geliefert werden.
Ein solches Modell ließe sich ggf. sogar ‘kulturell’ anreichern. Im Food Court ließe man sich gastronomisch verwöhnen, könnte in einem Magazin blättern oder sogar eine neue Band entdecken. Inzwischen würde die (mobil) online bestellte Ware schon ins Auto geladen oder für den Versand vorbereitet.
Bei aller digitalen Integration der Kanäle weist der Trend in Richtung emotional relevanterer Produkte: schöne Einzelstücke, Handgemachtes, Langlebiges und Hochwertiges und vor allem Regionales könnten zu neuen Ehren kommen.
Profane Alltagsprodukte, deren Beschaffenheit und Preis bekannt ist, müssten keine Ladenfläche mehr blockieren, weil sie ohnehin per Mobilgerät ausgewählt, bezahlt und ab Lager ausgeliefert / übergeben werden können. Hier ist das Bricks & Clicks–Konzept des ‘De Nieuwe Winkelier’ des niederländischen Retail-Beraters Reinder Koornstra interessant, in dem Clicks and ‘Bricks’ intelligent und vollständig integriert werden.
DESIGNBOTE sprach mit Reinder Koornstra, Koornstra Consultancy (NL)
Ich vermute, dass nach dem Boom von Online-Shopping und Corona ein paar physische Läden überleben werden. In einem Design-Kontext frage ich mich, wie ein solcher Laden aussehen / sich anfühlen sollte, wenn wir den Kunden noch hineinlocken wollen. Multichannel, Omnichannel oder was?
Viele Läden sind doch im Grunde nichts anderes als aufgepeppte Lagerhallen. Das ist dumm, denn das sind Webshops auch, aber die bieten viel mehr!
Physische Läden sollten zusätzlich zum Webshop das bieten, was Webshops nicht können, nämlich den anvisierten Kunden das Gefühl zu geben, dass der Laden für sie persönlich gemacht ist, mit dem richtigen Angebot, mit der richtigen Atmosphäre und der richtigen Ansprache! Der Kunde muss sich ja nicht als König fühlen, aber er wird doch wertgeschätzt! Der Laden sollte also möglichst in einem Zentrum liegen, in dem alle Angebote, auch die Gastronomie, auf diese Kundschaft ausgerichtet sind! Einzelhändler denken immer, dass “ihre” Kunden eigens für ihr Geschäft kommen, aber das trifft nur auf einen kleinen Prozentsatz zu! Die anderen wollen immer wieder positiv überrascht werden!
Aber da macht doch der Mix der Angebote die Attraktivität aus.
De Nieuwe Winkelier ist einfach eine andere Sichtweise einer Ladenformel! Interessanterweise hat Blokker sie zum Teil in seinen kleinen Filialen umgesetzt! Aber angesichts der Kopierfreude im Retail-Sektor wird man es zum Teil unbezahlt übernommen haben. In Deutschland sind mir keine Beispiele bekannt, zumindest nicht in den Städten, die ich gut kenne wie Koblenz, Trier, u.a. . Ich habe gewisse Bedenken, die hybride Formel in kleinen Shops anzuwenden. Aber in großen Multi-Brand-Modeläden und natürlich in Kaufhäusern funktioniert das, und zwar schon seit langem. Bei Selfridges von Anfang an und bei Karstadt in Fulda, wo ich Führungsassistent war, sind die Einnahmen aus dem Restaurant ausschlaggebend für die Gesamtrentabilität des Hauses. Innerhalb eines Einkaufszentrums ist dieser Mix natürlich sehr wichtig für die Aufenthaltsdauer dort!
Es gibt viele verschiedene Verbrauchertypen, deshalb war und ist der richtige Laden am richtigen Standort immer die Herausforderung! Auch was der richtige Look ist, ändert sich ständig, und der richtige Standort, sowohl physisch als auch virtuell, unterliegt auch dem Wandel! Aber wer weiß schon, welche Typen (Genres) in 5 oder 10 Jahren noch relevant sein werden? Jedenfalls werden es Bricks & Clicks-Formeln sein!
Leerstand als Chance für (lokalen) Neustart?
Nicht nur das Gesicht der Läden, auch das Straßenbild wird sich ändern: Viele Ladenflächen werden durch Pleiten frei werden und zu den alten (seit den Siebzigern verdreifachten) teuren Mieten keine Mieter mehr finden. Freiwerdende Flächen könnten zusammengelegt und dann z.B. ‘kulturell’ und / oder gastronomisch genutzt werden, was dann auch das Gesicht unserer Einkaufsstraßen verändern würde. Damit entsteht im urbanen Umfeld wieder Raum für kleinteiligere Nutzungsformen wie Nachbarschaftscafés und Kitas, Galerien, Lebensmittelläden, Handwerkern und Initiativen, die sich die eingebrochenen Mieten endlich leisten könnten. Auch für einen Wochenmarkt wäre wieder Platz.
Omnichannel wird Ladenflächen schrumpfen lassen, so dass man die Chance nutzen könnte, die vorher dicht gestapelte Ware wieder ‘atmen’ zu lassen – zugunsten einer vorteilhafteren Präsentation. Auch der gute alte Lebensmittelladen kommt, räumlich konzentriert und digital aufgerüstet, zurück.
Wer weiß, vielleicht erlebt ja sogar das Kaufhaus in einer unwiderstehlichen Post-Corona-Omnichannel-Version seinen zweiten Frühling? Mit einem Mix aus verführerisch präsentiertem Warenangebot, niederschwelliger Gastronomie und zum Bleiben einladender Atmosphäre könnte es auch Post-Corona sexy sein. Dass die KaDeWe Group Philipp Engelmann (36) jüngst zum Omnichannel-Verantwortlichen mit 50-köpfigem Team ernennt, lässt hoffen. Auch der IKEA-Konzern baut sein(e) Geschäft(e) schon seit längerem zum Omnichannel-Anbieter um.
Bonprix macht’s vor
Im digitalen Bonprix-Shop in Hamburg unterstützen schon seit 2019 digital assistierte Prozesse das Einkaufserlebnis. Bonprix nennt sein wegweisendes Omnichannel-Format „fashionconnect“. Bonprix und sein Mutterkonzern OTTO haben erkannt, dass trotz des Onlinebooms die Innenstädte attraktive Ziele für Einkaufsbummel bleiben. 75% der Modeumsätze werden im stationären Handel gemacht. Schlangen vor Kassen und Umkleidekabinen, die den Shoppingspaß trüben, hat Bonprix mit einem interdisziplinären Team und umfassender Digitalisierung eliminiert. Das neue digitale und lernfähige Shopkonzept hat 100% die Kundin im Fokus, es verschmelzt alle Pluspunkte der On- wie auch der Offlinewelt. Der Store konnte sich über Beifall aus allen Richtungen freuen. Kein Wunder, wenn das ausgesuchte Kleidchen aus dem digitalen Einkaufskorb wie von Geisterhand in die Kabine geliefert wird und dort auch Produktinfos und personalisierte Vorschläge und Preise digital angezeigt werden, männliche Begleiter komfortabel geparkt werden können und sogar eine Bar mit Erfrischungen aufwartet. Bonprix sieht den Store als sinnlich erfahrbaren Extra-Touchpoint zu seinem traditionell starken Onlinegeschäft, in dem sich gewiss prima Erfahrungen sammeln lassen für die weitere Optimierung seiner Kanäle. Bezahlt wird per PayPal, EC-, Kreditkarte- oder Bar am Check-Out-Terminal. Click & Collect geht übrigens auch. Eine aktuelle hauseigene Umfrage belegt durch Corona getriebene, veränderte Ansprüche ans Sortiment, verstärkte Onlinekäufe und bewussteres Konsumieren.
Die Bonprix-Customer-Experience im Video
Der Shop in der Hand. Suchen, finden, bezahlen.
Sie befinden sich hier: Der Webshop, auch im Laden nützlich.
Alles in allem: Fashion Connect ist gelungene Integration.
DESIGNBOTE sprach mit Marion Kempf, Visual Merchandiser, Hamburg
Frau Kempf, braucht man noch Schaufenster?
Als Visual Merchandiser muss ich die Frage natürlich mit einem klaren „ja“ beantworten. Aber ganz einfach ist es natürlich nicht.
Ich sehe in der Zukunft zwei Arten von Kunden.
Zum einen die Bedarfskunden („Special Needs“). Das sind Kunden, die etwas bestimmtes brauchen: jetzt gleich ein Geschenk oder einen beratungsintensiven Artikel. Diese Kunden suchen gezielt im Netz nach dem passenden Händler und interessieren sich nicht für Schaufenster, da sie im Vorfeld schon recherchiert haben.
Und es gibt den Kunden, der das „Shoppen“ als Freizeitgestaltung und zur Inspiration nutzt. Dieser Kunde will Entertainment.
Das Schaufenster ist hier der erste Kontakt und muss den Kunden sofort einfangen und in den Laden locken. Dafür muss es den Blick stoppen. Es gibt heute viele technische Möglichkeiten: großflächigen Leuchtwände, auffällige Installationen, interaktive Touch-Screens für Schaufenster oder auch Installationen, die auf Bewegung reagieren.
Für eine audio-visuelle Gestaltung gibt es heute erste Lösungen und da wird mehr kommen. Ich glaube nicht an durch Schaufenster beschallte Innenstädte, aber die Möglichkeit von disruptiven Effekten oder eine Verbindung über Bluetooth zum Smartphone ist eine Idee.
Wie sollte Store Design aussehen um Post-Corona wieder Menschen in die Läden zu locken?
Alle diese Innovationen wurden bisher immer nur für besondere Events genutzt.
Ich bin überzeugt, in der Post-Corona-Zeit wird sich das ändern. Wie lange das dauern wird, ist schwer einzuschätzen. Noch sind wir im Lockdown und die Geschäfte haben große Umsatzeinbußen gemacht.
Klar ist: wer jetzt investiert wird gewinnen.
Welche Bedeutung kommt Innendeko und Warenpräsentation zu?
Die optimale Warenpräsentation gehört in das spannende Feld der Verkaufspsychologie.
Ob jetzt jetzt die Krawatte und das Hemd beim Anzug oder der Regenschirm bei Regen vor der Kasse präsentiert wird, die richtige Platzierung der Ware ist direkt verkaufsfördernd.
Aber bei der Warenpräsentation geht es zukünftig nicht nur um die Abverkaufssteigerung, es geht viel mehr um Entertainment. Der Kunde will unterhalten werden, nur kaufen kann er online.
Das Einkaufserlebnis muss emotionalisiert werden und Storytelling ist im Visual Merchandising dafür das perfekte Werkzeug.
Ganz einfache Beispiele: in der Innendekoration kann viel mehr mit sensorischen Aspekten gearbeitet werden. Raumbeduftung, Lichteffekte und die passende Musik runden das Erlebnis ab und machen das Storytelling drei-dimensional. Das ist übrigens das Alleinstellungsmerkmal des stationären Handels, Social Media / Online ist nur zwei-dimensional.
Wie beurteilen Sie die Kombination von Onlineshop und physischem Store?
Ich sehe das Verhältnis von Online zum stationären Store als die perfekte Symbiose und es kann nach meiner Meinung auch nur als Symbiose funktionieren. Beide Konzepte ergänzen sich.
Die großen Online-Player machen es vor: Zalando hat Outletstores, Amazon eröffnete Buch- und Lebensmittelläden. Home24 hat Showrooms und Westwind präsentiert sich von Zeit zu Zeit in Pop Up Stores. Man würde hier nicht investieren, wenn „Brick&Mortar“, also Ladengeschäfte, nicht ihre Berechtigung hätten.
Aber diese Symbiose trägt nur, wenn die Hausaufgaben erledigt werden. Beide Seiten haben ihre eigenen Regeln und diese müssen an der richtigen Stelle aufeinander abgestimmt werden. Ein stationärer Händler muss verstehen, wie ein Onlineshop funktioniert und ein E-Commerce Stratege sollte nicht einfach einen Laden eröffnen.
Wie werden sich die Innenstädte nach Onlineboom und Corona entwickeln?
Da der Einzelhandel schon länger schwächelt, gibt es heute schon viele neue und sehr gute Konzepte.
Ein tolles Beispiel ist das „X-Madrid“, natürlich in Madrid. Hier wurde in einer leerstehenden Mall ein völlig neues Store Design umgesetzt. Es gibt ein Outdoor Surfbecken, einen Skatepark, Climbing, ein Kino und Events. Ergänzt wird das durch die dazu passenden Urban-Wear-Shops und es gibt Flächen für kleine Start Ups. Man kann dort ausprobieren, zusehen und gleich kaufen. Die üblichen Global Player wie Zara, H&M oder Primark findet man hier nicht.
Auch in Deutschland gibt es schon solche Concept Malls, zum Beispiel das Bikini Berlin oder die inzwischen geschlossene temporäre Mall „Fluxus“ in Stuttgart. Aus meiner Sicht sind das die Konzepte der Zukunft.
Es gab schon vor der Krise in vielen Innenstädten einen großen Leerstand, gerade an sehr großen Flächen. Post-Corona wird sich dieser noch erhöhen.
Hier sehe ich eine Mischnutzung. Zum Beispiel Co-Working und Co-Living, Boutique-Fitness, Seminarräume und Eventgastronomie. Das Ganze perfekt kombiniert mit passenden kleinen Geschäften mit einem kuratiertem Angebot.
Ebenso innovativ und für größere Flächen geeignet sind „Micro-Showrooms“. Ein Investor bietet Shop-Flächen zu mieten an, ähnlich dem Shop-in-Shop Konzept der Kaufhäuser.
Anders als in einer klassischen Mall sind die Mietzeiten kürzer, ein junges Unternehmen bindet sich nicht gleich auf 10 Jahre sondern nur für Wochen oder Monate. Dadurch ist die Investition einfacher und die Fläche bleibt immer spannend und neu.
Global Player setzen vermehrt auf kleinere Flächen als Showroom mit einem durch moderne Medien unterstützten Angebot. Die perfekte Symbiose von Online und Offline wird hier praktiziert: virtuelle Anproben, Home-Delivery, Click&Collect.
Haben Sie interessante Entwicklungen bei Ihren Kunden beobachtet?
Das veränderte Konsumverhalten ist nicht neu, die Coronakrise ist nur ein Beschleuniger. Einige Händler haben schon vor Corona reagiert und versuchen neue Konzepte.
Ein tolles Beispiel ist der neue Flagshipstore des Outdoorfilialisten Globetrotter in Berlin-Steglitz. Hier findet der Kunde zusätzlich zu der Verkaufsfläche eine Kletterwand, eine Clubhütte, es gibt eine eigene Werkstatt und modulare Ausstellungsflächen für Innovationen in der Outdoor-Branche. Man kann alles direkt in Aktion testen und ausprobieren.
Leider sehe ich bei vielen noch sehr verhaltene und nur der Situation angepasste Maßnahmen.
Die meisten Unternehmen haben aber die Social-Media-Aktivität deutlich erhöht. Es wurden digitale Lösungen wie Onlineshops oder auch Click&Collect umgesetzt. Und natürlich Hygienekonzepte erstellt. Das ist soweit gut und richtig.
Aber das alleine wird aus meiner Sicht nicht für die neue Zeit reichen. Spätestens nach dem zweiten Lockdown haben sich die veränderten Einkaufsmöglichkeiten manifestiert, der Kunde wird anspruchsvoller sein und neue Konzepte erwarten. Er muss vor Ort einen Mehrwert bekommen, sonst kauft er online.
Meiner Meinung nach wird der Einzelhandel in fünf Jahren ein völlig neues Gesicht haben. Wer sich jetzt in der Krise verändert, wird dann vorne dabei sein.
Die niederländische Trendforscherin Lidewij Edelkoort äußerte sich auf vogue.de (4/2020) – am ersten Höhepunkt der Pandemie – optimistisch zu einer Rückbesinnung auf das Handwerks:
“Wenn wir also klug sind – was wir leider nicht oft sind – werden wir die Chance nutzen, neue Vorschriften festzulegen, die es den Ländern ermöglichen, sich auf ihr Know-how und ihre spezifischen Qualitäten zu besinnen, und ein Jahrhundert der Kunst und des Handwerks einzuläuten, in dem Handarbeit wieder geschätzt wird. […] Die lokalen Industrien und Aktivitäten vor Ort werden wieder in den Vordergrund rücken und Initiativen, die von den Menschen selbst ausgehen, werden wichtiger werden, wie Tauschhandel, Open Tables, Bauernmärkte, Straßenfeste und eine DIY-Attitüde. Mir scheint, dass meine jüngste Prognose des ‘Age of Amateurs’ schneller kommen könnte, als ich es erwartet habe.”
Nach der Pandemie: Kommt ein Revival lebendiger Nachbarschaften und Läden mit Seele?
Entwicklungsfirmen planen längst für eine Zeit mit weniger Einkaufszentren und mehr Läden, die sinn- und gemeinschaftsstiftend in Communities / Nachbarschaften eingebettet sind. Vielleicht könnten unsere Einkaufsstraßen ja bald wieder das bunte Bild bieten, das die älteren unter uns noch kannten: Ein kunterbunter Mix aus Wohnungen, kleinen Läden, Pop-Up-Stores und Boutiquen, Büros, Bars, Cafés und Restaurants, hier und da kleine gemeinschaftlich gepflegten Grünflächen mit geselligen Sitzgelegenheiten. Kurzum, ein Bild das ein beseeltes Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit vermittelt. Hier wäre alles auf Kommunikation und Verbindung ausgerichtet, indem die Betreiber ihre Räumlichkeiten auch für Vorträge, Geselligkeit und Kursangebote zur Verfügung stellen. Bewohner und Verbraucher dürften sich – auch nach dem quälend langen Erlebnis der sozialen Isolation – nachhaltig von kommerziellen Konzepten mit kommunalem, sozialem und kulturellem Mehrwert angezogen fühlen. Auch kleine Läden könnten die Segnungen des Digitalen Marketings im Sinne größerer Wirtschaftlichkeit nutzen.
DESIGNBOTE sprach mit Silvio Kirchmair, CEO umdasch The Store Makers (A):
“Nachhaltigkeitsaspekte sind für manche Konsumenten und Händler zur Zeit nachrangig, werden aber sicher bald wieder bedeutender werden. Ähnliche Entwicklungen sehe ich bei digitalen Lösungen am POS: Investitionen in digitale Erlebnisse in Stores sind für die künftige Customer Experience unerlässlich. Befeuert wurden zusätzlich alle Prozesse, die dem Personal mehr Zeit für ihre Hauptaufgaben Beratung und Verkauf, geben. Wir sehen eine noch stärkere Bewegung hin zu Electronic Shelf Labeling (ESL) und technischer Automatisierung für jene Prozesse, die im Hintergrund der Stores laufen. Kurz gesagt: Automatisierung ist genauso wichtig wie Atmosphäre“.
Die DESIGNBOTE-Redaktion freut sich auf Eure Gedanken, Ideen, Konzepte und Beispiele zum Shop-Design nach Corona – sowohl aus Design-, wie auch Marketing-Perspektive!
0 Kommentare