Bilder sprechen uns an, seien es Illustrationen, Fotografien oder Kunst – wir schauen sie an, lassen sie wirken, Geschichten erzählen und Emotionen wecken. So sehr, dass wir sie sogar einrahmen, an unsere Wände hängen oder auf den Schreibtisch stellen. Einfach, um immer wieder in ihnen eintauchen zu können. Liest man einen Text oder eine Geschichte, kann er diese Emotionen ebenfalls erwecken. Doch warum hängt man sich diese nicht an die Wand? Kann eine “Bleiwüste” überhaupt den visuellen Effekt erzielen wie ein Bild? Aus diesem Grund hat sich Doris Büchel darüber Gedanken gemacht, wie man auch dem Text als Kunstform eine visuelle Bühne geben kann. Daraus entstanden ist das Onepage Magazin – ein Text, ein Gedicht, ein Poster.

onpage magazin

Mit wechselnden Autoren und Designern gibt sie regelmäßig ein Magazin in ganz speziellem Format heraus. Auf DIN A1 Postern wird der Text in den Vordergrund gestellt, unterstützt von rein typographischer Gestaltung. So entstehen Texte, die man sehr gerne an die Wand hängt. Doch nicht nur das, auch die Produktion spielt eine wichtige Rolle. So wurde für die gerade erschienene Jubiläumsausgabe Nr. 25 ein Upcycling-Papier mit Rückständen von weggeworfenem Leder der Papiermanufaktur «Favini», per Siebdruck vom international bekannten Drucker Lorenz Boegli produziert.

DESIGNBOTE Redakteur Julien Fincker sprach mit Doris Büchel über die Entstehung und Hintergründe des Onepage Magazins.

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Liebe Doris, was ist die grundsätzliche Idee hinter Onepage, und wie hat es begonnen?

Ein schönes Bild hängen wir an die Wand, um immer wieder darin einzutauchen. Einen guten Song wollen wir uns immer und immer wieder anhören. Und je mehr wir ihn hören, desto mehr Details und Feinheiten erkennen wir darin. Eines Tages, beim Flanieren am Kitsilano Beach in Vancouver, kam ich ins Sinnieren und dachte: Schade eigentlich, dass Text immer zwischen zwei Buchdeckeln verschwindet. Oder noch schlimmer: Im Altpapier. Der nächste spontane Gedanke war: Guter Text gehört doch auch an die Wand, damit wir immer wieder in die Sprache eintauchen können und heute Worte und Sätze entdecken, die wir gestern vielleicht noch überlesen haben. Ich dachte: Sollte ich jemals ein Magazin lancieren (was selbstverständlich nie mein Plan war), dann würde ich auf «Unnötiges» komplett verzichten und gerne etwas absolut Reduziertes kreieren. Im Sinne von: Lieber einen Text bewusst lesen als zehn Texte überfliegen. Dann begann mein Herz zu klopfen und – tataa, die Idee zur Edition Onepage war geboren!

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Das Magazin erscheint nicht klassisch als Heft, sondern als DIN A1 Poster. Wie bist Du auf das übergroße Format eines Posters für ein Magazin gekommen? Bringt es auch besondere Herausforderungen mit sich?

Dies geschah aus dem Gedanken heraus, gutem Text einen Platz an der Wand zu verschaffen. Da landet man schnell beim Plakatformat. Die Herausforderung ist natürlich die, dass wir es den Leser:innen damit nicht ganz einfach machen. Möchte man Onepage zum Beispiel im Zug lesen, dann ist das eine ziemliche Herausforderung (lacht). Onepage funktioniert im Grunde auf zwei Ebenen. Da ist einerseits die Ebene «Magazin»: Man entfaltet das Plakat, muss es entdecken, den Textfluss suchen, sich damit befassen. Dann gibt es die Ebene «Plakat»: Nachdem man Onepage im Stil eines Magazins gelesen hat, sucht man sich ein hübsches Plätzlein an einer Wand (Klotüren sind auch perfekt geeignet). So kann man sich an der Gestaltung erfreuen und immer wieder neue Details darin entdecken. Genau so soll es sein. Es geht um Wertschätzung und Achtsamkeit. Das ist auch die eigentliche Botschaft hinter Onepage.

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Du hast schon mit sehr namhaften Autor:innen und Gestalter:innen zusammengearbeitet. Nach welchen Kriterien suchst Du Deine Kooperationspartner:innen für die einzelnen Editionen aus?

Ich lasse mich dabei von meinem Gefühl leiten. Mein Ziel ist es, unsere Leser:innen immer wieder mit neuen Textformen und Sprachgebilden zu überraschen. Deshalb zählen zu unseren bisherigen Autoren nicht nur Schriftsteller:innen wie Michael Köhlmeier, Peter Stamm oder die aktuelle Schweizer Buchpreisträgerin Anna Stern, sondern auch Journalisten wie Hannes Grassegger oder Manfred Papst, oder Lyriker:innen wie Leta Semadeni, Michael Donhauser oder Michael Fehr. Sogar der Sänger, Musiker und Poet Büne Huber hat eine Ausgabe geschrieben. Einen grandiosen Text übrigens über einen, der sich so lange über die Wutbürger aufregt, bis er selber zu einem wird. Ach ja, Gedichte sind übrigens ein wesentlicher Bestandteil von Onepage. Einfach deshalb, weil Gedichte schön sind und wichtig für die Seele.

Bei den Grafiker:innen lasse ich mich gerne von Instagram inspirieren, wie es bei Sascha Lobe der Fall war, oder ich höre auf Empfehlungen. So kam ich zum Beispiel über Marc Weymann auf Jost Hochuli und über ihn auf Dafi Kühne. Mehr und mehr Gestalter:innen «bewerben» sich auch für eine Ausgabe. Manuel Kreuzer aus Passau zum Beispiel hat mir eine sehr inspirierende «Bewerbungsmail» geschrieben, da war der Draht sofort da. Das ist schon toll. Mir eröffnen sich da neue Welten.

Gibst Du den Beteiligten ein thematisches Briefing für die jeweiligen Editionen oder wie entsteht das jeweilige Thema?

Die Vorgabe lautet: Carte blanche! Meistens erfahre ich das Thema der Ausgabe also erst, wenn ich den fixfertigen Text bekomme. Das ist dann meistens wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Die einzige Vorgabe für die Autor:innen ist im Grunde nur die Anzahl Zeichen. Auch die Gestalter:innen bekommen eine Carte blanche. Für sie gilt als wichtigstes Kriterium, den Text nicht zu konkurrenzieren. Und die Lesbarkeit. Die Lesbarkeit ist fast das Wichtigste.

Nicht nur beim Inhalt und der Gestaltung, sondern auch bei der Produktion von Poster und Zubehör fällt mir Dein hoher Anspruch für Qualität auf. Wie wichtig ist Dir dieser Aspekt?

Danke vielmals für das Kompliment, ich freue mich! Dieser Aspekt ist mir tatsächlich sehr wichtig. In allem. Ich bin deshalb dankbar, dass ich mit Philipp Vogt, «meinem Mann» bei unserer Hausdruckerei BVD Druck + Verlag AG in Schaan, einen Profi an meiner Seite habe, der ein absoluter Papierliebhaber und außerdem ein Fan von Onepage ist. Er steht jeweils mit mir an der Druckmaschine, und alle zusammen wollen wir stets das Maximum erreichen. Das ist nicht nur mein Anspruch, sondern auch der Anspruch der Drucker. Ich glaube, auch sie schätzen meine Leidenschaft für die Sache.

Unseren Posterhanger ONEFRAME hat Daniel Graf sehr feinfühlig designt und geschreinert aus einheimischem Holz. Die Sammelmappe stammt von der Offizin Parnassia in Vättis, auch sie ist in liebevoller Handarbeit gefertigt. Das Produkt ist im Grunde erst fertig, wenn es im hübsch verpackten braunen Kuvert mit der mit Schreibmaschine getippten Etikette, Stempel und Briefmarke versehen im Briefkasten der Abonnent:innen landet.

Und nun noch zum Schluss, wie und wo ist die Onepage erhältlich?

So sehr wir das Analoge lieben, unsere Editionen lassen sich ganz bequem von daheim aus online auf unserem Webshop begutachten und bestellen. Alle Ausgaben sind einzeln oder im Jahres-Abonnement erhältlich. So landet fünf Mal im Jahr automatisch eine Ausgabe im Briefkasten. Übrigens: Wir liefern nicht nur in die Schweiz und nach Liechtenstein, sondern gerne auch in den EU-Raum.

Vielen Dank, liebe Doris, für die Einblicke hinter die Kulissen des Onepage Magazins. Wir sind schon sehr gespannt auf die folgenden Ausgaben und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg!

Alle Editionen und weitere Informationen findet man unter: www.onepage.li

Fotocredits: Ingo Rasp, Manuel Kreuzer